Zwecks ’n Schmusen warat’s g’wesen

Es ist dir sicher schon aufgefallen, du hast es sicher schon gesagt und auch sicher schon gehört: Schmusen. Aber warum zur Hölle sagt das jeder?

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Es keat oanfoch viel mehr gschmust. Schmus ma? Oder auch das allseits beliebte – aber erfahrungsgemäß oft nicht wirklich ziehende – „He! Bock auf a Schmuserei?“. You see where this is going. Schmusen ist in aller Munde (lol). Sei es auf Tote Bags, als Clubmotto oder auch in Artikeln auf Blogs und in selbst ernannten progressiven Medien, man kommt dem Wort nicht aus. Und mal ehrlich, hat man in den letzten Jahren jemanden etwas anderes dazu sagen hören? Eher selten. Wenn es darum geht, ist „schmusen“ halt THE thing to say. Aber warum ist das eigentlich so? Und warum verwendet man keinen anderen Begriff?

Das alltägliche Synonymwörterbuch unserer aller Jugend hätte doch so viel an kreativen Bezeichnungen zu bieten: Saugen, schlatzen, zetteln, sich aufführen, rumsafteln, schmieren, umalecken – danke an den Kärntner Kollegen links hinten –, oder auch – das ist schon ein bisschen verfänglicher – rummachen. Je nach Herkunft fallen da jedem bestimmt auch noch weitere Begriffe ein, mit denen man seinen präpubertären Freunden die ersten Erfahrungen im Zungenkontakt mit glänzenden Augen und Krämpfen im Kieferbereich umschrieben hat. Warum hat sich unter all den mehr oder weniger blumigen Ausdrücken ausgerechnet das Schmusen in sämtlichen sich als hip verstehenden Kreisen durchgesetzt? Man mag es gar nicht glauben, die Gründe sind überraschend vielfältig.

Schmusen ist retro

Die Frage nach dem Schmusen, das Erzählen vom Schmusen, das Loben des Schmusens erfüllt im Menschen – und insbesondere im Twen – das overused Bedürfnis nach Retro. Ebenso wie Gürtelschnallen mit Gameboy-Motiven und diversen 90ies Accessoires, die man an sich und seinen Bekannten zu erkennen glaubt, ist auch das Verwenden von teilweise altbackenen Wörtern höchst en vogue. Selbst wenn ein altes Wort wie „fesch“ wieder exzessiv verwendet wird und irgendwann wieder in der Mottenkiste der deutschen Sprache verstaut wird, kommt bestimmt ein neues altes Wort. Bei „schmusen“ ist es ähnlich. Genauso wie Technics-Plattenspieler, Vintage-Möbel und andere Memorabilia ziehen uns Wörter aus unserer Elterngeneration magisch an, „schmusen“ ist vintage. Geil.

Im Zusammenhang mit dem Retroappeal steht, dass „schmusen“ als Synonym für das Küssen auch ein Austriazismus ist: Während viele bundesdeutsche Mitbürger – wie auch ihre Synonymwörterbucher – eher liebkosende, streichelnde Aktivitäten assoziieren, gerne auch mit Katzen, ist für den gelernten Österreicher klar, was gemeint ist. Es geht ums Knutschen. Wenn man den geschätzten Kollegen Wikipedia nach „schmusen“ fragt, verlinkt er auf den Artikel zur Intimität. #wtf

Außerdem sind die anderen Begriffe größtenteils einfach grindig. Mal ehrlich, würdest du mit jemandem versuchen wollen, die „Waschmaschine“ oder den „Waschlappen“ zu umschiffen, dessen Einstiegssatz „Bock auf Rumsafteln?“ lautet? „Schmusen?“ hat immer Stil. Wenn man nicht zu betrunken ist oder unangebrachterweise die ganz große Bratpfanne auspackt.

Schmusen ist süß

Schmusen ist, wie sein Geschwisterchen im Geiste – „etwas miteinander haben“ – einfach ein niedlicher, ein unschuldiger Begriff. Klar, fast niemand will in dieser postmodernen Welt wirklich nur schmusen. Schmusen ist – jetzt aus männlicher Sicht betrachtet – immer nur als Vorspiel gedacht, zumindest wenn man nicht gerade fremdschmust, oder später noch einen über Tinder ausgemachten Booty Call erwartet. Schmusen bezeichnet einen unschuldigen Vorgang – der im Gegensatz zum nicht wirklich unschuldigen Usus der Gedanken steht. Nur ab und zu erzählt man seinen nun postpubertären Freunden, wenn man geschmust hat. Wenn mehr geht, teilt man das fix, gern auch mit einem „I Just Had Sex“ – Videolink per SMS.

Ein weiterer Grund für die häufige, fast schon omnipräsente Verwendung ist die Möglichkeit, das Wort in vielen Formen zu verwenden, die jeweils einen leicht differenzierten Tathergang bezeichnen: Beginnend bei „anschmusen“ – gern auch in Reue verpackt, wie bei „sry fürs anschmusen gestern“ -, über „rumschmusen“ – das dauert dann schon länger -, bis hin zu Nominalformen wie „Schmuserei“, „Schmusi“ – ein ehemaliger Schmuspartner -, oder „Schmuswahrscheinlichkeit“. Diese kann sich auf den Ort, an dem man es versucht, beziehen, wie „Im Brut ist die Schmuswahrscheinlichkeit viel größer als in der Grellen Forelle!“ oder auch auf eine Person: „Schau, wie die mich anschaut! Schmuswahrscheinlichkeit 100 Pro!“

Schmusen ist genau richtig

Warum greift man nicht einfach auf das klassischste aller Wörter zurück, auf „küssen“? Die Sache ist die: „Küssen“ ist halt oft unangebracht romantisch. Die Frage, „darf ich dich küssen?“ klingt zu sehr nach pounding rain in einem Ryan Gosling Chick-Flick. Das ist ein zu großes romantisches Versprechen, das man nicht im Stande ist, einzuhalten. Zu viel Romantik beim Schmusen ist schlecht. Warum? In diesen postmodernen Zeiten legt sich vor dem ersten Kuss, vor der ersten Schmuserei niemand fest, ob man wirklich romantische Gefühle – pfui! – für jemanden aufbauen oder gar mit ihm fixzsam sein will. Der Begriff „küssen“ ist einfach zu verkrampft. Und fragen, ob man jemanden küssen darf, sollte man sowieso nicht. Das hat noch nie gut funktioniert.

„Schmusen“ bietet einfach einen guten Kompromiss. Es ist unverfänglich, lieb, nicht zu bescheuert, nicht zu romantisch. Es ist retro, aber noch nicht wieder out. Man wird sich also daran gewöhnen müssen, noch mehr Tote Bags mit der Aufschrift zu sehen und noch mehr triebgesteuerte Teens, Twens und Thirtys es sagen zu hören. Bis irgendwann ein neues Wort dafür in wird. Ich bin ja für schmieren.

Bild(er) © muenchenkotzt.de / fb.com/embarrassingirishnightlifephotos / William Sanderson / Falter
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