The Best Days of My Life

Damit die Zahl der Scheidungen dermaßen hoch sein kann, muss zuerst ganz schön viel geheiratet werden. Und das ist höchst beruhigend – zumindest, wenn man mit Hochzeiten sein Geld verdient.

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Als DJ kann man auf Hochzeiten ein Vielfaches von der gewöhnlichen Gage bekommen. Schließlich sitzen die Scheine hier etwas lockerer als an anderen Tagen. »An diesem Tag ist uns nichts zu teuer« ist allerdings nur die freundliche Version von »An diesem Tag ist uns nichts gut genug«. Auflegen auf Hochzeiten ist lukrativ – leicht verdientes Geld ist es deshalb noch lange nicht.

Standesamt

Das Standesamt ist in erster Linie immer noch ein Amt. Sprich, das Gegenteil von Gefühl, Liebe und Freude. Stichwort: »Ich habe mir ein paar (Blick auf den Zettel) Gedanken gemacht zum Thema (Blick auf den Zettel) Liebe!« Klar, man soll sich auch im Überschwang daran erinnern, dass das Leben oft aus knochentrockenen Ansprachen, Verträgen und Zahlen besteht. Die wichtigsten Zahlen für Hochzeits-DJs wären: Über 35.000 Menschen heiraten in Österreich jedes Jahr, zwischen 4.000 und 8.000 Euro soll ein Großteil der Paare für ihre Hochzeit auszugeben bereit sein. Insgesamt macht das ein großes, mehrere Millionen schweres Budget, das neben den Ringen bei Hochzeiten auch noch ausgetauscht wird. DJs bekommen davon natürlich nur einen kleinen Teil; aber der ist immer noch beachtlich. 500 Euro aufwärts kann man schon ohne Equipment für die Untermalung der Eheschließung bekommen. Mit eigener Anlage und Lichtdesign ist locker das Doppelte drinnen. Nach oben hin gibt es aber wie überall keine Grenzen.

»Schmerzensgeld«, sagt Marco Weise, der in Wien die Veranstaltung Becs schmeißt. »Danach bin ich zwei bis drei Tage außer Gefecht«, lässt sich auch Manfred Breiner alias DJ Elk einen psychisch-musikalischen Krankenstand nach der Hochzeit mitzahlen. Und tatsächlich sind Hochzeiten ein eher hartes Pflaster für DJs. »Warum ich keine Anlage mithätte«, habe einmal ein verzweifelter Bräutigam Manfred Breiner gefragt. Wie er darauf komme, dass er selbstverständlich seine eigene Anlage mitnehme? »Der Fotograf hat seinen Apparat ja auch selber mit, ohne dass man was sagt.«

Agape

Warum an einem Tag, der quasi ausschließlich aus Alkohol und Essen besteht, Sekt-Orange und leeres Brot derart hartnäckig beliebt bleiben, ist unverständlich. Auf jeden Fall muss man aber dieses merkwürdige Vorstadium der echten Feier mit Kennenlernen, Vorstellen und Begrüßen überbrücken. Um ein Kennenlernen und Besprechungen vorab kommt auch der Hochzeits-DJ nicht herum. »Man sollte sich auf jeden Fall vorher treffen«, meint DJ Alaska Al, der hauptsächlich abseits von Hochzeiten mit einer gewaltigen Vinylsammlung mit Grooves aus den 60ern und 70ern hinter den Plattentellern steht. Schließlich gibt es für ein gewöhnliches DJ-Set, nun ja, unübliche Programmpunkte, sprich Hochzeitstorte im normalen, eine Diashow im schlimmsten Fall.

Auch sonst gibt eine Menge Dinge zu besprechen. Denn hier machen Leute eine Riesenveranstaltung, die meistens eigentlich nicht wissen, wie das geht. Eine zu große Location, zu empfindliche Nachbarn, zu wenig Gäste, zu alte Gäste, eine zu schlechte Anlage, keine Anlage, you name it. Die Möglichkeiten an Fehlern, die das Auflegen auf der Hochzeit schief gehen lassen, sind zahllos. Und auch, wenn man als DJ nichts mit der Planung zu tun hast, ist er am Ende irgendwie Mitschuld daran. Und da reden wir noch gar nicht von dem, wofür er eigentlich gebucht wurde: die Musik.

Buffet

Menschen lieben Buffets. Erstens geht nichts über ein gemeinsames Essen, vor allem dann, wenn es jemand anderer bezahlt. Zweitens gibt es hier alles, was man will, so viel man will und wann man will. Das alles ist schlecht für den DJ, zumindest, wenn sich die Buffet-Mentalität über die Tanzfläche bis zum DJ-Pult erstreckt. Die Braut, der Bräutigam, der – nicht unwichtig – zahlende Brautvater, die Gäste. Alle wollen etwas, und was schlimmer ist, alle wollen etwas anderes. Kein Problem, findet DJ Martini, der von Mai bis September so gut wie jedes Wochenende auf einer Hochzeit ist. In den meisten Fällen wären nämlich alle überdurchschnittlich gut aufgelegt und mit relativ wenig schon zufrieden zu stellen. Relativ wenig, das heißt in diesem Fall: wenn ihnen ein paar Wünsche erfüllt werden.

Auch DJ Elk richtet sich nach den Gästen. Und zwar nach ihrem Alter. »Man muss sich halt ausrechnen, wann die zwischen 17 und 20 Jahre alt gewesen sind, bevor sie eingesperrt worden sind.« Wenn man dann Hits aus den drei Jahren spielt, würde man ziemlich präzise treffen, was die Leute auf die Tanzfläche bringt. Wer wie Elk nach einem kurzen Set aus den 50er Jahren gefragt wird, ob er nicht »auch mal was Älteres« hätte, der weiß, dass man eine breite Songpalette dabei haben muss, um den Wünschen einigermaßen genügen zu können. Für DJs wie Weise und Hanzo, die bei ihren Veranstaltungen bewusst an einem Stil und Programm feilen, das alles andere als auf Hochzeitstauglichkeit ausgerichtet ist, haben die Wunschlisten auch bei Hochzeiten nicht unbedingt oberste Priorität. Natürlich meint auch Weise, dass »es nix bringt, wenn alle einen Fotz ziehen, während du den geilsten House auflegst«, trotzdem gehört das Abarbeiten von Wunschlisten nicht zu ihrer Auffassung vom Auflegen. Und mit 80er, Soul und Disco wären sie, meint Hanzo, auch breit genug aufgestellt. »Sie buchen mich ja, weil sie das wollen, was ich spiele«, meint DJ Alaska Al. Eine Notwendigkeit, sich besonders weit verbiegen zu müssen, sieht er deshalb nicht. Man könne schon davon ausgehen, dass man auch für den eigenen Stil gebucht wurde. Eine kleine Absicherung erlaubt er sich dennoch: Alaska Al legt nur Platten auf. Und Helene Fischer auf Vinyl – das gibt’s eben nicht.

Braut stehlen

Braut stehlen geht so: Irgendwann in der Nacht steht eine Gruppe auf, nimmt die Braut, verschwindet und geht ins nächste Lokal. Ohne erkennbaren Anlass, ohne erkennbaren Grund. Die Hälfte geht mit. Die Hälfte bleibt da. Allen ist fad. Hochzeiten sind ein Hort der merkwürdigen bzw. falschen Entscheidungen.

Da ist das Brautpaar, das auf seiner Wunschliste beharrt, obwohl klar ist, dass bis auf es niemand etwas mit seiner Musik anfangen kann. »Manchmal fragt man sich schon«, so Elk, »sind die mit ihren eigenen Gästen zum ersten Mal gemeinsam fort?«

Da ist »unser Lied!«, das unbedingt gespielt werden musste und von Reggae bis Nina Hagen reichen kann.

Da ist jene Hochzeit, bei der die Braut eine Liste an verbotenen Liedern schickte, die länger war als die eigentliche Wunschliste. Dass die Gäste dann natürlich eben jene Verbotsliste hören wollten, versteht sich von selbst. Am Ende einigte man sich auf einen Kompromiss: die verbotenen Wunschlieder wurden in den Klopausen der Braut abgespielt.

Wie gesagt: Leicht verdient ist anders.

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