ORF darf Social Media nur schwarz-weiß machen

Muss der ORF jetzt wieder in Schwarz-Weiß senden, um die privaten Mitbewerber nicht zu behindern? Die Social-Media-Sperre ist nicht zeitgemäß und behindert nicht nur den Sender, sondern auch den Empfänger massiv in seinen kommunikativen Möglichkeiten. Wir haben eine Verfassungsbeschwerde eingebracht. Ein Gastkommentar von Wolfgang Renzl (Anwalt) und Niko Alm.

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Am ORF ist zweifelsohne vieles kritikwürdig: die Art und Weise, wie er programmatisch seinen Auftrag wahrnimmt, seine Personalpolitik, sein Umgang mit politischer Einflussnahme etc. Das sind Punkte, die adressiert werden müssen und die mittelfristig als Produkt eines sachlichen Diskurses gelöst werden können. Es darf als normal betrachtet werden, dass sich ein Unternehmen dieser Größenordnung nur langsam an geänderte Rahmenbedingungen anpasst. Das betrifft auch die Finanzierung. Dem ORF sind als (zu ca. 60%) gebührenfinanziertem Unternehmen notwendigerweise Einschränkungen auferlegt, damit den privaten Mitbewerbern noch genügend Luft bleibt, um wirtschaftlich arbeiten können.

Ob diese Einschränkungen ausreichend sind, kann und soll an anderer Stelle auch diskutiert werden – bis hin zur Ausweitung des Anteils (nicht der Höhe) der Gebührenfinanzierung und einer damit verbundenen Teilprivatisierung.

Ein Weg zur Förderung des Wettbewerbs ist aber definitiv ungeeignet: Die Entwicklung des ORF zu einem modernen Medienunternehmen zu behindern, indem die Kommunikation in Social Media de facto verunmöglicht wird. Die entsprechende Formulierung (siehe Durchstreichung) im ORF-Gesetz ist unglücklich gewählt und vermutlich ursprünglich auch nicht mit dieser Absicht entstanden.

Bereitstellung weiterer Online-Angebote

§ 4f. (1) Der Österreichische Rundfunk hat nach Maßgabe der technischen Entwicklung und der wirtschaftlichen Tragbarkeit über das Angebot nach § 4e hinaus weitere Online-Angebote bereitzustellen, die einen wirksamen Beitrag zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Kernauftrags (§ 4) leisten. Darunter fallen auch Abrufdienste. Solche Angebote dürfen nur nach Erstellung eines Angebotskonzepts (§ 5a) erbracht werden; sind die Voraussetzungen des § 6 erfüllt, ist eine Auftragsvorprüfung (§§ 6 bis 6b) durchzuführen.

(2) Folgende Online-Angebote dürfen nicht im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Auftrags bereitgestellt werden:

25. soziale Netzwerke sowie Verlinkungen zu und sonstige Kooperationen mit diesen, ausgenommen im Zusammenhang mit der eigenen tagesaktuellen Online-Überblicksberichterstattung;

Schon alleine um dem ORF zeitgemäße Kommunikation gemäß § 4f. ORF-G zu ermöglichen, sollte die hier durchstrichene Passage auch wirklich ersatzlos gestrichen werden.

Nun kommt aber noch ein Blickwinkel dazu, der in der Debatte bisher überhaupt nicht beleuchtet wurde. Wenn der ORF in Social Media nicht mehr anzutreffen ist, wird den Gebührenzahlern ein wesentlicher Kanal genommen, um mit dem Unternehmen in Kontakt zu treten. Soziale Netzwerke haben in den letzten Jahren die private und professionelle Kommunikation grundlegend geändert, was an dieser Stelle ohne nähere Erläuterung als bekanntes Faktum vorausgesetzt werden darf. Die verordnete Enthaltsamkeit in Social Media führt also auch dazu, dass die Meinungsfreiheit der Gebührenzahler eingeschränkt wird, weil ihnen wesentliche Kanäle vorenthalten werden. D. h. neben der schon senderseitig vorgenommenen Einschränkung wird die Kommunikation auch empfängerseitig über diesen Weg verunmöglicht.

Dem Gesetzgeber mag zuzugestehen sein, dass es nicht Aufgabe des ORF sein kann, selbst soziale Netzwerke à la Facebook bereitzustellen. Darüber hinaus dem ORF aber zu verbieten, sich der Kommunikationsform „sozialer Netzwerke“ zu bedienen, gleicht dem Verbot der Telefonie oder der Anbringung eines Briefkastens. Es zeigt, wie weit in unserer Gesellschaft die Liebe zum Verbot bereits gediehen ist: Der Gesetzgeber hat das – aus medienwettbewerbsrechtlicher Sicht berechtigte – Interesse, dass der ORF selbst kein soziales Netzwerk bereitstellt, erkannt; offenbar um Umgehungen zu vermeiden, wird vom Gesetzgeber auch noch gleich die „Verlinkung“ auf ein soziales Netzwerk sowie eine Kooperation mit einem sozialen Netzwerk verboten. Was mit einer Verlinkung (das Substantiv, dessen zugrundeliegendes Verb vom Duden wohl zurecht als „schwach“ bezeichnet wird, taucht im österreichischen Recht erstmalig auf) gemeint ist, ist ebenso unklar, wie der rechtlich zwar oft verwendete, aber unklare Begriff der „Kooperation“.

Hauptsache Verbot. Sollen sich die (Kommunikations-)Behörden darüber Gedanken machen, was denn da verboten ist. Und die machen sich ihre Gedanken und kommen im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass dem ORF jede Kommunikation über soziale Netzwerke verboten ist. Logik: Das Verbot, das der Gesetzgeber da wollte, muss ja einen Sinn haben. (1)

Das beunruhigende an dem ganzen Vorfall: Wir spielen hier mit dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit, oder, wie sie neuerdings genannt wird: Kommunikationsfreiheit. Die Kommunikationsfreiheit schützt auch die Form der Kommunikation. Ein absolutes Verbot der Telefonie oder der wechselseitigen Briefkommunikation wäre undenkbar.

Warum wir als Beispiele zweiseitige Kommunikationsvorgänge benennen? Weil auch soziale Netzwerke das klassische Sender/Empfänger-Prinzip aufgelöst haben. Die Einschränkung der Teilnahme an einem sozialen Netzwerk des Einen bedeutet zugleich auch die Unmöglichkeit der Kommunikation des Anderen.

Natürlich werden uns kritische Mitbürger jetzt darauf hinweisen, dass wir dem ORF doch jederzeit eine E-Mail schreiben können, wenn wir das Bedürfnis zur Kommunikation verspüren. Dieser Vergleich verkennt – erstens –, dass soziale Netzwerke eine öffentliche Diskussion ermöglichen, ja davon leben. Es gibt mehrere „Mitleser“, die meine Anliegen allenfalls mittragen können.

Zweitens, und das ist der viel wichtigere Punkt, sollte, nein: muss jedes Verbot sinnvoll sein. Das hat umso mehr zu gelten, wenn Grundfreiheiten – sowohl des ORF, als auch jener Bürger, die mit dem ORF über soziale Netzwerke kommunizieren wollen oder die sich vom ORF über soziale Netzwerke informieren lassen wollen – eingeschränkt werden.

Das Verbot der sozialen Netzwerke wird nicht begründet. Es ist in § 4e ORF-G anerkannt, dass der ORF sendungsbegleitende Online-Inhalte bereitstellen darf. Nichts anderes sollte für Online-Inhalte in sozialen Netzwerken gelten. Eine Begründung, warum Online-Inhalte in sozialen Netzwerken anders behandelt werden sollten, ist weder den Gesetzesmaterialien, noch den Entscheidungen der Kommunikationsbehörden zu entnehmen. Unser Rat: Vor jedem Verbot: nachdenken, ob es unsere demokratische Gesellschaft wirklich braucht. Und im Zweifel lassen wir uns die Freiheit. Die Nutzung und Entwicklung des ORF-Angebots in Social Media sollte nicht behindert, sondern für ein modernes Medienunternehmen zur obersten Priorität erhoben werden.

Aus diesem Grund haben wir eine Beschwerde beim VfGH eingebracht, die die Streichung der obigen Passage zum Ziel hat.

Wir freuen uns, dass dieses Anliegen von Vertretern mehrerer Parteien inhaltlich unterstützt wird:

Dieter Brosz (Die Grünen), Matthias Strolz (NEOS), Beate Meinl-Reisinger (NEOS), Claudia Gamon (JuLis), Nikolaus Scherak (JuLis), Lukas Daniel Klausner (Piraten)

(1) Und jetzt kommt wieder die Politik in Form des Medienstaatssekretärs Ostermayer ins Spiel und lässt verkünden, dass dieses Verbot so ohnehin niemals gemeint war und eingeschränkt werden sollte (http://derstandard.at/1356427538824/Ostermayer-will-noch-heuer-ORF-Gesetz-aendern).

Dieser Beitrag ist auch auf dem Blog von Niko Alm erschienen. Niko Alm ist Gründer und Miteigentümer des Super Fi-Mikromischkonzerns, zu dem auch das Medienhaus Monopol und also The Gap gehört.

Bild(er) © Sig Ganhoer (Cover The Gap #117), Ingo Pertramer
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