Man müsste der Forelle schon sagen: Danke

Johannes Piller und Peter Balon sind das neue Führungsteam der Grellen Forelle. Ihr allererstes gemeinsames Interview handelt von der Technopolizei, schweren Entscheidungen, Black Metal, Helene Fischer, den neuen Körperkontrollen, Wien und der Liebe.

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Die Forelle war letztes Jahr ganz oben im Leserpoll von FM4. Sie ist oft ganz oben bei den Locations im Ranking des Musicmeter. Und mit dem Chaos rund um Sauna und Flex bleibt der Club an der Spittelau erst einmal die verlässlichste Anlaufstation für Techno, elektronische Spielarten und mittlerweile eigentlich eh alles. Inhaltlich geöffnet hat man sich ja schon länger. Heute setzen aber auch die großen Agenturen des Landes Acts wie DJ Premier, Lance Butters oder Talib Kweli in die Forelle.

Vor vier Monaten wurden in einem Noisey-Interview zahlreiche Änderungen angekündigt. Unter anderem die Verkleinerung des Clubraums und der Wechsel an der Spitze. Johannes Piller, viele Jahre Autor für The Gap und davor schon Chefbooker, wurde kaufmännischer Geschäftsführer.

Beim Interview in einem Gasthaus im fünfzehnten Bezirk nehmen Johannes Piller und Peter Balon erstmals zu ihren Plänen für den Club Stellung.

Seid ihr jetzt der einzige große Wiener Club mit so breiten Ausrichtung?

JP: Nein. Es gibt nach wie vor das Flex. Und so Alternative, wie wir gerne sein würden, sind wir noch nicht. Es gab jetzt die ersten Konzerte aus dem Indie-Bereich. Die werden gut angenommen.

Steht die Entscheidung zu verkleinern?

JP: Ja. Es wird nur mehr den Mainfloor geben. Deshalb wird es für Konzerte, Lesungen, Performances einfacher und das Angebot insgesamt größer.

Die Kantine plant den Nachfolger mehr Richtung Mainstream, die Zukunft der Pratersauna ist ungewiss. Werden da nicht viele zu euch kommen?

JP: Stimmt. Wir haben aber gesehen, dass der Underground einfach nicht die Massen bewegt. Wir tun unser Bestes, um den Gästen das perfekteste Cluberlebnis zu bieten. Und da endet unser Einflussbereich. Der Gast entscheidet, wo und warum er gerne feiert. Auf andere Klubs und Entwicklungen konzentrieren wir uns nicht, sondern sind nur aufmerksame Beobachter.

PB: 80 Prozent kommen ja nicht wegen dem Booking, sagt man so als Regel, sondern wegen der Location. Damit kämpfen alle. Auch wenn es hart ist.

Gibt es sonst neue Pläne für die Umgestaltung?

JP: Die Terrasse wird ganz bis zum Wasser vorgezogen und ihr Boden komplett neu gestaltet. Es gibt Pläne von Architekten, die aber noch nicht für die Augen der Öffentlichkeit sind.

PB: Das liegt nicht nur in unseren Händen. Der Umbau beginnt am Sommeranfang. Danach wird es 12 Monate dauern bis der neue Gastronomiebetrieb und die Terrasse wirklich öffnet. Wir haben außerdem eine eigene, teure Konzertanlage angeschafft, damit die Instrumente und Vocals besser im Clubraum klingen. Sonst passieren eher Dinge, die man nicht so nach außen merkt. Wartungen, Reparaturen. Oder etwa der Öko-Business-Plan, für den wir gerade ausgezeichnet wurden. Wir haben die Müllkonzept und die Heizung, die für jeden Raum regelbar ist, umgestellt. Dadurch sparen wir, machen weniger Mist und sind umweltfreundlicher. Das neue Trumer Bier ist ein Mehrweggebinde. Früher haben wir tausende Flaschen weggeschmissen und drei Mal so viele Container gebraucht.

Wie gut funktioniert die neue Treppe?

JP: Es gibt prinzipiell ein gutes Feedback. Es wundert uns aber, dass manche – trotz Wegbeschreibung, Kreidesprays und GIF – sich schwer tun, zu uns zu finden. Wir werden jetzt noch ein Video posten, das den Weg in der Nacht zeigt. Der Weg zurück ist offenbar leichter für alle.

Habt ihr eure Sicherheitsmassnahmen erhöht?

PB: Ja, haben wir. An dem Abend der Attentate in Paris habe ich sofort dem Chef vom Dienst geschrieben, er soll die Tür verstärken und Body Checks einführen. Das gilt bis auf Wiederruf. Wir nehmen das extrem ernst. Es gibt leider keine völlige Sicherheit. Die Forelle steht für Offenheit und für Lebensfreude. Es ist durchaus denkbar, dass es Menschen gibt, die unsere Philosophie in Widerspruch zu ihrem eigenen Bild verstehen.

JP: Wir sind da aus bestimmten Gründen sehr sensibel. Auch wenn es in den letzten Jahren keine einzige Messer- oder Pfeffersprayattacke bei uns gab.

Wie offen seid ihr für Zwischenrufe bei eurem Programm?

JP: Ich nehme mir natürlich Zeit und geh auf Leute zu. Wenn ich als Bookingchef nur meinen Schädel durchsetzen würden, wäre der Club schon lang nicht mehr offen. Das ist immer ein Spagat. Fundierte Kritik ist immer gut. Es ist halt ein Problem, wenn es wie im Fußball alle 8 Millionen Teamchefs besser wissen. Die Technopolizei raunzt halt gern. Machst du mehr Konzerte, heißt es, die haben Probleme. Machst du keine Konzerte, heißt es, die machen nur Techno. Machst du einen kleinen Act, heißt es, es war nichts los. Machst du einen großen Act, heißt es, ich habe Schlange stehen müssen. Meine Schuhe wurden nass. Ich wurde rausgeworfen, weil ich drin meine Schuhe geföhnt habe. (Lachen) Man kann natürlich nicht jeden Wunsch erfüllen, sondern das Monatsprogramm muss zusammen stimmen.

PB: Wir haben den Luxus, dass wir hier nicht nur Acts buchen müssen, bei denen die Hütte voll ist. Wir können auch Dinge aus einem missionarischen Auftrag holen, bei denen wir wissen, wir machen ein Minus. Wir sind aber ein Unternehmen, der eine schwarze Null machen muss, und kein Kulturverein. Die Forelle ist ein Riesen-Kobel. Und das Risiko ist bei einem großen Act auf eine Art kleiner. Loco Dice kostet zum Beispiel immens viel Geld, aber die Bude ist sicher blunzenvoll. Bei mittelgroßen Artists kann das viel schwieriger sein.

JP: Bei den 20-Jahre-Editions-Mego-Abenden haben wir uns aus dem Fenster gelehnt. Voices From The Lake und Fennesz haben kurz davor vor mehr als 5.000 Menschen gespielt. In Wien waren 200 da. Aber wir wollen das widerspiegeln. Weil es uns am Herzen liegt.

Was funktioniert atmosphärisch nicht bei euch?

JP: Langsamer, educated Deep House unter 120bpm funktioniert nicht. Dafür sind wir einfach zu Techno. Leider. Obwohl ich großer Fan davon bin.

Hip Hop klingt bei euch extrem druckvoll. Fennesz, Jungle, sogar klassische Konzerte waren eigentlich ziemlich stimmig.

JP: Wir hatten unsere ersten Black Metal-Konzerte, auf denen die Fans begeistert waren von unserer dunklen Höhle. Goa, Drum’n’Bass, Performances, sogar Kindergeburtstage – es gibt fast nichts, was mit dem richtigen Licht nicht bei uns funktioniert.

Skalar, Arcadia und PSI2 veranstalten Konzerte bei euch. Wird das noch mehr?

JP: Die Frequenz ist schon sehr gut, es kann auch noch mehr werden. Wir decken eben genau die Bandbreite zwischen B72 und Arena ab, also alles, was sich zwischen 250 und 550 Besuchern bewegt.

Werden Konzerte unter der Woche so früh aus sein, dass man öffentlich heimkommt?

JP: Ja. Obwohl das auch vom Veranstalter und vom Management des Artists abhängt. Wenn der sagt, er will erst um 22.30 spielen, liegt das nicht in unseren Händen.

Wenn es an einem Abend mindestens 250 Leute braucht, was ist dann nicht mehr möglich?

JP: Was im Rhiz voll ist, schaut bei uns aktuell schnell nach nichts aus. Mit dem Umbau wird es bei 300 Leuten eine gute Party geben. Dadurch können wir kleinere, speziellere, auch verkopftere Sachen machen.

Aber ihr braucht aber zwei Mal in der Woche 500 Leute, damit das läuft.

JP: Klar, das brauchen wir. Wir haben unsere Aufgaben im letzten Jahr so gut gemacht, dass wir das auch wirklich haben. Natürlich haben wir die Kantine und den Pratersauna-Relaunch gespürt. Selbst wenn die nicht zumachen, können wir heute arbeiten. Wir haben uns immer auf unsere eigenen Stärken konzentriert. Wir sind sehr aufmerksam, bekommen alles mit, was in Wien abläuft, aber letzten Endes wird jede unserer Entscheidungen für den langfristigen Erfolg unseres Klubs gefällt.

PB: Es gibt ja tausend Faktoren, warum eine Party nicht funktioniert, aber nur ganz wenige, die man als Club beeinflussen kann. Die Preispolitik etwa. Eine Wirtschaftskrise natürlich nicht.

Weiter zu Marion Soldo, Richie Hawtin, Helene Fischer und der Clubmetropole Wien.

Bild(er) © 150 Jahre The Gap: Stephan Brückler, Forelle-Terrasse bei Tag: stills.eraserhead.at
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