Let's dance

Die gefeierte österreichische Choreographin Doris Uhlich setzt sich in ihren Stücken immer wieder mit Körperlichkeit(en) auseinander, ganz nach ihrem Motto "Die Welt ist mein Körper". Sie stellt gesellschaftliche Rollenbilder in Frage und nimmt manchmal auch ihre eigene Biographie als Inspiration. Wir haben sie zum Gespräch gebeten.

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Uhlich propagiert die Tanzwut und das schon seit Jahren, immer wieder mit neuen Einflüssen. Im Oktober zeigt sie im Rahmen von All machines welcome im Brut und im Wuk neue Arbeiten, darunter auch die Premiere von Ravemachine, eine Kooperation mit dem gehbehinderten Tänzer Michael Turinsky. Dabei gibt es ein spannendes Rahmenprogramm mit einem Workshop für Menschen mit körperlichen Einschränkungen und eine Raveparty.

Im Mittelpunkt des Programms steht das Erfahren und der Austausch von Energie. Also: Let’s dance!

Wie kam es zur der Idee, eine Kooperation mit Michael zu machen? Kanntet ihr euch bereits davor?

Michael Turinsky hatte 2012 im Kabelwerk die Premiere seines Stückes „Heteronormous Male“. Ich bin im Publikum gesessen und kann mich noch erinnern, dass eine innere Stimme zu mir gesagt hat: „Doris, wenn du einmal ein Duett tanzt, dann mit ihm.“ Wir kannten uns bis zu diesem Zeitpunkt nur sporadisch. Nach meinem ersten Technostück "Universal Dancer", ein Solo mit einer Rütteltisch-Maschine, habe ich Michael kontaktiert und mit Recherchen begonnnen. Bei diesem Solo im brut waren immer wieder auch Menschen im Rollstuhl im Zuschauerraum. Vielleicht hatte das mit dem Maschinenthema zu tun. Dann hat mich ein Rollstuhlfahrer, der das Stück gesehen hat angerufen und wir haben uns getroffen. Er hat mir erzählt, dass er auch gerne mitgetanzt hätte, seinen Rollstuhl in die Gänge gebracht hätte, als er mich da auf dieser Rüttelmaschine gesehen hat. Er hat mich dann gefragt, ob ich nicht eine Idee hätte zu einem Workshop mit Menschen mit Behinderung oder ein Bewegungskonzept.

Ich hatte bis dahin nie darüber nachgedacht, aber mir wurde dann klar, dass RollstuhlfahrerInnen ja eigentlich Techno-ExpertInnen sind, da sie ja in "Maschinen" sitzen. Ich hab ihm spontan geantwortet: „Ihr sitzt ja im Techno drinnen, denn Techno speist sich ja aus dem maschinellen. Eigentlich ist ja ein Rollstuhl eine Ravemaschine.“ Nach dieser Erkenntnis habe ich dann Michael Turinsky angerufen, und ihm gesagt, dass ich mit ihm gerne etwas ausprobieren möchte. „Ich würde mit dir gerne zum Thema Ekstase arbeiten, Energieaufladung durch Techno-Musik, deinen Körper damit zu fluten.“ Ich fand es auch interessant, dass sein Körper so anders wie meiner funktioniert. Ich hatte immer das Gefühl, er ist ein Knochenmann und ich eine Fleischfrau.

Zu deinem Stück im Tanzquartier Wien Boom Bodies im Jänner 2016 sagtest du: "Welchen Körper braucht man, um Alternativen und Veränderungen anzudenken? In welchem Körper denkt man?" Denkst du, ein Körper mit Behinderung ist ein „anders- denkender“ Körper?

Ein Körper mit Behinderung bewegt sich anders. Und das andere Bewegen setzt andere Denkprozesse in die Gänge. Egal welche Eigenschaften, Dynamiken, Rhythmen ein Körper hat: every body is a brain boom tschak! Jeder Körper besteht aus derselben Materialität, die sich unterschiedlich zusammensetzt – aus Fleisch, Knochen, Muskeln, Sehnen, Haut etc. Wir alle sind wandelnde Körperarchive, in den Körper lagert sich unsere Biografie und die Geschichte der Welt ein. Egal wie unser Körper ausschaut, woher er kommt, wie er sich bewegt.

Du beschäftigst dich seit einigen Jahren mit Techno. Was interessiert dich an dieser Form von Musik? Siehst du darin mehr als Musik? Schließlich war der Techno auch mit einer Subkultur verknüpft.

Techno ist eine Form von hörbarer und physisch erfahrbarer Energie für mich. Techno ist ein Soundbad, das unendlich lange gemixt werden kann. Es hat eine Offenheit, die Sounds sind Material für DJs, um sie mit anderen, weiteren Sounds zu kombinieren, zu erforschen, weiterzudenken. Mir gefällt dieser Ansatz sehr. Weiters lagert sich der Sound in mein Fleisch ein, er gibt meinem Körper Kraft. Mich fasziniert die Kooperation von Mensch und Maschine, die Möglichkeiten, die sich auftun, wenn sich Elemente nicht abstossen, sondern in einer Synergie gehen. Es gibt so viele Arten von Techno – es sprechen mich nicht alle an. Was ich sehr mag, sind Sounds, die sich mehr und mehr durch eine Kontinuität in den Raum einlagern und Sounds, die in den Exzess führen. Die Subkultur, die mit Techno verknüpft ist, ist ein starkes Interesse von mir, wie jede Subkultur, bevor sie kommerzialisiert wird.

Du unterrichtest auch. Kannst du kurz umschreiben, was deine Ziele als Pädagogin sind bzw. was du versuchst deinen SchülerInnen mitzugeben?

Ich möchte erfahrbar machen, dass der Körper das ist, was uns am Leben erhält und was Lebendigkeit schenkt. Das klingt kitschig, aber es ist für mich eine Tatsache. Ohne den Körper geht gar nichts. Keinen Gedanken kann ich ohne den Körper machen. Unterrichten bedeutet für mich einen Erfahrungsraum zu schaffen, in dem der Körper vielfältig in Bewegung gebracht wird, ästhetische Vorstellungen von sich selbst und von Tanz in Schwingung geraten, den Körper und den Blick auf den Körper zu öffnen – ein offener Körper ist Voraussetzung für einen offenen Blick. Es geht auch stark um ein Verständnis von Energie und Energiequellen, um das Verhältnis Form und Energie, Individuum und Gruppe. Das Leben ist kein Solo, das Leben ist ein Ensemblewerk. Das versuche ich zu vermitteln, wenn ich Gruppen unterrichte.

Die Nacktheit ist ein künstlerisches Mittel, das du immer wieder in deinen Arbeiten zum Einsatz bringst. Ist Körperlichkeit für dich automatisch mit Nacktheit verbunden?

Nein. Es gibt ein Mir-Nahe-Kommen, das nur mit dem nackten Körper möglich ist. Nackttanzen ermöglicht Bewegungen und Emotionen, die nur ohne Stoff auf der Haut entstehen. Aber viele körperliche Erfahrungen mache ich auch mit Kleidung.

Das Minifestival von Brut und Wuk heißt: All machines welcome! Gibt es auch nicht-willkommene Maschinen?

Der Titel ist ein Wortspiel. Maschine meint in diesem Zusammenhang zunächst Hilfsmittel für Menschen mit physischen Behinderungen, weiters Körpererweiterungen, Body Extensions, Prothesen. In diesem Sinne, ja, all machines welcome.

Die Performances und Workshops von Doris Uhlich finden am 12.10., 20.10., 21.10., 22.10. und 24.10. statt. Nähere Infos dazu gibt es auf der Brut-Website.

Bild(er) © Bild 1: Peter Empl, Bild 2: Theresa Rauter
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