Elevate – Rave in the Cave!

Wieder einmal haben wir in Graz diskutiert, gefeiert, experimentiert und wachgerüttelt. Zumindest wach geblieben sind wir viel zu lange am vergangenen, verlängerten Wochenende. Elevate! Ein Festival wie sonst keines. Julia Melcher ließ den Kopf und die Sohlen rauchen.

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Mit Tosen und Donnern ist das Elevate Festival vergangene Woche durch die Höhlen des Grazer Dom im Berg gehallt. Die Worte der Diskussionen aus dem Forum Stadtpark hängen noch im Gedächtnis fest. Es wurden keine Schlossberge versetzt, aber immerhin kleine Steinchen gestreut: auf dem Weg hinaus aus dem Bretterwald. Das Brett vorm Kopf sei hier klarerweise gemeint! Ob die Message jedoch wirklich angekommen ist?

So schreibt beispielsweise schon am Tag nach der Eröffnung ein Grazer Lokalblatt, es habe "wenig tanzbare Musik" gegeben. Da muss man sich schon fragen, ob die Presseaussendungen von den entsendeten Redakteuren vorab auch wirklich gelesen werden? "Abseits des Mainstreams" impliziert nun mal, dass es keinen Heuschober-Polka und auch keinen Eurodance gibt. Aber schon klar, dass es nach 5 Jahren Elevate noch nicht alle gerafft haben, worum es dort eigentlich geht. Ist ja auch sehr kompliziert, das mit dem Diskurs und der Musik zu durchschauen. Da werden zum Beispiel Themen aufgegriffen, zu denen die politischen Medien in unserem Land (und weltweit) bevorzugzugt Stillschweigen bewahren. Wie bringt man das dann der Stamm-Leserschaft behutsam näher? Die sind ja so leicht zu verschrecken, wenn es nicht um Sensationen und Skandale geht. Freier und kritischer Journalismus ist einfach zu riskant, bedenkt man, wie viele Leser und Gönner man verlieren würde, wenn man selber plötzlich "abseits des Mainstreams" schreibt!

Das Elevate Festival lädt daher zum jährlichen Diskursprogramm mutige Journalistinnen und Medienaktivisten ein, die sich nicht die Pappn verbieten lassen, oder damit zufrieden sind, wenn sie nur das schreiben, wofür sie am meisten bezahlt bekommen. Einer der Gäste des diesjährigen Diskursprogramms hat es sich sogar zur Aufgabe gemacht, die Wirkungsweise der öffentlichen Medien für seine Zwecke zu nutzen, um manipulative Vorgehensweisen aufzudecken. Die Rede ist vom Medienguerilla Mike Bonanno von den Yes Men. Er war nur einer der zahlreichen Gäste, die sich zu Themen wie Klimawandel, soziale Ungleichheit und Civil Society an den Podiumsdiskussionen beteiligt hat.

Sich beide Programmteile, nämlich Diskurs, sowie Musik, einigermaßen gehaltvoll und auch stilvoll rein zu ziehen, ist leider schier unmöglich. Das Angebot ist überwältigend und allein schon im Dom im Berg scheitert man daran, sich nicht auf 3 Floors gleichzeitig aufhalten zu können. Irgendwie schade! Außerdem: kein Mensch kann 5 Tage lang 24 Stunden wach bleiben … naja, auch deshalb nicht, weil Chrystal Meth dann "stilvoll" exkludieren würde und was diese Kolumne hier vom Diskoschnupfen hält, wurde bereits an anderer Stelle eingehend diskutiert. So verzichtet man zugunsten des körperlichen Wohlbefindens auf einige interessante und sehenswerte Punkte im Programm, dreht den Live-Stream zuhause auf, statt selber hin zu gehen und überlässt das mit dem Wachbleiben der Afterhour-Meute, die sich in sozialer Einigkeit und übersprühendem Aktivismus am Ententeich im Stadtpark prügelt. Ein Hoch auf unsere Grazer Civil Society!

Aber zurück zur untanzbaren Musik: die hat sich vor Highlights ja geradezu überschlagen. Fazit: Graz hat eindeutig mehr Japanoise-Fans, als man dieser Stadt zutrauen möchte. Aber auch Robert Hood, Mount Kimbie, Jamie xx, Walls, Emeralds, Oneohtrix Point Never, Joy Orbison, Elektro Guzzi und alle anderen lösten am brechend vollen Dancefloor seltsame Zuckungen beim Publikum aus. Leider nicht im Wechselschritt, also wirds wohl auch nix mit Kultur und Kunst zu tun gehabt haben. Außer natürlich für diejenigen, an denen die letzten Jahrzehnte der elektronischen und experimentellen Musik nicht spurlos vorüber gegangen sind, die offene Ohren für neue Klangwelten und Ideen haben und die wissen, dass, sich zu hypnotischen Beats treiben zu lassen, einer der ältesten kulturellen Bestandteile der menschlichen Zivilisation ist. Möge diese auch weiterhin den selbst produzierten Krisen Paroli bieten und wissen, wie man trotzdem feiert!

Das Exklusiv-Interview für The Gap mit Joy Orbison, in dem er über seinen Sprung vom Local-London-DJ zum internationalen Hype, diverse Pläne für die Zukunft, sein Label Doldrums, die Musik als solches und das Business inklusive plaudert, dann in der November-Ausgabe von The Gap!

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