Das Grosse Geld

Eben wurde eine Studie über die wirtschaftliche Bedeutung von Festivals für Großbritannien veröffentlicht. Ihre Ergebnisse lassen sich teilweise auf Österreich umlegen.

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Das Gefühl, dass Festivals boomen, ist jetzt nicht die Wahnsinnsanalyse. Im Vereinigten Königreich wurde jetzt aber erstmals ausführlich untersucht was die jährlichen Musikfeste für das Land und seine Regionen überhaupt bringen. 20.000 handfeste Vollzeitjobs zum Beispiel – das ist eine Sprache, die politische Entscheidungsträger verstehen. Die Zahlen lesen sich überhaupt recht beeindruckend.

Eine der wichtigsten: Festivalbesuchern aus „Übersee“ – damit ist dann auch Kontinentaleuropa gemeint – kommen zwar gerade einmal auf ein Zwanzigstel des gesamten Publikums, aber eben diese Festivaltouristen bringen fast 20 Prozent des Gesamtumsatzes. In Zahlen bedeutet das dann stolze 285 Millionen Euro. Zum Vergleich: das ist ein paar deutliche Millionen mehr als in Wien in einem ganzen Jahr in Hotels umgesetzt wird, Tourismus, Kongresse und Stundenhotels alles inklusive. Und da sind wohlgemerkt nur die Nicht-Briten. Rechnet man das dazu, was die Briten selbst für Livemusik ausgeben, kommt man auf ganze 1,6 Milliarden Euro.

UK, ESP, HUN, USA

Deshalb fordern die Auftraggeber der Studie, UK Music, auch gleich ein eigenes Büro in der zentralen Tourismusagentur des Landes um noch mehr Musikfans ins Land zu bringen, um Festivals im Ausland zu bewerben, um auf das nationale Kulturgut Musik aufmerksam zu machen, auf symbolträchtige Orte und ihre Geschichten. Ein Festival wie das Glastonbury zieht ohnehin schon viele deutsche Musiktouristen an und spült allein mit über 180.000 Besuchern mächtig Geld in die Region. Solche Festivals sind also mittlerweile weit mehr als fröhliche Events, sie sind ein echter Wirtschaftsfaktor, Institutionen und können sich etwa fast schon alleine Reunions vor Jahren aufgelöster Bands kaufen: Pulp verkündeten etwa schon kurz nach ihrer Wiedervereinigung, dass sie in Barcelona beim Primavera spielen werden, letztes Jahr waren es die Libertines, die für knappe 1,2 Millionen Pfund bei den großen Open Airs in Reading und Leeds ein paar persönliche Differenzen gerade sein ließen. Als Diskussionen um das Budapester Sziget Festival vom Stadtrat vom Zaun gebrochen wurden, weil das gesamte Festivalgelände nicht länger gratis zur Verfügung stehen sollte, argumentierten die Veranstalter mit umgerechnet über 5 Millionen Euro Steuereinnahmen und noch einmal fast 8 Millionen für Hoteliers und Gastro. Mit solchen lässt sich auch eine Regierung überzeugen, die an sich allzu westliche Umtriebe eigentlich lieber abdrehen würde.

In solchen und noch größeren Dimensionen bewegen sich heute auch die großen US-Brummer wie das Austin City Limits, Lollapalooza und das Coachella in Kalifornien, das kürzlich verkündete ab 2012 an zwei Wochenende stattfinden zu wollen (je über $30 Mio. Umsatz). Das Reading Festival rechnet mit cirka 240 Euro pro Besucher über die Laufzeit des Festivals. Am letzten Maiwochenende ging auch die elfte Version des Primavera Sound Festivals in Barcelona zu Ende. Rund 40.000 Besucher pro Tag sind für ein Stadtfestival allein schon eine stolze Zahl. Mit über 1.200 akkreditierten Journalisten ist das Festival noch dazu eine Anlaufstelle für viele internationale Medien und Multiplikatoren. Gemeinsam mit dem Sonar haben Festivals wesentlich zum guten Ruf der Stadt beigetragen. Und jedes Jahr folgen diesen mehr. Die Tonträgerindustrie mag stöhnen, Musikevents machen das Minus insgesamt gesehen wett. Oder wie das Blogger und Industrieveteran Bob Lefsetz formuliert hat: „ Yes, the music business has become event marketing.”

Die 600.000 Menschen, die laut Einschätzung der Stadtverwaltung in Liverpool allein wegen der Beatles jedes Jahr in die englische Hafenstadt kommen, werden weltweit wohl nur noch in Graceland, Memphis, übertroffen. Im Vergleich dazu ist die Zahl jener, die nach Wien reisen um mit offenem Mund vor den Amann-Studios (Fennesz) oder in der Grundsteingasse (G-Stone) eine Gedenkminute abzuhalten wohl überschaubar. Österreich hat in Sachen Pop noch keine große Tradition vorzuweisen. Allerdings gibt es auch hierzulande Festivals und Clubs, die sich sowohl am Acker wie auch in der Stadt zu Institutionen mausern und Besuche von außerhalb anziehen.

Salzburg, Feldkirch, St. Pölten, Wien, Graz

Das Stuck Festival in Salzburg wurde etwa gegründet, weil das Frequency nach St. Pölten abwanderte und sonst in den Sommermonaten abseits der Festspiele totale Kulturflaute geherrscht hätte. Auch wegen der Grenznähe kommen zahlreiche Besucher aus Deutschland vorbei. Das Poolbar-Festival bringt einen Umsatz von 600.000 Euro nach Feldkirch und hat bis zu 120 Personen saisonal auf der Gehaltsliste. Jedes Jahr reisen viele Leute von weit her, buchen Zimmer, trinken, essen und schauen sich Konzerte an.

In der Schweiz und in Süddeutschland gibt es regelrechte Poolbar-Fan-Szenen, meint Organisator Herwig Bauer. Was allerdings fehlen würde, so Ink Music-Chef Hannes Tschürtz, sind Festivals mittlerer Größe, mit rund 10.000 Besuchern. Hier hätte etwa die Schweiz eine viel differenziertere Festivallandschaft. Und auch das stellt die britische Studie als eines der großen Ziele dar: die Förderung von Grassroots-Festivals und eines ausgewogenen Mixes von Locations. Systematische Untersuchungen zu diesem Thema gibt es in Österreich allerdings nicht. Vieles bleibt Gefühlssache.

Ein Festival wie das Sound:frame hat in der Zwischenzeit bewiesen, dass mit viel Einsatz eine international beachtete Veranstaltung machbar ist. Gerade in den Zwischenbereichen klassischer Kunstbereiche, in diesem Fall Visuals und elektronischer Musik, lassen sich globale Nischen besetzen. Für Elevate und Spring (insbesondere durch die Spring Sessions) gilt in Graz ähnliches. In einem an sich dichten Eventkalender scheint aber dennoch Platz für neue Initiativen. Das Waves Vienna (organisert von Monopol Medien, in dem auch The Gap erscheint) hat sich etwa als erstes Wiener Clubfestival mit Schwerpunkt auf Osteuropa im Herbst 2011 hohe Ziele gesteckt.

Dass auch mit ein paar Eigenheiten dieses Landes, nämlich Bergen und Schnee, ein Festival mit hervorragendem Lineup machen lässt, beweist etwa das Snowbombing zum Ausklang der Schisaison in Mayrhofen. Das Festival wird von Manchester aus organisiert und hat sich bis heuer fast nur an Briten gerichtet, die bisher unter sich eine bunte Party in den Tiroler Alpen gefeiert hatten. Als Idee auch nicht ganz neu, aber in dieser Konsequenz trotzdem einzigartig in Österreich. Es muss also nicht immer Ö3-Gletschergaudi sein.

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