Clubkultur Sommergespräche

Das letzte Jahr war nicht nur super für Clubs in Wien. Market und Roxy mussten schließen, andere sind mit Anrainerklagen beschäftigt. Zu diesen gehört das Morisson. Ko-Betreiber Javier Martinez hat sich auf Initiative von The Gap mit Herbie Molin zur Kochabo-Grillerei getroffen, also mit jemandem, der die Wiener Clubkultur schon lange kennt, mit Rhiz, Blue Box oder B72.

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„Du kannst beim Magistrat nicht hingehen und sagen: Dieses Lokal ist super.“ Der Satz von Javier Martinez vom Morisson fasst es ganz gut zusammen. Einerseits ist da eine blühende Clubkultur, die sich langsam über die Wiener Stadtgrenzen hinaus herumspricht. Andrerseits funktioniert Stadtpolitik nach eigenen Regeln. Trotz Nacht-U-Bahn, trotz aller positiven Berichte, trotz Unterstützung von Wirtschaftskammer und einigen Bezirksvorstehern. Lärm und Drogen werden immer ein Problem für Clubs sein. Man kann höchstens ein paar Sicherheitsschleusen und Vorsichtsmassnahmen einziehen, Garantie gegen langatmige Scherereien gibt es keine.

„Die Lautstärkeprobleme sind komischerweise erst mit der Zeit gekommen. Ein Alptraum. Ich wollte seither kein Lokal mehr in einem Wohnhaus“, sagt Herbie Molin vom Rhiz über seine Anfangszeit in der Blue Box. „Der Stizz hat das Werk im Sechzehnten so halbwegs dicht gemacht, aber bei einem gut funktionierenden Club machen die Leute eben vor der Tür so einen Wirbel, dass man trotzdem wieder ein Problem hat. Das ist eine wirklich alte Geschichte, im alten Chelsea war das genauso. Ich würde es nicht mehr riskieren, am Gürtel geht das.“

Herbie Molin hat das Rhiz vor 14 Jahren eröffnet, war einer der ersten bei der Gürtel-Wiederbelebung, war am B72 beteiligt und ist irgendwann aus der Blue Box ausgestiegen. Über das Lokal redet er in der Vergangenheit, es ist heute etwas anderes wie damals.

Herbie: Die Polizei kommt mit dem Amtsarzt in die Wohnung über dem Lokal und sagt wie weit die Lautstärke runter muss. Das war lächerlich, ich hab unten nur mehr gelacht, weil ich daheim lauter Musik höre … und ich bin kein wilder Hund. Ein Mensch kann allein eine ganze Szene ruinieren. Beim alten Chelsea war das auch nur ein Typ.

Javier: Man dämmt den Schall, zieht eine Decke ein, und versucht eh alles. Aber der Amtsarzt hat nur gesagt es ist zu laut, ohne Messung. Dabei wollte ich das im alten Morisson genau einmal machen, die Parties sind einfach passiert. Dann kam der Bescheid, die Anlage wurde entfernt und stand zwei Monate lang im Bezirksamt.

Herbie: Wahnsinn. So etwas hab ich noch nie gehört.

Javier: Ja, mein Anwalt auch nicht. Jetzt hab ich zumindest die Anlage wieder. Es kann bis zu sechs Monaten dauern bis ein Urteil gesprochen wird. Kann sein, dass du Recht bekommst, aber danach pleite bist. Weil du dafür die Anwaltskosten übernehmen musst. Die ausgelagerten Veranstaltungen im Project Space – Morisson im Exil – waren immer voll. Support von den Veranstaltern war da. Das geht aber auch nur Juli, August, September. Jetzt halten wir uns mit den Veranstaltungen so gut es geht über Wasser, der Hausbesitzer kommt uns auch entgegen.

Wie wäre es da mit einem Umsiedelungsprogramm für nervige Anrainer?

Javier: Beim Werk haben sie das sogar probiert.

Herbie: Immer, wenn ich Stizz sehe, sagt er: Ich habe zehn Euro einstecken, mehr hab ich nicht, mir kann keiner mehr was wegnehmen. Man glaubt es ihm sofort, wenn man ihn sieht. Ich kenne ein paar Leute, die dort gewohnt haben, die dann aber selbst wieder ausziehen, weil es ihnen zu laut ist. Wir haben damals im Hermannpark – den haben ja wir entdeckt – das Picknick mit Hermann gemacht, eine Art Vorläufer des Picknick am Wegesrand. Da hat es auch irrsinnige Beschwerden gegeben, was ich schon verstanden habe. Der Pomassl der hat es ihnen wirklich besorgt.

Javier: Das Chaya Fuera haben sie im Wohngebiet mit einem irrsinnigen Aufwand isoliert und nur irgendwo ein Eckerl ausgelassen oder vergessen. Die hatten von Anfang an Lärmbeschwerden. Und bauen immer noch.

Kennt man sich nicht mit der Zeit und hat eine Gesprächsbasis?

Herbie: Die hassen dich, wenn sie wegen dir auf Grund von Beschwerden dauernd kommen müssen. Auch die Polizei gibt dir zu verstehen, dass sie jeden Tag eine Razzia machen können, wenn man sich nicht zusammen reißt. Sie finden wahrscheinlich nichts, dafür kommt aber auch niemand mehr hin. Die wollen alle ihre Ruhe haben.

Hat sich das nicht über die Jahre geändert? Heute ist Clubkultur ein viel größeres Thema. Gibt es niemanden, mit dem man reden kann?

Herbie: Beim Fluc weiß ich, dass es Bezirkspolitiker gibt, die das durchaus schätzen. Am Gürtel gab es vor zwanzig Jahren Drogenprobleme, Obdachlose, Alkoholiker. Heute gehen die Puffs ein, weil es nicht mehr erlaubt ist, draußen zu stehen. Wenn man dort einen Club macht und das behübscht, gewinnt der Bezirk ein bisschen. Deswegen haben sie uns ein bisschen gern, aber kaum gibt es Probleme, hat man irgendwann keine wahnsinnige Unterstützung.


Angenommen ihr müsstet heuer noch ein Lokal aufmachen, wo wäre das?

Herbie: Ich hab mir das ja wirklich überlegt als ich beim B72 aus persönlichen Gründen ausgestiegen bin und sogar wirklich ein Geld dafür gekriegt habe. Ich hab mir überlegt die alte Fluc Mensa zu übernehmen. Aber die ÖBB wollte tatsächlich 100% Einblick in die Buchhaltung und Prozente dafür. So etwas hab ich noch nie gehört. Seither schau ich mich eigentlich nicht mehr um, in Wien gibt es gerade einen unheimlichen Verdrängungskampf, es ist fast schon ein bisschen viel.

Javier: Ich muss mich gerade zwangsweise umschauen, natürlich nach etwas, wo ich auch die Gastro machen kann; aber auch für anderes. Dafür gibt es in Wien aber keine Grenzen.

Herbie: An den Praterstern hat ja damals auch niemand geglaubt.

Aber da wusste man es kommt die zweite U-Bahn, der neue Bahnhof. Auch die Pratersauna wusste von Anfang an, da kommt bald die neue WU hin.

Javier: Ich mach eh ein paar Sachen nebenbei. Ein kleines Lokal, keinen Klub, am Elisabethplatz, genau dort wo der Ausgang vom neuen Hauptbahnhof sein wird. Und wegen der Betonküche schau ich mir auch immer Locations an. Ich würde aber zum Beispiel nie ein Kellerlokal machen, niemals.

Herbie: Hab mir gesagt, wenn muss es gewisse Größe haben. Das Rhiz ist fast schon ein bisschen zu klein, es darf keine Lautstärkenprobleme geben und es muss Schanigärten geben, sonst tut man sich im Sommer wirklich schwer.

Würdest du das beim Rhiz als Schanigarten bezeichnen?

Herbie: Ja, ich hätt mir schon gedacht, was ist denn das sonst?

Es fehlt halt das Grün für den Garten, plus die paar Autos.

Herbie: Ja, es ist nicht der klassische Heurige. Aber Tische und Sessel im Freien … Schanigarten.

Wie haltet ihr es eigentlich mit dem Alkohol? Man ist ja dauernd davon umgeben. Der Kurze für Zwischendurch ist ziemlich verbreitet.

Herbie: Seit ich ein kleines Kind habe, trinke ich zwei bis drei Heineken und das war’s. Früher hab ich beim Auflegen viel getrunken. Noch früher noch mehr, das ist eine der Gefahren oder Begleiterscheinungen. Trinken mit Stammgästen ist ein Klassiker im Gastgewerbe. Einer unsrer Kellner musste einen Entzug machen, heute trinkt er seit drei Jahren nichts mehr.

Javier: Ich mach das nicht. Ich trinke nicht während der Arbeit.

Herbie, du hast sogar eine Auszeichnung der Stadt Wien bekommen. Was muss man dafür tun?

Herbie: Das Ganze ist entstanden, weil ich am genau selben Tag im selben Jahr Geburtstag wie Falco habe. Der Wurmtobler hat im Falter geschrieben: die sollten doch mal … und dann ist ihnen irgendwann niemand eingefallen.

Also du hast nicht das Gefühl irgendwas dafür geleistet zu haben?

Herbie: Ich gab der Szene so viel …

Naja, einen Ort, den es so vorher nicht gegeben hat.

Herbie: Ja eh.

Bedingungen, die es so vorher nicht gegeben hat.

Herbie: Na ich bin eh stolz.

Man hinterlässt ja doch eine Handschrift. Wenn ich sage ihr seid jeweils mit Labels assoziiert, ist das zu viel gesagt?

Herbie: Bei mir auf jeden Fall. Es hat zwar das Rhiz-Label gegeben, der Sampler „Zehn Jahre Rhiz“ war echt super, und liegt heute zu Hunderten im Büro herum.

Javier: Es gibt bald einen Morisson-Sampler mit Live-Sachen und ein paar gekauften Sachen wie Elektro Guzzi und Gudrun von Laxenburg. Aber nach drei Jahren kann ich das sicher nicht behaupten.

Peter Rehberg von Mego war im Rhiz Stammgast, Musiker von Affine im Morisson.

Herbie: Der Mego-Sound hat mich begleitet. Die extreme Elektronik ist schon mit dem Rhiz verbunden worden, aber auch eine Zeit her. Ich bin dabei lang nur nach meinem Geschmack gegangen. Heute gibt es einen Haufen Wiener Labels aus dem Bereich Rock und Indie, wo mir nicht alles taugt, aber mir das prinzipiell taugt, dass sie das machen, was sie machen.

Javier: Im Morisson ist zwar viel Affine passiert, aber ich hab mir bewusst Leute ausgesucht, die viel selbst gemacht haben. Denen muss ich nichts dreinreden. Das ist halt so passiert.

Herbie: Genau so sehe ich das auch.

Es folgen noch Gespräche über Webcams, belebende Konkurrenz, Visual Artists oder die SKE- und AKM-Förderungen, die im Rhiz mit insgesamt 10.000 Euro für österreichische Bands bei 158 Live-Acts im Jahr gar nicht mal so hoch ist, wenn man auch noch Essen, Hotel und Tontechnik bezahlen muss. Herbie Molin ist dabei klar, so manches heute nicht mehr funktionieren würde. Bei der Einrichtung und Grafik der frühen Blue Box würden sich heute alle schief und bucklig lachen, sagt er selbst. Javier Martinez wollte nie, dass viel nach außen geht, Programm, Flyer, keine bescheuerten Facebook-Fotos, aber auch kein Fotoverbot. „Man entscheidet sich für irgendwas. Der Laden muss funktionieren, die Gastro, das Catering, es muss schnell gehen, logisch sein, die Getränke gut gekühlt, dann sind die Gäste zufrieden.“

Vielen Dank an Cornelia Stastny für die großartige Grill-Location, für die Vorbereitungen, für den Griller und die Gastfreundschaft.

Vielen Dank auch an Kochabo für alle Zutaten zur Grillerei. Wetterbedingt musste verschoben werden, alle Zutaten bis auf Tomtaten, Gurken und Salat waren auch noch eine Woche nach Lieferung in Top-Zustand.

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