assbiting toiletpaper #8

assbiting toiletpaper abroad, Teil 4 (Das Finale): Hunderte Libellen eskortierten uns in Nikko. Und Tokio sandte uns Musiker. Ein weinendes und ein lachendes Auge beim (vorläufigen) Abschied von Japan.

Das tolle Ding namens Japan

Es fiel mir wirklich nicht leicht, das muss ich ehrlich zugeben. Auch die weltbeste Reisepartnerin der Welt konnte sich nicht so leicht von Japan lösen. Dieser gigantische Koloss an Andersartigkeit und Großartigkeit; dieses "Ding", das nicht von dieser Welt ist, obwohl es sich als irdisch tarnt; dieses Japan, mit all seinen abgrundtief hässlichen und überragend schönen Seiten, hat uns wirklich gepackt und viele Eindrücke und Erlebnisse geschenkt. Natürlich auf japanische Art, sprich, maximale Informationsdichte auf minimalem Raum, gnadenlos vielfältig und definitiv "anders". Ja, ja, Wien ist anders, wissen wir bereits. Und jeder Fleck auf der Erde ist auch anders, schon klar. Aber so "anders", wie Japan es für mich war, hab ich bisher noch nichts erlebt oder gar nur davon gehört. [1] Umso schöner am Ende dieses Besuchs nochmal zwei Extreme der zentral-japanischen Lebensart erleben zu dürfen.

I <3 Nikko Inn

In der Tochigi Präfektur, bei einem Vorort von Nikko, bei der Zugstation Shimogoshiro begann das letzte Kapitel dieser Reise. Der Zug hielt irgendwo zwischen ein paar Häuschen und Reisfeldern. Keine Menschenseele weit und breit. Die Sonne liess ihre Hitze auf den Boden klatschen, Zikaden rieben unsichtbar aber ohrenbetäubend ihre Flügel aneinander. Direkt vor der Station nur eine eher unscheinbare Holzhütte. Während wir uns noch wunderten, wo hier das Nikko Inn sein könnte, tritt ein junger Japaner aus der Holzhütte und fragt: "Are you the guests from Austria?" Es stellte sich raus, dass diese Holzhütte das Büro des Nikko Inn war. Und es stellt sich weiters heraus, dass so ziemlich alles beim Nikko Inn von aussen eher unscheinbar, innen aber umwerfend war. Drei alte Häuschen haben die Betreiber aufgekauft und in traditionellem, schlichten shoin-zukuri Stil restauriert. Dazu noch ein paar moderne Bequemlichkeiten, wie Küchenzeile und moderne, japanische Dusche und W.C. – fertig ist das Traumhaus!

Tief einatmen

Von unserer Engawa konnten wir über die umliegenden Häuser, über die Zuggleise auf golden wogende Reisfelder blicken. Darüber schwirrten Myriaden von Libellen, dahinter ein Bach, umringt von Bäumen auf denen Reiher saßen. Um uns herum das Geigen der Zikaden und das Zwitschern der Vögel, eine warme Brise auf unseren Gesichtern. Später spazierten wir durch diese Reisfelder, die Libellen scheuten vor uns zurück, waren aber nie mehr als eine Armlänge entfernt. Wir sahen ein bisschen ins Dorf, schlenderten ein wenig den Suginamiki Kaido mit seinen 13.000 Zedern entlang, aßen Soba in einem japanischen Nudelrestaurant und sahen auf dessen herrlichen Garten raus. Wir wollten dieses wunderschöne Fleckchen Erde ganz tief einatmen.

Nihon forever

Und als wir die 15 Minuten mit dem Zug ins Stadtzentrum von Nikko zurückgelegt hatten, um uns den berühmten Tōshōgū von Nikko mit seinen drei Affen, die 15 Tempel des Rinnōji und die heilige Brücke des Futarasan Jinja anzusehen, mussten wir nochmal tief einatmen. Hier war es ganz anders, als nur wenige Minuten entfernt zwischen den Reisfeldern, aber es war ebenso wundervoll. Prachtvoll, prunkvoll, aber mit Eleganz und Charme. [2] Zurückgekehrt in unser kleines Häuschen, an unserem letzten Abend in Nikko, gab es keine Zweifel mehr: Japan hatte mir all meine Sinne geraubt, umgekrempelt und dann wieder zurückgegeben. Es gibt noch so viele Orte auf der Welt, die ich sehen will und deren Leben ich erkunden möchte, aber in jenem Augenblick schien es so, als ob es nichts Imposanteres und Inspirierenderes als Japan geben könnte. Am nächsten Tag winkten wir den Libellen zum Abschied, einige schwirrten noch eine Weile neben unserem Zug umher, und machten uns dann auf den Weg nach Tokio. Dort wo die Reise begonnen hatte, sollte sie für dieses Mal auch wieder enden.

Asakusa Nights

Asakusa heißt das Viertel in Tokio, in dem wir die letzten paar Tage unseres Japanbesuchs verbrachten. Eigentlich perfekt: das ehemalige Vergnügungsviertel Tokios, erst in den letzten Dekaden von Shinjuku, Shibuya und Roppongi überflügelt, das scheinbar übergangslos zwischen 1930 und Jetzt hin- und herpendelt. Traditionelle Restaurants neben modernen Eateries, Rammschbuden mit Touristenbilligware gegenüber Kimonoschneidern und Wabōchōschmieden mit Generationen an Erfahrung. Treffend auch, dass wir hier zum erfüllten Klischee gelangten und das beste Sushi essen konnten. Der Sensō Jinja, der populärste Shintoschrein Tokios, befindet sich hier. Zu beinahe jeder Minute der Öffnungszeiten drängen sich hier neugierige Touristen, zum Gebet vorbeieilende Geschäftsleute, Familien beim Wochenendbummel. Unweit unseres Ryokans kehrten wir zum Abendessen in einen kleinen Teppan Laden ein, wo die Wirtin mit jedem ihrer Gäste aufplauderte – sogar mit uns, obwohl wir nicht wirklich japanisch sprechen können – und uns zeigte, wie man sich sein Okonomiyaki selber zubereitet. Und einem Umzug durften wir beiwohnen, mit Taiko und Yokobue und Shamisen, Tänzern in Happi und mit Fächern. [3] Ein paar Abstecher nach Akihabara [4] und wieder nach Shibuya und Harajuku mussten auch noch sein. Aber dann war es vorbei. Das war sie also, die lang ersehnte, schliesslich erfüllte (erste) Reise nach Japan. An dieser Stelle sollte vielleicht so etwas wie ein Resümee stehen, ein zusammenfassender Absatz. Doch das fällt mir mindestens genau so schwer, wie der Anfang dieses kleinen Travelogues. Es gibt ein paar Punkte, die ich festhalten kann, aus der dann jeder seine eigene Schlussfolgerung ziehen kann:

1. Japan ist fantastisch vielseitig.

2. In Japan muss man auf Details achten.

3. Ein Monat Japan reicht bei weitem nicht aus.

Jetzt sind wir alle genau so schlau wie vorher, nicht wahr? Tja, für mich steht fest: ich will dort wieder hin. Mir mal den Norden mit seinen meterhohen Schneewehen, den Eisschnitzfesten, den Onsen wo Makaken mit Menschen gemeinsam baden. Und in den Süden, wo Palmen stehen, wo die Erinnerung an die Atombombe noch lebendig ist, wo auf Okinawa die Menschen älter werden als fast überall anders auf der Welt. Und noch all die anderen Sachen, von denen ich noch nichts weiss, die ich dann aber entdecken werde, auf meinen nächsten Reisen nach Japan.

Krosser Zander

Nuri “werwolf" Nurbachsch

[1] Indien und China zählen nicht. Das sind beides eigene Planeten, mit ihren eigenen Zivilisationen, die es sich auf der Erde heimisch gemacht haben. Das ist nochmal etwas anderes.

[2] Nein, nicht immer und nicht überall in Nikko. Manche Schreine und Tempel waren kitschig, die Hauptstrasse der Stadt unterschied sich wenig von anderen Strassen japanischer Kleinstädte, in unserem kleinen Dörfchen standen lieblose Plattenfertighäuser und manches sah aus, wie sonst überall auf der Welt auch. Dennoch, der bleibende Gesamteindruck war ganz besonders.

[3] Ich war total hypnotisiert von diesem Ereignis. Bis heute weiss ich nicht, was das für ein Umzug war, wie die Musik genannt wird, was für ein Tanz getanzt wurde. Für mich selbst hab ich das ganze als “streetpunk japanischer Festmusik" abgelegt.

[4] 10 enorme Blocks. Jedes Gebäude vom zweiten Untergeschoss bis zum achten Stock prall gefüllt mit elektronischen Gadgets, PCs, Konsolen, Software, Handys, mp3-Playern, GPS-Systemen, Kabel und Zubehör. Dazwischen hin und wieder ein paar Läden für Otakus. Und acht Stockwerke Mandarake. Akiba (so wird Akihabara kurz genannt) ist der Himmel auf Erden für Technikgeeks.

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