A Country For Old Men

1,8 Millionen Menschen waren am Sonntag in Kärnten und Niederösterreich wahlberechtigt und die Ergebnisse gehören, für österreichische Verhältnisse, durchaus zu den spannenderen der letzten Jahre.

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Es war ein absolutes Disaster für die einen (FPK Kärnten minus 28,04 Prozent/ nur 8,21 Prozent für die FPÖ NÖ), absolute Mehrheit für den anderen (Erwin Pröll NÖ/ÖVP, 50,8 Prozent) und absoluter Newcomer Erfolg für Frank Stronach (9,83 % in NÖ, 11,18% in Kärnten).

Bezeichnenderweise vereinen sich in Österreich die Protestwähler nicht unter einer Piratenflagge, sondern lassen sich von einem greisen Milliardär und seinen Politik-Söldnern mobilisieren. Und wenn dann mal ein 80-Jähriger Politik-Rookie of the year ist, lässt das auch Rückschlüsse auf den Stellenwert von Social Media in den (Landtags)Wahlkämpfen von Kärtnen und NÖ zu. Wozu auch das ganze kleinteilige Social Media, wenn man jenen Bevölkerungsanteil, der schließlich wirklich zur Wahl geht, eh über großflächige Plakatwände erreicht? (Siehe dazu die österreichische Bevölkerungsstrukur hier)

11.000 Fans umfasst die fan-stärkste Partei-Seite auf Facebook, die der niederösterreichischen ÖVP. Über 340 Fans freut sich die Piratenpartei der Niederösterreicher, überraschende Erkenntnis für eine Partei, die ihre Street Credibility unter anderem aus ihrer Affinität zum Internet zieht. 640 Fans haben die Grünen in Niederösterreich. Die FPÖ verweist da lieber gleich auf die Fanpage vom "leider nicht klonbaren" HC Strache.

No Country for an Alpen Obama

Zusammengefasst waren die Social Media Kampagnen der diversen Parteien höchst provinziell. Da könnte man nun natürlich sagen: passt doch, waren ja auch Landtagswahlen. In Anbetracht dessen, dass seit 2008 die gesamte Politik-Marketing-Branche jede ihrer Aktivitäten mit dem Präfix "Obama- " versieht und superlativiert, ist das jedoch bedenklich. Obama-Methoden, Obama-Tools, Obama Speaker, Obama-Whatever – sogar vor einer 1:1 Kopie des Obama-Claims von 2008 (eigenlich von Ceasar Chavez in den 1960er/70er Jahren) schreckt man beim Team Stronach nicht zurück: Siehe Bild links bzw Tweet von Team Stronach.

Aber "Obama- "scheint hierzulande nur die Wahlkämpfer glücklich zu machen; bei den Wahlberechtigten kommt er nie an. Denn man lebt den Obama-Trend offensichtlich nur selektiv. Claims oder neue Kanäle wie Facebook und Twitter oder Direktmarketing mit Datenauswertung und Personalisierung nimmt man gerne. Die kleinteilige Arbeit; das Erstellen von relevanten Inhalten und der Wille zur Interaktion, werden nicht mitübernommen. Das klassische Sendermodell der Massenmedien wird auf die neuen Kanäle verlängert; auf den Rückkanal verzichtet man aber doch lieber. Im Sinne der Aufmerksamkeitsökonomie könnte man vom "unendlichen Mangel an Aufmerksamkeit" der Politikerinnen und Politiker in Hinblick auf die Bürgerinnen und Bürger bzw. die Wahlberechtigten sprechen.

Symptomatisch dafür die Social Media Kanäle: Zielgruppe sind ausschließlich die deklarierten Parteigänger; inhaltlich geht es um die gefahrenvermeidende Bespaßung der selbigen.


Das Motto dieses digitalen Erlebnisaufsatzes scheint fast ausnahmslos "Mein kleines Wahltagebuch" gewesen zu sein, garniert mit Hand-Shake-Fotos von Autohauseröffnungen, Zeltfestfeeling und eins zu eins vom Print übernommenen Wahlplakaten. Schön ist anders, wie man zum Beispiel hier sieht.

Verzweifelt gesucht: Interaktion und Dialog. Der Besitz eines Social Media Kanals alleine macht noch nicht sozial. Auch wenn das Politometer den Parteien und ihren Protagonisten gute Interaktionsraten bescheinigt, muss man die Interaktion seitens der Parteien mit ihren Fans mit der Lupe suchen. "Likes" ohne groß zu hinterfragen, begeisterte Kommentare bei belanglosen Pressefotos des Spitzenkandidaten: Das Stimmvieh wurde digitalisiert und ist zum Like-Vieh verkommen.

Das wäre Ihr Gewinn gewesen.

1. Ernstzunehmender inhaltlicher Diskurs ist möglich, auch und vor allem im Web. Doch dies ist eine kleinteilige, wenn auch nachhaltige Arbeit. Nix für einen 3-Wochen-Wahlkampf. Daher müssen Parteien lernen, außerhalb des Wahlkampf Interesse an den BürgerInnen zu entwickeln. BürgerInnen, wohlgemerkt, nicht nur ParteigängerInnen.

2. Agenda Setting abseits der klassischen Medienkanäle ist eine der wichtigsten Funktionen des Social Web. PolitikerInnen beschweren sich immer wieder, dass sie mit bestimmten Themen nicht zu den Bürgerinnen und Bürger durchkommen, weil es den Medien nicht "knackig genug" ist. Keine Ausreden mehr, Social Media bietet den geeigneten Kanal.

Social Media Best Practice Beispiel dazu einmal mehr von Armin Wolf zu den niederösterreichischen Wohnbaudarlehen.

904 Shars, 3.400 Likes, Kosten für Media Spendings: 0.

3. Komplexe Prozesse oder Entscheidungen erklären oder sichbar machen. Social Media macht uns alle zu Herausgebern. Wir haben nun den Platz, Dinge zu erklären – und wir sollten uns tunlichst die Zeit dazu nehmen. Siehe dazu auch Punkt 2.

Meine Conclusio:

Wer nicht politisch vorgeprägt ist, hatte keinen besonders großen Nutzen von den Social Media Kanälen der wahlwerbenden Parteien; denn die Kanäle dienten ausschließliche dem Selbstzweck.

Ich stelle gleich mal eine Frage hinsichtlich Nationalratswahl: Für wen wird Politik gemacht in diesem Land? Ebenfalls zum Selbstzweck?

And now: Go and erwinize yourself.

PS: Es war nicht alles schlecht in den Social Media Kanälen. Der als "steif" bekannte Peter Kaiser (SPÖ Kärnten) hat im Social Web mit seinem sehr persönlichen Zugang immerhin 6.000 Fans begeistern können. Und auch die Kärntner Grünen haben einen durchaus anständigen Social Media Auftritt. Und nahezu alle Parteien haben mit guten Websites aufgewartet.

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