Sie lieben den Scheiß immer noch

Nur noch wenige Stunden bis zum international besetzten Generationentreffen des Hip Hop aka Hip Hop Open in der Wiener Arena. Auch Deutsch-Rap-Fans kommen dabei auf ihre Kosten – beim Gig der Veteranen von Blumentopf.

Aus rechtlichen Gründen werden Artikel aus unserem Archiv zum Teil ohne Bilder angezeigt.

22 Jahre. Die Jungs vom Topf machen inzwischen länger gemeinsam Musik als manche ihrer Fans am Leben sind. Und dabei sind sie immer noch fleißig am Schaffen. Im Auftrag der ARD hauen sie vor jedem WM-Match der deutschen Nationalhelden eine Raportage raus, Schu und Roger bauen und verschenken Beats, und beim Dokuprojekt „Wenn der Vorhang fällt“ sind sie ebenfalls am Start.

Außerdem jagt ein Auftritt den nächsten. Durchschnittlich drei Shows pro Monat, hauptsächlich Festivals, haben die Jungs am Plan. Ob sie in ihrem Alter denn überhaupt Bock auf Hip-Hop-Festivals haben, wollten die Kollegen von 16bars.de wissen. „Wir lieben den Scheiß immer noch, wie man so schön sagt“, antwortete ein verschmitzt grinsender Cajus. Graue Strähnen und Selbstironie passen eben gut zusammen.

Überhaupt nehmen sie das Rap-Game nicht allzu ernst. Wer hier übermäßigen Tiefgang und Nachdenklichkeit sucht, wird irgendwann selbst ergrauen. Es herrscht Hedonismus pur. Legitimiert wird das Ganze durch ein gerüttelt Maß an Kreativität und Schaffensfreude. Zumindest davon scheint im Topf genügend vorhanden zu sein.

Das kommt dann auch auf bei den Konzerten durch. Alte Texte werden variiert, zwischen den Tracks plaudern die Münchner MCs aus dem Nähkästchen, und dann gibt’s bei jeder Show den Fixpunkt Freestyle.

Bald ein Vierteljahrhundert Bühnenerfahrung

Die Jungs improvisieren Doppelreime, liefern sich kreuz und quer Kurzscharmützel und beziehen dabei dann immer irgendwie auch noch das Publikum mit ein. Nach bald einem Vierteljahrhundert Bühnenerfahrung verliert Improvisation wohl einfach seinen Schrecken. Klar, Freestyle sollte eigentlich bei jedem Rap-Gig Standard sein. Doch der Topf hebt sich dabei dank schierer Quantität ab. Am Frequency beispielsweise wurden ca. 40% der Lines spontan gedichtet.

Das könnte jetzt Fans vergraulen, die zu einem Blumentopf-Konzert gegangen sind, um Blumentopf-Tracks zu hören. Und auf die Erwartung haben sie ja auch ihr gutes Recht. Doch erstens ist in Sachen Show erlaubt, was gefällt – zumindest beim Auftritt in St. Pölten wurden einzelne Beschwerden vom generellen Gejohle locker übertönt. Zweitens bringen die fünf Münchner ihre livetauglichen Tracks immer noch gut unter. Die sind schnell, tanzbar und mit simplen Hooks bestückt, die man spätestens nach dem zweiten Mal fröhlich mitträllern kann. Und drittens sollen die Jungs ja auch ihren Spaß haben – was klar der Fall zu sein scheint.

In Interviews geben sich Schu, Cajus, Wunder und Roger eher ruhig, bieder, beinahe schon ihrem Alter entsprechend. Doch auf der Bühne kommt dann Euphorie zum Ausdruck. Man springt, man battlet, man albert rum. Es sind Vollprofis, die live trotzdem noch bübischen Charme versprühen. Mit Mic und Crowd in der Hand fühlen sie sich sichtlich wohl. Dann wirken die Veteranen immer noch wie ein Haufen Freunde, die einfach nur zusammen Musik machen wollen.

Die ist dann halt Geschmackssache. Die seichten Wortspielstakkatos und Abfeierhooks stoßen Rap-Heads der alten Schule schon mal sauer auf. Doch selbst Anhänger von todernstem Conscious- und Mafioso-Rap, die sich beim Hip Hop Open nur einen guten Platz für Headliner Nas reservieren wollen, werden bei der Partysafari des Topfs um ein bisschen Freude nicht rumkommen.

FM4 Hip Hop Open

11. Juli 2014, Arena Wien

mit Nas (performing „Illmatic“), Left Boy, Blumentopf, Hilltop Hoods, Weekend, Duzz Down San Cypher, Dajuan und Crack Ignaz

Facebook-Event

Newsletter abonnieren

Abonniere unseren Newsletter und erhalte alle zwei Wochen eine Zusammenfassung der neuesten Artikel, Ankündigungen, Gewinnspiele und vieles mehr ...