We Still Believe In The Guitar

Mit "Strange Little Birds" veröffentlichten Garbage am 10. Juni ihr sechstes Studioalbum. Zufällig am selben Tag spielt die Band rund um die charismatische Sängerin Shirley Manson nach vielen Jahren wieder einmal live in Österreich, und zwar im Rahmen des Nova Rock-Festivals 2016. Grund genug, um mit Gitarrist Steve Marker über das neue Album und die bereits über 20jährige Bandgeschichte zu reden.

Geht man nach den ersten Kritiken zu "Strange Little Birds", so kehren Garbage wieder zu ihren Wurzeln zurück, das neue Album samt erster Singleauskoppelung "Empty" weckt Erinnerungen an das 1995 erschienene Debütalbum sowie dessen Nachfolger "Version 2.0".

Ich bin leider noch nicht dazu gekommen, das neue Album in ganzer Länge zu hören, wie würdest du es beschreiben?

Steve Marker: Auf einigen unserer Alben haben wir darauf geachtet, dass in Sachen Timing und Stimmung auch wirklich alles perfekt ist. Diesmal haben wir nicht jeden kleinen Schnitzer im Studio korrigiert. Nicht dass wir auf Fehler stehen, aber wir haben versucht, es mehr so klingen zu lassen, wie eine Band, die live im Studio spielt. Viele Songs wurden auf diese Art geschrieben, wir haben uns in Butchs (Butch Vig, Schlagzeuger & Produzent, Anm.) Probekeller zusammengesetzt, gejammt und auch gleich dort aufgenommen. Außerdem steht diesmal Shirleys Stimme im Mix sehr präsent im Vordergrund.

Ist das Album also auch weniger elektronisch und mehr Rock orientiert?

Das finde ich nicht, da wir mittlerweile fast alles auf dem Laptop produzieren (lacht). Natürlich gehen wir auch ab und zu in ein echtes Tonstudio, aber beim Schreiben der Songs arbeiten wir viel mit dem Laptop im Probekeller. Wir verwenden dabei sehr viel technische Gimmicks und Software-Synthesizer, die man heutzutage auf seinem Laptop haben kann. Aber natürlich verwenden wir weiterhin Gitarren. In diesem Punkt sind wir altmodisch, wir glauben immer noch an die Kraft der Gitarre (lacht).

Gibt es einen speziellen Moment, der dir beim Produzieren des Albums am meisten in Erinnerung geblieben ist?

Ein Song, der hauptsächlich auf einer Komposition von Butch basiert, heißt "Even Though Our Love Is Doomed". Butch brachte ihn mit ins Studio, und ich kann mich noch genau daran erinnern, wie Shirley den Song in einem Take von Anfang bis Ende gesungen hat, und diese Aufnahme ist dann tatsächlich auf dem Album gelandet. Üblicherweise korrigieren wir diverse Kleinigkeiten oder nehmen einzelne Gesangspassagen neu auf, doch hier wusste Shirley genau, was sie transportieren wollte, und in fünf Minuten war der Gesang im Kasten.

Es klingt also mehr nach einer Liveaufnahme, wie du vorher gesagt hast?

Ja, es mag technisch nicht ganz perfekt sein, aber dafür emotional. Wir spielen den Song auch gerne live, aber nicht heute, da er sehr langsam und düster ist, nicht wirklich ein Festival-Song also.

Also wählt ihr die Songs nach dem Auftrittsort aus?

Absolut, bei einer Festivalshow wie heute müssen wir fast "Only Happy When It Rains" und "Stupid Girl" spielen, Songs, die das Publikum kennt. Ich denke, wenn wir nur die gesamte neue Platte live spielen würden, würden wir mit fliegenden Bierflaschen von der Bühne getrieben werden (lacht).

Apropos ältere Songs, hast du einen Lieblingssong oder ein Lieblingsalbum von Garbage?

Das erste Album wird immer einen ganz speziellen Platz in unseren Herzen haben, weil wir uns damit als Band definiert haben. Leute fragen mich immer wieder, ob es mich nicht anödet, einen Song wie "Only Happy When It Rains" zum 1000. Mal zu spielen. Ganz und gar nicht, als wir den Song, ebenso wie unsere erste Single "Vow", veröffentlicht haben und realisierten, dass die Leute sie mögen, waren wir davon überwältigt. Das war ein großer Erfolg für uns, daher wird es uns nie nerven, diese Songs zu spielen (lacht).

Bist du auf ein spezielles Ereignis in eurer bereits über 20jährigen Bandgeschichte besonders stolz?

Wir waren nie der größte Act in einem bestimmten Land, USA inklusive. Aber wir haben überall auf der Welt Fans, und dadurch sind wir an einige großartige Orte gereist, etwa nach Südafrika oder Singapur. Selbst in so weit entfernten Orten kommen Leute zu unseren Konzerten, das ist fantastisch. Darauf bin ich wirklich stolz, denn viele Bands verlassen nicht mal ihr Heimatland. Wir haben immer versucht, weltweit Erfolg zu haben.

In einem Interview habe ich gelesen, dass Shirley euer neues Album als das romantischte Garbage-Album bezeichnet hat, gleichzeitig aber auch als sehr düster und trist.

Ich glaube nicht, dass romantisch unbedingt was mit glücklich sein zu tun hat (lacht). Ich denke, Shirley bezieht sich mehr auf eine Art "Gothic Romance". Ich glaube nicht, dass jeder ein glückliches Leben in Liebe und Romantik führt, Liebesbeziehungen können herausfordernd und dramatisch sein. Shirley hat auf dem Album fast alle Texte geschrieben, viel mehr als früher, und ich denke, sie wollte diesmal über Dinge wie Liebe schreiben.

Wie läuft generell das Songwriting in der Band?

Es ist immer unterschiedlich. Den Song “Sometimes“ auf dem neuen Album habe zum Beispiel ich geschrieben, Shirley hat ihn gesungen, und die anderen haben noch ein paar Sounds addiert und waren auch beim Mix involviert. Wir tragen alle das eine oder andere Detail bei den Songs der anderen bei, um es zu einem Band-Werk zu machen. Es gibt also keinen Song, den einer ganz alleine produziert. Manchmal schreiben wir alle zusammen in einem Raum, und manchmal arbeitet jeder für sich alleine zu Hause und bringt dann das Ergebnis mit ins Studio.

Und bei “Strange Little Birds“ habt ihr mehr zusammen geschrieben?

Im Prinzip ja, wobei es manchmal schwierig ist, da wir momentan nicht alle in derselben Stadt leben. Ich muss also anreisen, um mit der Band zu arbeiten, bei Duke (Duke Erikson, Gitarrist, Anm.) ist es auch so. In der Mitte unserer Karriere, beim Album “Bleed Like Me“ tendierten wir dazu, dass immer einer alleine den ganzen Text oder die Musik schreiben sollte, separat von den anderen, doch wir haben realisiert, dass das nicht gut funktioniert. Es macht außerdem viel mehr Spaß an etwas zu arbeiten, zu dem man auch selbst etwas beigesteuert hat.

Wie fühlt ihr euch nun heute am Erscheinungstag des neuen Albums?

Wir versuchen, den heutigen Tag besonders zu genießen, da diese Momente immer so schnell vorbei gehen (lacht). Wenn es gut geht, werden wir vielleicht sechs Monate in den Charts sein, da sich heutzutage mit den neuen Medien alles so schnell verändert. Sogar bei großen Acts oder auch wenn ein wichtiger Film herauskommt, dann ist es für eine Woche das große neue Ding, und dann war´s das auch schon wieder. Daher genießen wir es heute, denn es macht Spaß, die iTunes-Charts zu beobachten oder die Meldungen unserer Twitter-Fans zu lesen, die das Album sehr zu mögen scheinen.

Ich werde mir morgen gleich das Album auf CD besorgen, da bin ich noch etwas altmodisch.

In diesem Sinne sind wir auch altmodisch, denn wir mögen die Idee eines kompletten Albums mit 12 Songs lieber als nur Singles zu veröffentlichen.

“Strange Little Birds” erschien am 10. Juni auf dem bandeigenen Label Stunvolume.

Bild(er) © Stephan Brückler
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