"WAVs machen mich glücklich."

Faunas »D(r)one« ist ein bemerkenswertes Debüt. Im Interview erzählt sie von Wiener Zipfeltreffen, vom Horrortod, vom Selbermachen und dem Teufel.

Aus rechtlichen Gründen werden Artikel aus unserem Archiv zum Teil ohne Bilder angezeigt.

Fauna, aka Rana Farahani, wurde in Teheran geboren und kam mit ihren Eltern dreijährig nach Wien. Wien Favoriten um genau zu sein. Später ging es in den zweiten Bezirk, das Teppichgeschäft des Vaters stand im Sechsten. 27 Jahre wohnt Rana nun schon durchgehend in Wien, war früher Hip Hopperin – die selbstaufgenommenen Tapes gingen bei Umzügen verloren – und einmal sogar Statistin in einem Video von Sabrina Setlur. Mit 17 oder 18 stieg sie auf Ravemädchen um, wie sie selbst sagt, trat später dem Künstlerinnenkollektiv Female Pressure bei. Auflegen hat sie sich selbst beigebracht. Produzieren auch. Labelmachen auch.

Gab es einen Moment, in dem du dir dachtest, jetzt möchte ich auch Musik machen?

Ja. Aber das war erst vor einem Jahr, bei der Club Transmediale in Berlin. Während der Konzerte habe ich gemerkt, ich bin gereift, das möchte ich machen. Auch wenn es bis dahin ein steiler Weg war.

Du warst davor schon DJ. Anfangs wirkt das von außen doch auch wie ein hermetischer Männerzirkel?

Ist es auch. Aber das beeindruckt mich nicht. Es ist für niemanden einfach, egal ob Frau oder nicht. Man wird anfangs nicht ernst genommen. Als ich angefangen habe, hatte mein damaliger Freund Turntables zuhause und …

Wer war das?

Muss ich das sagen?

Ich glaube wir wissen es …

Aber ich glaub es nicht wichtig. Ich hab das Auflegen im Club gelernt, so arg das klingt. Probleme hatte ich dabei nicht, das liegt vielleicht auch an meinem Auftreten. Auch wenn das gedauert hat, bis ich so gefestigt war. Man hört natürlich: »Jaja, Frauen, die auflegen« – von Leuten, die selbst Visuals machen oder DJs sind. Plattenläden sind sowieso eine Mafia, wenn du mich fragst. Namhafte DJs haben Fächer mit Neuerscheinungen. Alle anderen müssen selbst suchen. Das hat mich allerdings nie von etwas abgehalten.

Aber ist dir irgendwann einmal aufgefallen, dass es in der elektronischen Musik wenige Frauen gibt?

Ja klar, es kommen welche und es gehen welche, aber es bleibt überschaubar. Wenn man sich die DJ-Line-ups der Stadt anschaut, sind das doch oft Zipfeltreffen. Und wenn Frauen auflegen, ist das leider häufig Benefiz. Irgendwann konnte ich auch mit Female Pressure nichts mehr anfangen. Mit der ganzen Technoszene hab ich mittlerweile gebrochen. Mehr machen, weniger Diskussionsgruppen gründen.

Soundframe ist eine Plattform, auf der viele Frauen aktiv sind, die aber um diesen Umstand nie großes Aufsehen gemacht haben. Sie machen ein Festival mit einer Selbstverständlichkeit, wie es auch für euer Label Moun10 selbstverständlich ist.

Ja. Vielen anderen fehlt aber die Aggressivität.

Redest du mit Moun10-Kollegin Marlene Engel über diese Themen?

(Leicht genervt) Ja. Sehr viel. Wir machen uns bald Penis-Shirts. Man wird leider oft nicht ernst genommen. Wir haben viele, teilweise schlechte Erfahrungen im letzten Jahr gemacht und mussten auch feststellen, dass vier Leute nicht gleichzeitig wichtige Entscheidungen treffen können. Vinyl war ein Fehler – der Fetischismus drum herum nervt mich ja sowieso. Ich bin eher ein MP3- und WAV-Kind. Wenn ich das sage, schauen andere DJs allerdings oft weg.


Habt ihr euch das Labelmachen selbst beigebracht?

Wir waren einmal beim Mica, haben sonst die Devise: einfach machen. Wir bereden uns über Skype und sind uns immer einig. Kompakt als möglichen Vertrieb haben wir zu früh angesprochen, als wir noch zu wenig herzuzeigen hatten. Aber das kommt wieder.

Wie lange hast du eigentlich für dein Debüt gebraucht?

Den ganzen Sommer. Ich glaub, ich mach nie wieder ein Album im Sommer, das ist sehr schlimm, ich hab seither einen leichten Knacks. Ich war so schlau und habe mir schwarze Vorhänge gekauft, mich von Facebook zurückgezogen und mir bei 40 Grad eine Umgebung geschaffen, die sehr winterlich war. Auch wenn es blöd klingt, ich kann am besten kreativ sein, wenn es mir schlecht geht. Das Album ist zur Mitte hin zwar euphorisch, aber dann kommt der tiefe Fall.

Hat es dir geholfen?

Nein, aber ich hatte etwas zu tun, konnte etwas machen – das war wichtig. Es wird jetzt sehr schwierig das live zu spielen, weil es doch sehr privat und vollständig von mir gemacht ist; auch die wirklich uncoolen Teile wie der Mixdown. Was ich aber eigentlich nicht betonen möchte. Mich hat es lange behindert, dass Tracks zu 100 Prozent perfekt klingen sollen. Ich habe mich jahrelang damit gefoltert, etwas Clubtaugliches zu machen. Es darf natürlich nicht unprofessionell klingen, aber es muss vor allem Seele haben. Ich will mich mit Musik wegbeamen.

Musik soll dich woanders hinbringen?

Ja, wo man nicht mehr da ist. Wie nennt man das? Astralreise. Das ist unglaublich, wenn Musik das schafft. Ich zünde keine Hölzer an, aber ich habe auch nichts gegen Esoterik. Ich frage Leute oft nach dem Sternzeichen – damit ich weiß, mit wem ich es zu tun habe (lacht), nach ihren Aszendenten. Aber Häuser … das geht mir zu weit. Ich fertige allerdings meine eigenen Schriften dazu an.

Beschäftigst du dich noch mit anderen Übersinnlichkeiten?

Nein. Ich beschäftige mich ziemlich viel mit dem Tod. Das brauche ich einfach. Eigentlich sollte das jeder machen, das erleichtert einem ziemlich viel. Man hört das auch auf dem Album, finde ich.

Aber eher ein Horrorfilmtod als der Tod aus Michael Hanekes Film »Amour«?

Ja, dieses aufgeschlitzt werden, das hilft mir eigentlich viel mehr. Für das andere bin ich noch nicht so weit.

Wie gut kennst du eigentlich die Tastaturbelegung auf deinem Apple?

Die kenn ich sehr gut. Derzeit mag ich Dollarzeichen.

Und wie lang machst du schon keine Dreiecke mehr?

Schon lange. Seit ich gesehen habe, dass die Technowelt Dreiecke entdeckt hat. Das Jahr 2012 ist ziemlich (zögert) dunkel. Ich glaube nicht an den Weltuntergang, aber ich glaube, dass sich vieles ändern wird, dass bald ein neues Bewusstsein beginnt.

Kannst du das konkreter sagen?

Nein, gar nicht. (lacht)

Auf deinem Twitter-Account hast du kürzlich etwas über den Teufel geschrieben?

Ja, findet ihr nicht, dass der Vater von Michael Jackson aussieht wie das Böse?

Sicher. Aber Papst Benedetto schreibt doch über die Nächstenliebe?

Es wird ja auch gesagt, dass der Vatikan in Teufels Hand ist.

Ja, wie in Dostojewskis „Großinquisitor“, da soll Jesus auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden, weil niemand den echten Messias sehen will. Meinst du damit jetzt allerdings eher die Church Of Satan, die sich gegen Übersinnliches richtet, oder eher was man gemeinhin darunter versteht, nämlich Teufelsanbeter?

Ja, genau die.

Was haben die davon? Sofortige Befriedigung wie im Faust, der einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hat? Oder sind sie einfach böse?

Hm, was versteht ihr genau unter dem Bösen?

Die Definition von Hannah Arendt ist doch überzeugend, die in der Banalität den Kern des Bösen sieht, dem Buchführen der Nazis über Massenmorde, ihrem bürokratischen Apparat, der dazu da war, Mitgefühl in kleine Arbeitsschritte aufzulösen.

Ihr solltet dazu einen großen Schwerpunkt machen. Ich denke jedenfalls, dass die Musikindustrie sich Sozialfälle greift und aus ihnen Stars macht, also Leute, die ein Defizit haben, aus zerrütteten Familien. Lana Del Rey, Lindsay Lohan, Amy Winehouse, Madonna, Eminem – ich vermute da ein großes System dahinter.

Zur Coverstory geht es hier.

Newsletter abonnieren

Abonniere unseren Newsletter und erhalte alle zwei Wochen eine Zusammenfassung der neuesten Artikel, Ankündigungen, Gewinnspiele und vieles mehr ...