Übervolle Singvögel

Zum zehnten Jubiläum war das Blue Bird ausverkauft. Kein Wunder, es gibt heuer das sicher beste Booking in der Geschichte des Festivals. Insofern mussten wir da mit der Kamera hin, Armin Rudelstorfer nämlich.

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Worum es den guten Menschen beim Blue Bird Festival geht, haben sie ja schon in einem Interview hier ausführlich erklärt. Und dass ihre Arbeit und Begeisterung für die hohe Kunst des Songwritings über all die Jahre Früchte trägt, kann man spätestens am dichten und vollständig ausverkauften Programm zum 10-jähigen Jubiläum erkennen.

Eng war es wieder, aber das Drei-Tages-Schwitzen im ersten Wiener Bezirk hat ja mittlerweile schon fast Tradition. 13 Bands oder Solokünstlerinnen waren es; Großbritannen, Holland, Amerika, mit David LaMaitre, der aber mittlerweile in Berlin lebt, war auch ein Beitrag aus Bolivien dabei, und zwei Formationen aus Österreich. Die ursprünglich gebuchten Firewater und Joan As Police Woman mussten ihre gesamten Tour canceln, als Ersatz buchte das Blue Bird Team hochwertigen Ersatz in Form von Elle King und John Bramwell, seines Zeichens Kopf von I Am Kloot.

Armin Rudelstorfer war mit der Kamera dort. Die Fotostrecke und der Artikel werden laufend um neue Tage erweitert. Direkte Links zu den Fotos von Tag Zwei und Drei gibt es hier.

Fotos von Tag Zwei hier.

Fotos von Tag Drei hier.

Zum Start

Mit Patrick Wolf, How To Dress Well, Gravenhurst und I Am Oak spielten gleich vier Bands, die jeweils das Zeug dazu hätten, das Wiener Porgy & Bess allein zu füllen.

Dynamik! I Am Oak eröffneten 2014 mit reduzierten, metrischen Nummern die einem noisigen Ausklang ihres Sets hingegensteuerten. Gravenhurst wirkten irgendwie auch als ob sie den Proberaum gespritzt hätten, nicht wirklich zusammengespielt und der eine oder andere Verspieler von Seiten Nick Talbots erntete einen vernichtenden Blick der Dame an Micro-Korg und Bass. Schade, auf Album sind sie großartig.

How To Dress Well boten melancholisch-epische Songwriterkunst mit einem unglaublichen Facettenreichtum an Sounds. Die tiefen Frequenzen wirkten Anfangs etwas übersteuert, fügten sich aber letztlich sehr harmonisch in die Gesamtstruktur der Band um Tom Krell, die eine Bühnenpräsenz ausstrahlen die ihres Gleichen sucht. Patrick Wolf, der Headliner des Donnerstags plauderte dann lieber mit dem Publikum als zu spielen. Dies tat dem überaus positiven Gesamteindruck seines Sets aber keine Abbruch, ganz im Gegenteil, der Multiinstrumentalist gab seinen Songs durch Hintergrundinfo Tiefgang und Schwere, manche Nummern mussten auch 5 mal begonnen werden da noch nicht alles gesagt war. Als Patrick Wolf lange nach Mitternacht die Bühne verlies, verließen glückliche Menschen den ersten Tag des Blue Bird. Man rätselte hinterher nur über seinen, äh, Style. Skin ist der neue Vollbart? War das Ding auf seiner Stirn eine Wolfsangel? Was soll das?

Zimtstangen und Matrosen

Folk Music mit experimentellen Einschlag eröffnete Tag Zwei des Festivals. Roh und emotional präsentierten Christy & Emily ihr Material; Christy, autodidakte Indierockerin und Emily, ihres Zeichens klassische Pianistin, vermischen Avantgarde mit klassischem Singer-Songwritertum; eh sehr nett. Dann Fräulein Hona, vier Mädls, viele Instrumente, regelmässiger Tausch selbiger. „Geschichten von melancholischen Zimtstangen, blauen Matrosen und verlassenen Plätzen“ erzählen sie in einer gesunden Mischung aus Akustikfolk und Singer-Songwriterpop, ohne jemals ins Fade abzudriften. David LeMaitre, Wahlberliner mit bolivianischen Wurzeln, klingt nach einer Mischung aus Sufjan Stevens und Nick Drake. Emotionaler Folk, einfach und schlicht. Dry The Driver, „die klingen irgendwie nach Mumford & Sons.“ Ja, das kann man mögen, muss man nicht. Gebeutelt, emotional und alles, viel Druck, gute Bühnenperformance, schön arrangiert.

I like miserable people, cause they are fun

Der Samstag begann mit Soak. Die erst 17-jährige Bridie Monds-Watson macht erst mal eines: großartige Musik. So würd ein Beach House-Akustik-Gig vorm Lagerfeuer klingen. Danach der zweite Beitrag aus Wien, Schmieds Puls. Was soll man zur Band um Mira Lu Kovacs noch sagen? Außer vielleicht: großartige Stimme, großartige Band? Feinfühliges am Schlagzeug, Double-Bass, Gitarre und Gesang, hervorragendes Songwriting; feine Geschichten zwischen den Songs, ein vertontes Bukowski-Gedicht. Mehr brauchts eigentlich nicht um das Porgy komplett zum Auszucken zu bringen. Vollkommen gerechtfertiger, langanhaltender Applaus.

Danach leider wieder mal was aus der Kategorie „Wers mag“. Elle King, lustiges Südstaatenmädl mit Gitarre, lebt mitterweile aber in New York, singt über die Dinge die das Leben so bringt. Doofe Mädls, doofe Jungs, Liebe und Verlassenwerden. Und erzählt auch gerne ausführlich darüber. Hinterher haben die US-Amerikaner von Phox eben erst ihr Debutalbum veröffentlicht, übrigens produziert von Justin Vernon. Netter Indie-Pop, Wisconsins „musical success story of 2013“. Pfeifen können sie, Singer-Songwriten, hmm.

Der Sänger von I Am Kloot, John Bramwell, ist alt geworden. Mit bald 50 darf man das wohl. Einiges Solo-Material hat er unter dem großartigen Namen „Johnny Dangerously“ veröffentlicht, nun firmiert er unter seinem Taufnamen und klingt wie I Am Kloot ohne Band. Für die späte Stunde nicht ganz unspannend, es passte auch zum schon etwas erschöpften, wohl auch überwältigten Publikum. Trotzdem wünschte man sich nicht nur einmal, Joan As A Police Woman hätten ihre Tour nicht absagen müssen.

Bei einem insgesamt fabelhaften Blue Bird Festival lässt sich das aber leicht verkraften.

Das Blue Bird 2014 fand vom 20. bis zum 22. November 2014 im Porgy & Bess statt. Geknipse von Armin Rudelsdorfer, Geschreibsel von Thomas Nussbaumer.

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