This Interview Is Tocotronic

Tocotronic wollen mit uns reden, dann doch nicht, dann doch. Wir haben Dirk von Lowtzow nach dem Konzert der Band im Wiener MQ in einer Bar ausgequetscht und ihn über Wien, Hinterlist, Marcel Proust und natürlich Kunst erzählen lassen.

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Ihr habt ja anscheinend einen starken Bezug zu Wien. Burgtheater, »FM4 Radio Session«, vier Zugaben letztens im Gasometer und jetzt eben das einzige Österreichkonzert anlässlich Cosima von Bonins Ausstellung im Mumok. Was findet ihr an Wien so spannend?

Das ist ’ne gute Frage. Zum einen haben wir einfach bereits sehr früh in Wien gespielt, als wir angefangen haben, vor über 20 Jahren. Bevor’s Tocotronic überhaupt gab, hab’ ich auch mal ein halbes Jahr hier gewohnt. Als Band sind wir dann als Support von Blumfeld hierher zurückgekommen. Irgendwie scheint es den Leuten gut gefallen zu haben. Für uns ist es also einfach immer eine sympathische Stadt gewesen. Wenn wir hier spielen, sind wir auch immer im selben Hotel. Wir kennen die Leute dort, und ja – einfach gut halt.

Ich war gestern bei der Eröffnung der Ausstellung »Hippies Use Side Door« im Mumok. Auffallend ist, dass diese Plüschigkeit der Stofftiere ja eigentlich nur eine oberflächliche ist. Der Ersteindruck quasi. Sobald man die Tiere genauer betrachtet, merkt man, dass manche traurig sind und teilweise ermattet daliegen. Wo siehst du da die Parallelen zur Tocotronic?

Uns geht’s zum einen ja auch viel um Dysfunktionalität, also ums Nicht-Funktionieren an sich. Und, ja, Traurigkeit und das Recht, so zu empfinden, spielt für uns natürlich auch eine Rolle. Zum anderen stehen wir eben auch einfach total auf Stofftiere.

Plüschophil halt.

Ja, genau. Wir haben sogar auf den ersten Touren immer die Stofftiere auf den Tankstellen gekauft. Und, ja, prinzipiell haben wir dann halt unser eigenes Zeug gemacht. Irgendwann haben wir dann Cosima kennengelernt und seitdem begleitet sie uns. Das ist wirklich wie bei ’nem alten Hund der mitreist. (lacht; Anm. d. Red.: Cosima von Bonin ist meist in Begleitung ihrer beiden Hunde, auch an diesem Abend) Sie ist oft mit auf Tour und war sogar mal Managerin von uns. Dann haben wir sie wieder rausgeschmissen. (lacht) Wir sind einfach auch gegenseitig große Fans.

Bei der gestrigen Eröffnung fiel auch öfters das Wort Hinterlistigkeit. Cosima hat ja am Mumok diesen Pinocchio – beziehungsweise »Der Italiener«, wie die Figur eigentlich heißt – installieren lassen. Der wendet sich ja quasi ab von ihren anderen Kunstwerken, die sich hinter ihm befinden. Wie ist das bei euch? Wendet sich eure Musik manchmal von euch ab oder kehrt ihr manchmal eurer Kunst den Rücken zu?

Ja, natürlich! Wir arbeiten immer gegen uns selbst. Das ist ja das Wichtigste überhaupt. Sobald man eine Sache fertiggestellt hat, findet man sie im Nachhinein manchmal so scheußlich, dass man denkt: Das nächste Mal macht man’s besser.

So wie ich bei diesem Interview, also.

(lacht) Ja. So ungefähr. Also für mich ist das … (Cosima kommt und umarmt Dirk von hinten) … Ich mach schon wieder Interviews, Cosima … (Dirk wendet sich wieder mir zu) Ja, jedenfalls, das ist das Allerwichtigste: Das es jemanden gibt, der sich dagegen wendet, also gegen das eigene Machen. Da versteh ich Cosimas Intention. Man darf eben nie selbstzufrieden sein. Teilweise finde ich manche Sachen dann sogar peinlich. (schmunzelt) Für mich ist das die Hauptarbeitsquelle.

Nach der verlorenen Zeit? (Anm.: »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit« ist ein Buch von Marcel Proust und »Nach der verlorenen Zeit« ist der Titel des zweiten Tocotronic-Albums, dessen Stücke der Band heute ein bisserl peinlich sind.)

Ja. Erinnerung ist ja auch was wahnsinnig Interessantes. Das ist ja auch Proust. Erinnerung ist ja auch Erlösung. Ich kann mich daran erinnern. Aber ich muss es neu machen, besser machen.

Um noch mal auf die Kunst zu kommen. Auf drei von euren zehn Studioalben sind Kunstwerke abgebildet.

Stimmt. (lacht)

Auf »K.O.O.K.« eines von Glenn Brown …

Das stimmt nicht ganz.

Okay?!

Das ist ’ne interessante Geschichte. Wir wollten eigentlich »Ornamental Dispair« von Glenn Brown. Dann haben wir angefragt. Das Original kommt aber eigentlich von Chris Foss, also mussten wir die Rechte des Originals von Chris Foss kaufen. Glenn Brown, toller Künstler, hat das eigentlich nur abgemalt. Das Cover-Artwork ist also von Chris Foss.

Ah, okay. Aber auch auf den Covers von »Kapitulation« und »Schall und Wahn« sind Kunstwerke abgebildet.

Ja.

Wird auf dem neuen Album wieder Kunst zu sehen sein?

Ja.

Echt jetzt? Von wem?

Das darf ich noch nicht sagen.

Wisst ihr schon, wann es dann soweit sein wird, also mit dem neuen Album?

Voraussichtlich im Frühjahr. Wir arbeiten derzeit noch daran.

Tocotronic spielten am 4. Oktober 2014 zum Auftakt der Cosima-von-Bonin-Retrospektive »Hippies Use Side Door« im Museumsquartier Wien ihr einziges Österreichkonzert des Jahres. Fotos davon findet ihr hier.

Bild(er) © Christoph Kranebitter Patrick Münnich
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