Songwriting-Traktor

Das Bluebird Festival kümmert sich im inzwischen fünften Jahr um Songwriting-Kleinode. Gerald C. Stocker hat den Leiter des Blue Bird Festivals und ORF TV Musikredakteur Klaus Totzler interviewt.

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Klaus Totzler ist nach all den Jahren, in denen er nun in der österreichischen Musikszene als Journalist und Festivalveranstalter umtriebig ist, neugierig geblieben, und das ist ein aufrichtiges Lob, das man ihm machen muss. Er sieht sich selbst nicht als großer Entdecker – obwohl im auch auf dem Sektor einiges ganz ungezwungen gelungen ist – sondern mehr als Förderer und vor allem als Partner all jener Musikerinnen und Musiker, die aufgrund ihres kreativen Potentials sein Herz erobern konnten.

Für das seit 2005 über die Bühne gehende und im Laufe der Jahre zu immer größerer Außenwirkung aufgestiegene Blue Bird Festival, hat er sich selbst als Traktor (O-Ton Totzler) vorgespannt. Zu seinen unermüdlichen Aufgaben dieser – wie Totzler nicht ganz ohne Stolz betont – Non-Profit Organisation zählt nicht nur die Tätigkeit als Kurator (seit 2007 allein verantwortlich), sondern auch die gesamte Promotion, die gerade auf diesem kleinen feinen Indie-Sektor von enormer Bedeutung ist. Heuer geht das Blue Bird Festival, das sich seit Jahren auf dem Sektor der zerbrechlichen Kunstform Singer/ Songwriter (von Neo Country bis Lo-Fi Pop) – ein für Totzler viel zu enger Begriff all dessen, was über die Jahre aufgetreten ist – bereits in die 7. Saison.

Das jahrelange Networking hat Totzler geerdet, ihn glaubwürdig und überzeugend gemacht, deshalb konnte Totzler auch an Plattenfirmen und Acts herankommen, die üblicherweise sonst mit so einem kleinen, feinen Rahmen nicht in Verbindung zu bringen sind.

Bookingpolitik

Die Kunst des gut überlegten Bookings besteht, laut Totzler, auch darin, immer wieder eine befruchtende Kombination von bekannten und noch zu entdeckenden Bands zu finden. Worauf Totzler aber immer großen Wert legt, ist eine gegenseitige menschliche und künstlerische Achtung. Ihm geht es bei seiner ganz persönlichen Auswahl um die Substanz der Songs und der Texte, um außergewöhnliche Stimmen und natürlich um die authentische Musik – eben um all das, was ihn zu berühren vermag. Jene Energie, die er mittels seines Glaubens in einen Musiker setzt, komme tausendfach zurück, so Totzler, der sich als gleichwertige Mischung aus Idealismus und Professionalismus versteht. Er war. ist und wird nie Trittbrettfahrer eines zeitgeistigen Musikgeschmacks sein. Es war halt auch etwas Glück dabei, dass man 2005 – in einer Zeit einer gewissen Umbruchsphase in der österreichischen Musikszene – mit dem Blue Bird Festival ein nachhaltiges Zeichen setzten konnte.

Wichtig bei der Festivalplanung ist Totzler auch der Kontakt zu seinen jungen Kollegen, deren Input er sehr schätzt. Das sei von großer Bedeutung, um nicht stehen zu bleiben. Fixe Größen des Genres bleiben ohnehin bestehen, Neuentdeckungen sollen aber ständig dazukommen. Seine Philosophie besteht im Machen, denn allzu leicht fällt man sonst dem Risiko anheim, gemacht zu werden, erklärt er weiter. Und wer Klaus Totzler kennt, weiß ganz genau, dass dies seinem Naturell aufs Gröbste widerspricht.

Geschichtsstunde

2004 begann man anfänglich als Vienna Songwriting Association (VSA) noch mit einer Serie von Einzelkonzerten schon damals im Porgy & Bess (Tribute to Nick Drake) sowie ab 2005 auch im Lokal Vorstadt. Bald kristallisierte sich jedoch heraus, dass der Bedarf nach dieser Musikgattung weit größer war, und so entschlossen sich Totzler und sein Ursprungsteam – Jenny Blochberger (u.a. FM4) sowie die beiden Musiker Eva Woska und Daniel Adam Smith (beide bis 2006) – an einem Festival zu basteln, das einerseits in der Szene Wien und parallel dazu im Porgy & Bess stattfand. Das Porgy & Bess sollte sich bis heute als ständig ausverkauftes Stammhaus des Festivals etablieren. Trotz widrigster Subventionslage und unter argwöhnischer Beobachtung diversester Konkurrenz, konnte sich Totzler mit seinem Team bis heute auf immer höher werdendem Niveau behaupten.

Er hadert aber nicht mit dem Subventionsdilemma, das ist nicht seine Art, er kämpft weiter, denn Totzler ist ein Überzeugungstäter. Obendrein lässt sich auch nicht von der Bürde Wien abschrecken, wo doch noch zahlreiche andere Veranstalter am großen Kuchen mitzunaschen versuchen. Auch das zuletzt von vielen Seiten nicht ganz kritikfrei rezipierte Popfest am Karlsplatz, liegt Totzler nicht im Magen. Neid ist nicht seines. Zu sehr schätzt er darüber hinaus auch dessen Betreiber und außerdem pocht er nicht auf die Exklusivität „seiner“ Künstler. Diese zu fördern, bedinge auch, diesen nicht im Weg zu stehen. Bestenfalls könne sich das auch gegenseitig künstlerisch befruchten.

Wenn Totzler – wie er mit Augenzwinkern anmerkt – als Geschäftsmann kalkulieren müsste, hätte er das Projekt nie in Angriff nehmen dürfen. Gereizt hat ihn die für Wien damals einmalige Idee. Auch eine selbst auferlegte Quote von 50/50 von in- und ausländischen Künstlern bzw. weiblichen und männlichen Musikern konnte er über die Jahre immer wieder vorweisen. Zu seinen „Kindern“ – Totzler selbst würde sie nie so nennen – zählen u.a. Künstler wie Clara Luzia, Son of a Velvet Rat, Bernhard Eder, Paperbird und Marilies Jagsch. All jene hat Totzler über die Jahre wohlwollend beobachtet, ihren musikalischen Werdegang verfolgt und schließlich zu seinem Festival und zu anderen Konzerte eingeladen.

Neben Konzerten, ist Totzler aber auch die Begegnung und das Beziehungen knüpfen wichtig. Deshalb gibt es auch immer wieder Symposien und Workshops. Eine nette Anekdote hat Totzler diesbezüglich auch auf Lager. Als ein Diskussionsleiter einmal am Ende einer solchen Podiumsdiskussion den resümierenden Aufruf Richtung Nachwuchsmusiker startete „Wenn ihr bekannt werden wollt, dann stürmt die Bühne“, stand tatsächlich ein junger Künstler auf, ergriff das Mikro und trällerte sein Lied. Diese Spontaneität hatte es auch Klaus Totzler angetan.

Am Wunschzettel

Totzler hat für die Zukunft des Festivals noch viele Wünsche. Einerseits würde es ihn freuen, wenn die Festivalacts außerhalb auch bei einem noch größeren Publikum Anklang finden würden (was ja schon des Öfteren der Fall war), andererseits gibt es auch echte Wunschkünstler wie Wilco, Cat Power oder Joanna Newsom. Über eine größere Location hat Totzler bislang nicht nachgedacht. Das wäre vermutlich erst spruchreif, wenn diese Wunschkünstler ins Haus stünden, und selbst da will Totzler sich nicht vom Verkauf bestimmen lassen. Authentizität ist ihm ein großes Anliegen.

Ob das Blue Bird Festival bereits Kultcharakter hat, kommentiert der lächelnde Klaus Totzler nur mit dem Hinweis: „Wenn Kult bedeutet, bekannt zu sein, aber nicht kommerzielle groß zu sein, dann vermutlich schon.“ Was er aber auf alle Fälle vermeiden möchte, ist es, zu viel zu steuern, denn dann gehe die Magie verloren und das führe in weiterer Folge zu Dekadenz.

Am 3. November findet die Präsentation des bereits vierten Compilationalbums mit dem Titel „Between the Lines IV – Find Shelter“ im Cabaret Fledermaus (Spiegelgasse 2, 1010 Wien) statt. Bei freiem Eintritt sind Snailhouse (CDN) und Stuart Neville (UK) zu sehen und zu hören.

Das heurige Blue Bird Festival findet vom 25. Bis 27. November im Porgy & Bess (Riemergasse 11, 1010 Wien) statt und bietet u.a. Künstler wie Scout Niblett, Grant Hart (Ex Hüsker Dü), The Hidden Cameras, Nina Nastasia, Scott Matthews feat. Spencer Cobrin (Ex Morrissey Drummer), Pieter Gabriel und Sweet Sweet Moon.

Weitere Infos unter: http://www.songwriting.at

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