Samstag war Selbstmord

Anlässlich der Ausstellungseröffnung von Cosima von Bonins "Hippies Use Side Door" im Mumok hatte Wien die Ehre, das einzige Österreichkonzert des altgedienten Schlachtrosses Tocotronic heuer zu veranstalten. Und ja: Es kam wie’s kommen musste: Es war grande.

Tocotronic scheinen sichtlich Spaß daran zu haben, alte Wiener Gemäuer zu bespielen. Vor einiger Zeit war da dieses Konzert im Burgtheater. Gestern waren dann die ehemaligen kaiserlichen Hofstallungen, die jetzige Halle E des Wiener Museumsquartiers, an der Reihe. Das Konzert war ja bereits seit mehreren Wochen ausverkauft, die Vorfreude der Leute bereits vor Beginn stark spürbar. Als die Band dann mit strahlenden Gesichtern die Bühne betrat, war klar, dass diese Sympathie sicher keine einseitige ist.

Mit dem Konsensstück "Wie wir Leben wollen" vom letzten, gleichnamigen Album wurde das Konzert dann eröffnet. Die Bierwette um den Opener war zwar verloren, aber Dirk, Arne, Jan und Rick wieder mal wenige Meter vor sich zu sehen, linderte so ziemlich jeden Schmerz. Die Band sprach wie gewohnt wenig – wer einem aber Zeilen wie "Ich bin hier nur Tourist / Ich bin nicht integriert / Das Dasein, das ich friste / Hat ein anderer inszeniert" um die Ohren haut, der muss das auch nicht. Begleitet vom verspielt dandyesken Gestus Dirks wurden viele breite Grinser und gehauchte Küsse ins Publikum geworfen, um dann wieder anständig in die Saiten greifen zu können.

Gespielt wurden Songs, die den Anwesenden das Herz stark Richtung Hals hüpfen ließen. Erste Alben, Berlin-Trilogie. Alles muss im Überfluss vorhanden sein quasi. Auch mit von der Partie: Der kürzlich erst wieder mal auf ein paar Festivals angetestete alte Hadern "Samstag ist Selbstmord", den wahrscheinlich nur ein beschränkter Teil der Zielgruppe bis dato live hören durfte. Zur ersten Zugabe wurden auch die Hauptverantwortlichen für das Erscheinen der Gruppe auf die Bühne mitgenommen. Cosima von Bonin und Mumok-Direktorin Karola Kraus. Auch auf die sympathischen Damen schien die Euphorie übergeschwappt zu sein. Mit leichtem Damenspitz kündigte von Bonin an, Tocotronic würden die bisherige Setlist jetzt nochmals durchspielen. Lachen im Publikum und auf der Bühne.

Nach gefühlten zehn Zugaben schaffte es das ausdauernde Publikum dann auch mit nachhaltiger Sturheit, Tocotronic noch ein letztes Mal auf die Bühne zu hieven, wo diese schließlich den All-Time-Favourite "Drüben auf dem Hügel" zum Besten gaben. Rick McPhail erklärte mir später, dass das so eigentlich überhaupt nicht geplant war. Tocotronic herzen halt Wien. Und Wien herzt Tocotronic.

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