Ein Gallagher in Wien

Der Tourplan rund um Noel Gallaghers zweites Soloalbum kann sich sehen lassen. Gestern hat er das frühere Oasis-Mastermind ins Wiener Gasometer geführt. Die Show war solide, aber unspannend.

„Wie viele Orte gibt es auf der Welt? Orte, an denen wir noch nicht gespielt haben? Genau das will ich erreichen: Ich will überall gespielt haben.“ Das antwortete Noel Gallagher erst kürzlich auf die Frage, wo er denn auf dieser ausgedehnten Tour noch überall spielen wolle. Und damit meint er es offenbar ernst: Seine Tour gleicht einem Marathon.

Ein bisschen gehetzt und unentspannt, wirkt das dann auch beim Konzert in Wien. Die Setlist wird brav heruntergespielt, fast ein bisschen lustlos. Gesprochen wird dabei eher wenig – von einem „Hi, we are in Vienna tonight, right?“ und diversen Ausfälligkeiten mal abgesehen.

Dass sich Noel, als produktiverer der beiden Gallagher-Brüder und Mastermind deren gemeinsamer Band Oasis, nach wie vor mit den Hits von damals schmückt, freut die Fans, zipft ihn selbst aber wohl einigermaßen an. Und wenn das Publikum im halbwegs gut gefüllten Gasometers schon nach dem dritten Song „You and I are gonna live forever“ im Chor singt, versteht man ihn auch ein bisschen. Immer auf Oasis reduziert zu werden – naja, da kommt einem schnell mal das erste „Fuck“ des Auftritts über die Lippen.

Auf die Tränendrüse gedrückt

In seiner Songauswahl kombiniert Gallagher Material seiner beiden Soloalben fast halbe-halbe mit Klassikern seiner früheren Band. Bei Letzteren grölt das Publikum – vielfach aus jener Generation, die mit Britpop groß geworden ist – dann besonders freudig mit vom Bier geölten Stimmen mit. Bei „Half The World Away“ wird erstmals auf die Tränendrüse gedrückt und als Zugabe gibt es wirklich „Wonderwall“ sowie „Don’t Look Back In Anger“.

Gallagher wirkt abgekämpft und sich seiner Sache auch fast zu sicher. Vom 90er-Working-Class-Hero ist jedenfalls wenig geblieben. Solide singt er, er spielt die Gitarre virtuos wie vor 15 Jahren, aber irgendetwas fehlt. Wenn er von der elektronischen zur akustischen Gitarre wechselt, wirkt das auf der Bühne ein bisschen bieder, zu brav. Es mangelt dem Älteren der Gallagher-Brüder an Elan, an Kraft, an Frechheit – vielleicht ja doch auch am gerne als Rebell verschrienen Liam.

Auf „Chasing Yesterday“, seinem zweiten Soloalbum, und auch live versucht sich Noel rüberzuretten in die 10er-Jahre – mit begrenztem Erfolg. Und so war das gestrige Konzert nicht nur ein Ankämpfen gegen den leider schlechten Sound, sondern vor allem auch ein Ankämpfen gegen die eigene Vergangenheit. Wenn im Hintergrund noch dazu Worte wie „Past – Present – Future“ projiziert werden, verstärkt sich dieser Eindruck nur.

Das Konzert von Noel Gallagher’s High Flying Birds fand am 12. April 2016 im Gasometer in Wien statt.

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