Nach der Jugendbewegung

Die Nerven waren einmal die Band der Stunde. Ihren vorläufigen Zenit erreichen sie aber erst jetzt, mit dem dritten Album.

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Vor anderthalb Jahren gab es so etwas wie eine neue deutsche Welle, die sich auf deutschen Punk, Noise, Postwhatever bezog, die Musik aus den Proberäumen und Jugendzentren in breitere Diskurse hob. An der Spitze: Die Nerven. Rieger, Kuhn und Knoth katapultierten Stuttgart, von dem man vorher oft im medialen Diskurs nur »Bahnhof« verstand, zurück auf die musikalisch-feuilletonistische Landkarte und brachten der Stadt die szenische Relevanz zurück, wie sie zuvor nur dem hip-hop’schen Benztown zu Gute kam. Live werden sie zu Angebeteten der Zerstörung, der Selbstzerfleischung und transzendentaler Allüren. Beim Waves 2014 rissen sie das berstend volle Flex ab, Gesprächsstoff für Monate. Das zweite Album »Fun« ist ein Meilenstein.

Spoiler: Ihr drittes, »Out“ – ähnlich spartanisch betitelt – ist es auch. Die Bandmitglieder probierten sich in Nebenprojekten, veröffentlichten solo oder in Supergroups – Drummer Kuhn gelang etwa mit Karies etwas richtig Großes. Der Stringenz der Kerngruppe tat dies keinen Abbruch.

Denn »Out« ist nichts anderes als die Weiterentwicklung der ohnehin schon äußerst präzisen und druckvollen Vertonung postadoleszenter Tristesse. Die Gitarren sind noisig as always, der alternierende Gesang ist die Stimme der Geknechteten, das Schlagzeug ein Metronom der persönlichen Apokalypse. Das darf dann durchaus etwas 80s-wavig klingen, muss es wohl auch. Die Bands im Referenzkasten sind altbekannt und Vorderbänkler der Postpunk-Schule.

Auch ein Album ohne Filler braucht seinen Höhepunkt. Auf »Out« ist das »Barfuß durch die Scherben«, dem man gleich einen selbstheraufbeschworenen Skandal à la »Paranoid« unterjubelte und noch vor Release klarstellte, es hieße im Refrain eh »ohne mich zu verletzen« statt »um mich zu verletzen«. Moderne Mythenbildung. Insgesamt sind die Stücke eher getragen, Tristesse braucht keine 1-2-3-Hits, die es bei Die Nerven ohnehin nie gab. Dazu sind sie zu fokussiert, leben zu sehr ihre Corporate Identity. Und weil Wortspiele mit Bandnamen immer gut sind: Die Nerven nerven nicht, sie sind genervt. Und das verdammt gut.

"Out" von Die Nerven ist bereits via Glitterhouse erschienen. Die Nerven sind auch auf Tour: 17.11. Fluc Wien, 18.11. Dornbirn Spielboden, 19.11. Graz Postgarage, 20.11. Wels YOUKI Festival, 21.11. Ljubljana Gala Hala, dazu kommen noch bis 16.12. fast täglich Termine in Deutschland und Nordeuropa.

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