Na wurscht

Gedämpft schnurrende Gitarre: mit scheinbar einfachen Songs fasst sich Deerhunter auf dem großartigen siebten Album selbst zusammen.

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Zehn Jahre, sieben Alben, zwei EPs: vom schwärmerischen Traum „Halcyon Digest“ zu schrullig, kratzig, bitterschönem Alptraum namens „Monomania“ vor zwei Jahren war alles dabei. Die überraschende Pop-Attitüde, die sich nun auf „Fading Frontier“ eingenistet hat, funktioniert ebenso einwandfrei. Gesellt sich zu Psychedelic, Noise-Experimenten, Post-Punk und immer einem Shoegaze-Sahnehäubchen. Bradford Cox ist Meister in jedem Fach, Beweis liegt vor.

Der Sänger und Mastermind ist kein nostalgischer Typ. Sagt er. Auch nicht nach seinem schrecklichen Autounfall letzten Jahres. Nur in den Lyrics blitzen die Ereignisse manchmal durch, da gibt’s den „soulless new car smell“ oder den zarten Optimismus: „I’m still alive and that’s something.“ Neues Deerhunter-Album, means: neues, Cox’sches Statement über und gegen die Popkultur. Diesmal beißt er sich aber auf die Zunge, erspart den Kritikern, sich aus den Fingern zu saugen, wer hier wen beeinflusst hat. Er hat sogar eine „influence map“ entworfen, auf der er klarstellt: Tom Petty, REM, INXS waren die Taufpaten.

Die Vorabsingle „Snakeskin“ ist eine glänzend-schräge Rocknummer, die eine falsche Fährte legt. Funk ist auf „Fading Frontier“ sonst keiner zu finden – die übrigen Nummern stehen nicht mit demselben Drive, sondern eher gemütlich am Start. Poppig-heterogen („Take Care“), poppig-schleppend („Carrion“), oder gar poppiger Krautrock („Ad Adstra“). Klirrende, gegen- und durcheinander gezupfte Gitarren, eine fast schon naiv-überzogene Melodie und ein bisschen Synthesizer, auf den Cox immer weniger verzichten will, gestalten „Breaker“, die fast beste Nummer. Da klopft, mit energetischer Hand, INXS an die Tür.

Mit einem Augenzwinkern in Richtung eingängiger, auch breitenwirksamer Rocksongs spielen Deerhunter, dass das Mononkel nur so wackelt. Sie bündeln Extrakte aus all ihren Vorgängern, erfinden bewusst nichts Neues. Die simple Gitarrenmelodie, die immer im Mittelpunkt steht, spielt mit nonchalanter Wurschtigkeit. Das hat sich Cox exzellent von REM abgeschaut. “Fading Frontier” klingt easy, aber bedacht. Weil weniger eben manchmal wirklich mehr ist.

"Fading Frontier" von Deerhunter ist soeben via 4AD erschienen.

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