Musik ohne Business

Österreichische Musik ist wieder angesagt. Das merken auch die Independent Labels des Landes – auch wenn sie den Hype teilweise mit Skepsis betrachten.

Rund 7.500 Künstler und Bands sind in Österreich bei Major-Labels und mehrere Tausend bei Indie-Labels unter Vertrag. Die österreichische Musikszene wird derzeit ziemlich abgefeiert, aber steckt da auch was dahinter? Wir haben bei fünf Indie-Labels nachgefragt, wie es der Szene wirklich geht. Von Alternative bis Jazz versuchen die Indies Musiker und Musikerinnen des Landes zu fördern. Das heißt – je nach Label – bei der Produktion unterstützen, Marketing betreiben, Bookings organisieren und den Vertrieb auf die Beine stellen.

Noise Appeal: "Das Label bin ich, ich bin das Label"

Für die kleinen, manchmal auch nur Ein-Personen-Unternehmen, bedeutet das ganz schön viel Arbeit. Im Gegensatz zu den Großen – also Universal, Sony und Warner – arbeiten sie ohne große Teams und schon gar nicht mit fetten Budgets. "Es gibt keine Abteilungen, keine Bezahlung. Ich stehe für die Projekte gerade. Wenn was floppt, floppt es, und das Geld ist weg", sagt Dominik Uhl, Gründer von Noise Appeal. Das Label aus Wien wurde 2003 gegründet und hat bisher 44 Tonträger veröffentlicht, vorwiegende Richtung Rock, beispielsweise Hella Comet aus Graz.

Gemeinsam ist den Indies die Liebe zur Musik. Unter Vertrag genommen werden daher auch nur die, die wirklich gefallen. So etwa beim Wiener Label Las Vegas Records, bei dem Pop im weitesten Sinne des Wortes releast wird. Dazu zählen etwa Kommando Elefant oder das Akustik-Folk-Konglomerat Dawa. "Wir wollen vor allem gute, junge, neue, österreichische Musik unter die Leute bringen. Diesen Luxus kann sich ein Major oft nicht leisten", sagt Andreas Jantsch. Dass keine Rücksicht auf die Vermarktbarkeit der Musik genommen werden muss, betont auch das 2008 gegründete Wiener Hip Hop Label Duzz Down San. Mit rund 80 Releases ist es das größte Hip-Hop-Label in Wien, mit The unused word waren sie heuer etwa beim Waves vertreten ist.

Don’t believe the hype, it’s a sequel

Eine gewisse Euphorie, die angesichts Erfolge österreichischer Acts wie Bilderbuch durch das Land weht, lässt sich nicht wegreden. Seitdem quasi die Renaissance des Austro-Pops verkündet wurde, scheint ein bisschen Schwung und auch Selbstbewusstsein in die Szene gekommen zu sein. Alles nur ein Hype, steckt doch etwas dahinter oder wirft der Erfolg sogar Schatten auf andere?

Bei Wohnzimmer Records kann man dem ganzen Rummel schon etwas abgewinnen. "Wir profitieren natürlich auch davon. In so manchem Bericht über die ‚Wiener Szene‘ in deutschen Medien werden auch immer wieder Bands wie Kreisky erwähnt. Auch beim Kontakt mit deutschen Veranstaltern merkt man, dass sie österreichischen Künstlern gegenüber nun wesentlich aufgeschlossener sind als noch vor ein paar Jahren", sagt Lelo Brossmann.

Duzz Down San glaubt hingegen gar nicht an den Hype. "Unserer Meinung nach gibt es keinen wirklichen ‚Österreich‘-Hype, außer vielleicht im Deutschen Feuilleton. Das Ganze beschränkt sich auf den einzelnen Erfolg von ein paar wenigen Bands und Musikern" lässt Lukas Ljubanovic wissen.

Läuft bei uns

Auch Dominik Uhl von Noise Appeal spürt von dem Hype nicht wirklich viel. Er sieht das differenziert: "Dass es zurzeit einige Bands schaffen finde ich in erster Linie großartig. Wobei es ja auch andere gibt, die seit vielen Jahren Musik machen, aber ob ihrer Nische nicht so im Rampenlicht stehen." Ähnlich wird das auch bei Siluh Records gesehen, die unter anderem Mile me deaf oder Wandl behausen: "Österreich hat schon immer international sehr erfolgreiche Musikerinnen und Musiker hervorgebracht, die aber von außen nicht unbedingt mit Österreich assoziiert wurden und werden." Dazu zählen Acts wie Soap&Skin, das Duo HVOB, Ja, Panik, und viele mehr.

Österreichische Musik waren also auch vor der W- und B-Band gut dabei. Einerseits wirft das aktuelle Spotlight also durchaus einen Schatten, andererseits hat es auch Vorteile: "Es hat zumindest bewiesen, dass es für österreichische Bands möglich ist, ohne große Budgets und ohne einen Weltkonzern im Rücken, im Ausland große Erfolge zu feiern. Das gibt doch schon mal Hoffnung", sagt Andreas Jantsch von Las Vegas Records.

Raus aus Österreich

Von der Musik leben können allerdings nur wenige Bands. Nicht nur ist Österreich als Markt einfach zu klein, auch steckt die gesamte Musikbranche schon länger in der Krise. Und das spüren natürlich auch die kleinen Plattenlabels – ein großes Geschäft war es für sie aber meistens ohnehin nie. "Über die Jahre ist es sich im Großen und Ganzen ausgegangen, dass wir weder großartige Gewinne noch Verluste eingefahren haben", sagt etwa Lelo Brossmann von Wohnzimmer Records. Auch alle Mitwirkenden bei Duzz Down San haben neben dem Label auch normale Brot-Jobs.

Generell gilt für die gesamte Branche: Nicht Tonträger, sondern Konzerte bringen Geld. Und in Österreich stoßen auch beliebte Bands schnell mal an die geografischen Grenzen. Wie viele Gigs kann denn eine Band hierzulande spielen? "Eine Tour zum Release, maximal neun Shows, also eine pro Bundesland, dazu zwei bis fünf Festivals, wenn man gerade etwas veröffentlicht hat", sagt Dominik Uhl. Richtig Geld machen, sodass man auch davon leben kann, geht sich so nicht aus. Deswegen gilt oft die Devise: Raus aus der Alpenrepublik.

Vinyl ist zurück

Die Einnahmen aus dem Tonträgerverkauf sind schon länger rückgängig. 2014 hat der österreichische Musikmarkt laut IFPI, dem Verband der österreichischen Musikwirtschaft, 145,5 Millionen Euro Umsatz gemacht. Das sind minus drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Beim Vinyl gibt es jedoch mit 60 Prozent ein saftiges Umsatzplus. Da hinter den meisten Indie-Labels vor allem Musikliebhaber- bis Nerds stecken, wird dort auch auf die schwarzen Scheiben gesetzt. "Unser Herz hängt natürlich an Vinyl, aber es ist leider oft aus kostentechnischer Sicht nicht möglich, alle Releases auf Vinyl zu veröffentlichen", so Lelo Brossmann von Wohnzimmer Records. Durch die große Nachfrage gibt es mittlerweile sogar schon Lieferschwierigkeiten bei den wenigen, noch aktiven Presswerken. Das spüren laut Lukas Lukas Ljubanovic von Duzz Down San vor allem die Indie-Labels.

Förderparadies oder Freunderlwirtschaft

Brauchen die Indies und aufstrebenden Artists in Österreich also mehr Unterstützung, wenn die Einnahmen zurückgehen und nur die wenigsten überhaupt davon leben können? Oder ist Österreich wirklich ein Förderparadies? "Man merkt leider, dass die Fördertöpfe immer kleiner werden. Ich würde auch gut finden, wenn ein wenig mehr die Infrastruktur wie zum Beispiel Proberäume, gefördert würde. Derzeit liegt der Fokus des Musikfonds ausschließlich bei der Produktion, davon profitieren hauptsächlich Tonstudios", findet Lelo Brossmann.

Zufriedener zeigt sich Dominik Uhl: "Ich finde das Fördersystem in Österreich eigentlich gar nicht mal so schlecht." Aber: "Dass es vieles gibt, an das man nur herankommt, wenn man die ‚richtigen‘ Leute kennt ist klar." Positiv sieht man die Situation auch bei Las Vegas Records. "Auf unserem Weg gab es viel Unterstützung. Die Förderungen, die Netzwerke und die Quoten passen total!" sagt Andreas Jantsch. Von Austro-Quote im Radio ist also keine Rede. Auch die Festplattenabgabe als Heilsbringer für die Musikindustrie findet eher verhaltenen Support.

Die tausenden Künstler und Bands, die bei österreichischen Indies ein Zuhause gefunden haben, können also beruhigt sein. Und zu einem Major wechseln kann man ja immer noch. Spätestens, wenn der Erfolg dann da ist.

Dieser Beitrag ist im Rahmen eines Praxis-Seminars am i>Institut für Journalismus & Medienmanagement der FHWien der WKW entstanden.

Das Waves Vienna, hat vergangenes Wochenende den fünften Geburtstag gefeiert und beim Waves Label-Market insgesamt 24 heimischen Indie-Labels eine gemeinsame Plattform gegeben.

Bild(er) © Bilderbuch © Niko Ostermann
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