In den Köpfen von Electro-Romantikern

Die Tüftler von Hot Chip veröffentlichen nach Side-Projekten einiger Bandmitglieder und anderen Pausenfüllern bald ihr mittlerweile fünftes Studioalbum „In Our Heads“.

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Pop, Dance, Electronic, Soul und R’n’B – Hot Chip wollen und können alles auf einmal. Dies beweist das Quintett mit der am 11. Juni erscheinenden neuen Platte „In Our Heads“ erneut eindrucksvoll. Zwölf Jahre nach der Bandgründung durch Alexis Taylor (Vocals) und Joe Goddard (Synthesizer) haben die Londoner nach wie vor einen randvollen Terminkalender. Neben Veröffentlichungen mit diversen Side-Projekten, wie beispielsweise Goddards The 2 Bears und Taylors About Group, sowie New Build mit Doyle und Martin, vertreiben sich die Parade-Nerds ihre kreative Zeit außerdem mit Auftritten als DJs. Touren durch vollgestopfte Konzerthallen, kurze Entspannungsphasen und Studioalltag müssen miteinander verschränkt werden. Ach, ja – zwischenzeitlich flattern Nominierungen für den Mercury Prize und die Grammys ins Haus, es wird locker mit überdurchschnittlich guten Album-Reviews jongliert und selbst die Musikvideos finden mittlerweile Anklang. „In Our Heads“ wird diesen Lauf nicht stoppen. Die elf Songs darauf bewegen sich nämlich wieder gekonnt zwischen pulsierenden Dancepop-Beats, einprägsamen Electro-Elementen und gefühlvollen Soul-Gesängen – quasi eh das bewährte Erfolgsrezept der Band, nur neu und abgewandelt aufgelegt.

Gut so, denn irgendetwas machen Hot Chip eindeutig richtig. Was das genau ist, weiß vermutlich auch Owen Clarke, unter anderem Bassist und Gitarrist der Band, nicht wirklich. Allerdings weiß er schon beim Frühstückskaffee um 10:00 viel über befreiende Tanzeinlagen, ungesunde Selbstcharakterisierungen und die Wichtigkeit des richtigen Plattenlabels zu erzählen.

Das neue Album „In Our Heads“ kommt am 11. Juni. Wie war der Aufnahmeprozess? Kommt es zu einer Art Routine, wenn man zuvor schon vier Alben aufgenommen hat?

Auf eine gewisse Art und Weise lief es sehr routiniert, aber das war auch gut so. Wir hatten zuvor ein Jahr Pause und verschiedenste Projekte nebenher laufen, somit war es schön, wieder zurück zu kommen und zusammen zu arbeiten. Wir hatten außerdem das Mischpult von Conny Plank, sowie Human League Keyboards, die aufregend zu spielen waren. Die Songs haben wir im Vorhinein schon geschrieben und so war das Arbeiten an den eigentlichen Sounds und der Musik selbst ein Riesenspaß. Aber ja, wir haben tatsächlich einige sehr routinierte Dinge gemacht, wie zum Beispiel zwischendurch in denselben Restaurants zu essen und immer um 11:00 mit den Aufnahmen zu beginnen. Das hat alles ein bisschen leichter gemacht.

Wie habt ihr entschieden, welche Songs es schließlich auf das Album schaffen? Wart ihr euch darüber schnell einig?

Die Songs wählen sich eigentlich selbst. Es gab einen Song, der in Bezug auf die Abfolge und auch insgesamt nicht wirklich auf das Album gepasst hat, also werden wir diesen wohl irgendwann in der Zukunft als B-Seite veröffentlichen. Die Songs haben alle ihre Vorzüge und wie diese untereinander und miteinander funktionieren, wie sie sich in der Albumstruktur machen, entscheidet schlussendlich auch die finale Titelfolge.

Die Musik von Hot Chip ist eine vielfältige Mischung aus allen möglichen Genres. Offensichtlich mögt ihr alle ganz unterschiedliche Musikrichtungen. Was würdest du dabei als deinen Einfluss bezeichnen?

Naja, ich habe eine ziemliche Schwäche für das Poppige, vor allem für klassischen Pop aus den Sechzigern und Siebzigern, während Joe zum Beispiel eher in der Dance-Richtung zuhause ist. Alexis mag Soul und R’n’B, Felix am ehesten Techno und Al steht irgendwie auf alles ein bisschen. Ich mochte immer schon die Reinheit am Pop, andererseits aber auch die lautere Seite daran, außerdem Glockenschläge, Kastagnetten und solche Dinge. Unsere Musik setzt sich ja insgesamt aus merkwürdigen und eigenartigen Elementen zusammen, welche aber immer noch diese Grundidee des Poppigen drin haben.

Das klingt nach einer harmonischen Aufteilung. Gibt es in der Band auch so etwas wie eine familiäre Rollenverteilung?

Natürlich. Ich kenne Alexis und Joe immerhin schon seit fast zwanzig Jahren, also versteht man sich automatisch auch über unausgesprochene Dinge. Das ist vor allem wichtig, wenn man herumreist und sich wochenlang in einem begrenzten Raum aufhält. Man weiß, wann jemand seine Ruhe braucht oder aufgeheitert werden möchte und auch bei den Aufnahmen ist es von Vorteil, sich so gut zu kennen, dass man ohne groß nachzufragen weiß, was dem anderen gefällt oder nicht.


Ich habe gehofft, du würdest dich selbst eher als Entertainer bezeichnen, da du für deine Tanzeinlagen bei Live-Auftritten sehr berühmt zu sein scheinst. Wusstest du, dass dir sogar eine Facebook Tribute-Page namens „Owen Clarke – Dancing King“ gewidmet wurde?

Ja, dessen bin ich mir bewusst und finde es zwar überraschend, aber sehr schmeichelhaft. Ich habe die Person, die die Seite ins Leben gerufen hat, sogar schon kennengelernt – eine sehr nette Dame, die auch zu viele unserer Gigs besucht. Was die Tanzeinlagen betrifft, denke ich, dass es ein Vorzug ist, nicht hinter dem Schlagzeug eingeschlossen zu sein, sondern neben dem Spielen auch die Zeit für ein Tänzchen zu haben. Und wenn ich nicht die Treppen hinunterfalle oder mir sonst etwas Schlimmes passiert, werde ich das auch weiterhin machen.

Ihr habt euch ja neben zahlreichen anderen Festivals diesen Sommer vor kurzem für das FM4 Frequency Festival in Österreich angekündigt. Spielt ihr gerne auf Festivals oder bevorzugt ihr eher die kleineren Shows?

Ich denke, beides hat seine Vor- und Nachteile. In England haben wir beispielsweise viele Auftritte in diesen kleineren Orten, die irgendwie alle gleich aussehen und das ist ein wenig enttäuschend, da man natürlich gerne neue Dinge sieht, wenn man herumreist – andererseits sind es unsere eigenen Shows, die Leute sind also allein wegen uns dort. Festivals dienen oft dazu, Leute für uns zu gewinnen und auch hin und wieder überrascht zu werden. Die Energie dort ist ganz anders.

Ihr habt nach dem Song „Flutes“ auch „Night and Day“ online veröffentlicht. Was ist die Idee dahinter? Die Fans zu beschäftigen, bis das komplette Album erscheint?

Wir haben das Album irgendwann im Januar fertiggestellt und es dauert eine Weile, bis alles wirklich vorbereitet ist. In der Zeit wollten wir zwar die Überraschung nicht verderben, aber andererseits auch nichts verstecken und da bietet sich eben der Kompromiss an, ein paar Songs oder Videos vorab zu bringen. Wir sind uns aber noch unschlüssig, wann „Night and Day“ erscheinen wird, wir arbeiten gerade an einem Video. Es ist lustig, da der Song sehr lebhaft und auch ein bisschen gruselig ist. Seine schelmische Persönlichkeit passt hervorragend in das Gesamtkonzept des Albums.

Ich habe letztens einen Artikel gelesen, in dem ihr als „Electro-Romantics“ bezeichnet worden seid. Reizend, oder?

Es ist eine durchaus interessante Phrase, klingt irgendwie wie ein Comic für Kinder. Wir denken aber eigentlich nie über so etwas wie Romantik nach, sondern versuchen einfach über unsere Gefühle zu schreiben. In konkreten Begrifflichkeiten haben wir noch nie gedacht, aber ja, wenn man sich genug mit uns auseinandersetzt, könnte man auf so etwas wie „Electro-Romantics“ kommen. Wir würden uns selbst aber niemals so bezeichnen.

Und wie würdet ihr euch bezeichnen?

Ich denke, es ist nicht gesund, sich selbst ein Etikett zu verpassen. Es kommt außerdem immer auf die Menschen an, mit denen man sich über unsere Musik unterhält – ob das nun mein Friseur ist oder ein Kerl von der Grenzkontrolle in den USA. Da würde ich unsere Musik wohl als Electronic Pop bezeichnen, weil es am einfachsten ist. Grundsätzlich aber ist es ungesund, elf Songs pro Album zu haben, was schließlich 55 Songs bei fünf Alben ergibt, und diese Menge dann in zwei Worten zu beschreiben. Das Etikettieren erfolgt eher zweckmäßig.

Ihr habt euer Plattenlabel gewechselt – „In Our Heads“ erscheint auf Domino Records. Gab es einen bestimmten Grund?

Wir hatten immer schon eine sehr gute Beziehung zu Domino Records. Am Anfang, als wir viele Shows spielten, landeten wir bei Moshi Moshi Records und danach bei DFA Records, um die internationale Arbeit in den USA zu erleichtern, was auch wirklich gut funktionierte. In England waren wir bei EMI unter Vertrag, wobei wir aber viel auf uns selbst gestellt waren. Irgendwann erkannten wir, dass wir eine gute und stabile Verbindung mit einem Label vermissten, mit dem wir gut über neue Ideen reden konnten. Domino Records erschien uns dafür als perfekt.

Habt ihr für „In Our Heads“ etwas gemacht, das ihr zuvor noch nicht versucht habt?

Ich denke schon, ja. Es gibt einige Dinge, mit denen wir noch nie zuvor gearbeitet haben, wie zum Beispiel eine Marimba, was eine Art riesiges Vibraphon ist. Es waren grundsätzlich einfach neue Techniken und neue Arbeitsweisen, die wir ausprobiert haben. Das schnelle Arbeiten war allerdings sehr wichtig. Die Idee kam von Alexis, der mit About Group ein Album sehr schnell aufgenommen hat. Wir nahmen also alle zweieinhalb Tage einen Song auf und es funktionierte. Der Sinn dahinter war vor allem, das Entscheidende und Essentielle aus einem Song herauszuholen.

„In Our Heads“ von Hot Chip erscheint am 11. Juni via Domino Records. Von 16.-18. August spielen sie auf dem FM4 Frequency Festival in St. Pölten.

Bild(er) © Steve Gulick
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