Immerwährende Veränderung

Von Spar – das neue Album gibt es hier im Stream – ändern ihren Stil auf »Streetlife« öfter als manche ihre Unterhosen. Jeder Song für sich funktioniert da recht gut.

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Wer sagt, dass man sich auch im zwölften Bandjahr nicht verändern kann? Von Spar schaffen mit dem vierten Album den fast ebenso vielen drastischen Kurswechsel. So waren die Kölner Anfang des vorigen Jahrzehnts mit ihrem Debüt »Die uneingeschränkte Freiheit der privaten Initiative« noch die erste Alternative für diejenigen, denen die ohnehin ständig viel zu wenig wertgeschätzten Die Türen zu diskursiv waren. Die beiden Vorgänger »Von Spar« und »Foreigner« aus 2007 und 2010 schielten dann eher in Richtung Can und Neu!, industrieller Krautrock Hilfsausdruck. Auch mit »Streetlife« schlagen Von Spar neue Wege ein. Das überrascht auch insofern, als dass die letzte Veröffentlichung ein Live-Album eines Auftritts mit Schrammelstar Stephen Malkmus war, auf dem »Ege Bamyasi« von Can aufgeführt wurde.

Heteros

Nun ist also wieder alles anders. Das beginnt schon beim Opener und gleichzeitig der ersten Single »Chain Of Command«, das sich mit seinem dominanten elektronischen Schlagwerk als fast perfekter Pop entpuppt. Von Spar klingt dabei sogar etwas nach Phoenix und dem Gefühl, das »Tanz durch den Tag« einmal vermitteln wollte, aber ohne Yolo-Kids und Kaufhaustechno-Atmosphäre. Und schon auf dem zweiten Stück »Breaking Formations« gibt es wieder was anders: Typische Muschihouse-Bläser-Exotik, die nur Gastsänger und Robert-Wyatt-Soundalike Chris Cummings retten kann: seine verzerrte Stimme entfaltet hier seine volle Wirkung. Dann, wieder eine Soundadapation: Bei »Hearts Fears« hat Von Spar wiederum ein bisschen zu tief ins James-Blake-Glas geschaut. Ob da Absinth drinnen ist, mag bezweifelt werden, zum Van Gogh’schen Ohrabschneiden ist der Song und »Streetlife« im Allgemeinen aber dann eh doch nicht. »Try Though We Might« serviert sogar Saxophon, Bläser- und Streicersätze in bester Rocko-Schamoni-Schule. Oder lass es Jimi Tenor sein.

In dieser Tonart geht es eigentlich immer so weiter, bei fast jedem Lied ändert sich die Schublade, immerhin von derselben Kommode, aber insbesondere wenn Cummings nicht singt, wird Drums-getriebener Kopfhörer-Spacerock mit klassischen Motiven draus, der jede noch so dicht bestrumpfhoste 30-jährige Pädak-Studentin transzendentisch tanzen lässt. Bis die Sache dann schlussendlich mit »One Human Minute« in Instrumenten-House kulminiert.

Man sieht schon, auf »Streetlife« geht es genre-technisch drunter und drüber. Das ist sicher nicht neu, in einer Zeit, in der die gesamte Geschichte von Pop mit seinen Originalen und Epigonen ebenso selbstverständlich abrufbar ist und gleichberechtigt neben all den jüngeren Mittläufern steht, ist es aber vielleicht auch gar nicht so wichtig. Es darf Space Disco sein, Krautrock, Avanti-Pop, House und wie eine Playlist klingen, Hauptsache die einzelnen Songs funktionieren. Dem Intro ist das jedenfalls ihre nächste Coverstory wert. Und weil es einfach keine österreichische Von Spar-Rezension ohne Band-Namenswitz geben darf: »Streetlife« ist gut zusammen geshoppt, auch wenn vielleicht zu viele Zutaten im Einkaufswagen liegen.

»Streetlife« erscheint am 24.10. via Italic Records. Tourtermine gibt es auch, zurzeit aber nur in Deutschland.

Bild(er) © Markus Feger, Italic
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