Guter Pop ist, wenn der Böse gewinnt

Twin Shadow trägt auf dem Cover seines neuen Albums "Eclipse" wieder Lederjacke. Seine stolze Pose schreit dabei immer noch Bad Boy, seine Songs aber säuseln Kuschelrock.

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"Ich bin ein gutaussehender Kerl, also ist da eben ein attraktiver Mann auf dem Cover meiner Platte", meinte George Lewis Jr. aka Twin Shadow damals vor drei Jahren lässig in einem Interview mit Pitchfork. Es ging dabei um das Cover seines zweiten Albums "Confess", das ihn halbfrontal mit Schmalzlocke und einer nietenbesetzten, offenen Lederjacke zeigt. Sein Blick ist sehnsüchtig, etwa so wie der des jungen Johnny Depp in "Cry Baby", hat aber eine gewisse Erhabenheit wie der von James Dean.

Er präsentiert sich als unnahbar. So, als würde er den Ladys vermitteln wollen, dass er bloß der Typ für diese eine wilde Nacht sei, ein einsamer Wolf, den sie bereits am nächsten Morgen weiterziehen lassen müssen. Die Aufmachung ist sehr retro mit dem blauen Hintergrund, dem Rotlicht und seinem Namen in hellen Großbuchstaben – TWINSHADOW. Das Bild strahlt eine verträumte Kuschelrock-Ästhetik aus, hat etwas vom Umschlag eines besonders heißen Groschenromans. Der Inhalt aber ist tatsächlich erstklassige Popmusik. Die internationale Kritik liebte "Confess", das Debüt "Forget" und sie wird auch "Eclipse" lieben.

Igitt, Indie!

Zumindest mit Abstrichen. Der Sound ist wieder stark von 80ies-Pop, von Depeche Mode, The Cure und New Wave inspiriert, spielt zwischendurch mit dramatischen R’n’B-Passagen und etwas zu pathetischen Rock-Exkursen. Die Songs sind Ohrwürmer, ihre Refrains kraftvoll, fast schon ergreifend. Es sind lauter kleine Hymnen, allesamt radiotauglich und größtenteils balladesker als auf den beiden vergangenen Alben. Statt machoiden Moves, bei denen er anderen Typen die Mädels ausspannt wie bei "I Can’t Wait" von "Confess", gesteht er sich heute etwa mit "Old Love/New Love" ein, dass alles doch viel mehr schmerzt als erwartet. Er singt von gebrochenen Herzen und Versprechen und sogar das L-Wort kommt ihm über die Lippen.

Twin Shadow ist weicher geworden. Man ist sich aber nicht sicher, ob er sich dessen bewusst ist, ob auch ihm das verstärkte Mainstream-Schmusepotenzial seiner Songs auffällt. "Eclipse" kratzt mit seinen euphorischen Pop-Hymnen jedenfalls ein wenig an der einst so rauen Bad Boy-Oberfläche. Ob das am Wechsel zum Major-Label liegt? "Eclipse" wird nämlich bei Warner Music und nicht mehr beim Indie-Qualitätsgaranten 4AD erscheinen. Warum? Vielleicht, weil Twin Shadow es seit Jahren leid ist, als Indie-Künstler wahrgenommen zu werden. Er hasst das Wort Indie. Damit verbinde man doch diese nette, scheue Chillwave-Generation. Also bitte!

L.A. Rockstar

Lewis Jr. wollte immer ein Popstar sein. Ihm eilt der Ruf eines Schürzenjägers voraus, eines richtigen Bad Boys eben. Er bezeichnete sich letztens rückblickend sogar selbst als zynisches Arschloch. Drogen und Alkohol in Massen, namenlose Groupies, Krankenhausaufenthalte – auf Tour gab sich Twin Shadow in den letzten Jahren absolut alles.

Dass er sich dabei auch noch selbst ziemlich geil fand, perfektionierte sein Hallodri-Image schließlich. Für die Arbeit an den neuen Songs ist er im Herbst 2013 von Brooklyn nach Los Angeles gezogen. Kalifornien! Was für ein Rockstar-Lifestyle! Dort saust er wahrscheinlich mit Motorrad, Lederjacke und Wayfarer über die sonnigen, mit Palmen gesäumten Boulevards, Mädchen in knappen Bikinis halten sich kreischend an ihm fest. Die Vorstellung ist so klischeehaft wie realistisch, ist der 32-Jährige doch wirklich ein ziemlicher Motorrad-Freak.

Bild(er) © Copyright: Milan Zrnic
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