Folge dem Affen

Sie definieren konzertanten Techno und Bass Music, bevor das so hieß. Die Dokumentation »We Are Modeselektor« fasst das Phänomen zusammen, Berlin, Bodenständigkeit und Jetset – und das fast ohne Mythenbildung.

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Mal sieht man sie im Garten arbeiten, mal Kleinholz für den Ofen machen oder mit der Hündin Ilona spazieren gehen. Neben den eklektischen Bildern ihrer Live-Shows sind es diese Aufnahmen, die herausstechen. Sie zeigen ein geerdetes Bild von Modeselektor, zwei der ungewöhnlichsten und außergewöhnlichsten Berliner Produzenten, DJs und Labelheads. Die Filmemacher Romi Agel und Holger Wick stellen anfangs noch die für eine Band-Doku aufgelegten Fragen: Wie hat das begonnen, wer war dabei wichtig und wie konnte es soweit kommen? Mit sehr vielen Bildern aus den 90ern, aber auch argem Videomaterial von Betonbunkern und seltsamen Frisuren schürfen sie so nach und nach ein lebendiges Bild von Modeselektor, Sebastian Szary und Gernot Bronsert, hervor.

Die Filmemacher versuchen diese unglaubliche Energie, die bei den Live-Shows entsteht, einzufangen und ansatzweise auch zu erklären. Dafür waren sie mit auf Tour, sind mit Modeselektor von Osteuropa bis nach Mittelamerika gejettet, waren auf dem Pukkelpop, dem Roskilde, dem Lowlands und zahlreichen anderen Festivals dabei und haben auf Tour in allen denkbaren Situationen die Kamera drauf gehalten: Im Tourbus, wenn Marcel Dettmann und Shed verschmitzt dabeisitzen, an einem frühen Morgen am Flughafen, eben das ganze Tourtagebuch-Repertoire.

EDM wie es sein soll

Modeselektor haben schon Jahre vor all den Stadion-Raves und EDM etwas Ähnliches auf einem bis heute nicht erreichtem Level gelebt. »Trotzdem machen sie es mit viel Feingefühl und sind stets offen für Experimente«, merkt Thaddeus Herrmann von De:Bug an. Er beschreibt die »Zugänglichkeit und Radikalität als größte Stärke des Duos.« Und wer schon einmal auf einem Gig der beiden war, der weiß, dass zwischen Champagnerdusche, Crowdsurfen und Kissenschlacht auch stets prickelnde und lebendige Musik geboten wird. Dazu passen jene Aufnahmen, in denen andere Leute erklären, was für ein einzigartiger Mix auf den frühen Partys von Modeselektor lief, wenig House, wenig Techno, und alles drumherum. Das Duo war Bass Music, lange bevor das Genre dann in England so genannt wurde. Die Offenheit dieses Begriffs verdichtet auch heute noch kaum jemand so sinnvoll wie Modeselektor. Wer nach der geheimen Zutat des Duos fragt, hat hier einen Baustein. Sie mischten Garage, Dancehall, Baile Funk und Breaks in ihre Musik, ohne dass sie davon aufgesogen wurden bzw. tun das immer noch.

Sascha Ring alias Apparat, der mit den beiden das Trio Moderat bildet, bringt noch etwas auf den Punkt: »Oft knallen die Tracks live so, weil sie aufgeräumt sind. Und das ist die höchste Qualität, die Musik in so einem Kontext haben kann«. Viele Tracks ihrer Diskografie, etwa Dancefloor-Bretter wie »Kill Bill Vol. IV« oder etwa »Black Block«, sind mit seriösen Mitteln an Treffsicherheit kaum zu toppen. Diese Treffsicherheit, dieses Commitment zur Musik war es auch, die nach der Jahrtausendwende BPitch-Labelchefin Ellen Allien beeindruckte, als sie beschloss, den beiden eine größere Bühne zu bieten. Doch bis dorthin war es ein langer Weg.

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