Entdecker Techno

Kaum jemand hat in den vergangenen zwei Dekaden so konstant hinter den Plattenspielern gewerkt wie Michael Mayer. Neben seiner weltbekannten Mix-Serie "Immer" hat er stetig seine Fähigkeiten als Produzent verbessert. Nun erscheint sein zweites Album "Mantasy".

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Kompakt, Speicher, Immer, Supermayer, Michael Mayer. Wer schon einmal mit Techno aus Deutschland zu tun hatte, kennt Michael Mayer normalerweise. Als DJ, Produzent und Labelbetreiber hallt sein Name wie ein Echo durch das Tal des Techno. Sei es nun wegen klassischer Sets in Clubs oder Festivals, seine prägende Mix-Serie oder seine Releases und Remixe. 2004 erschien sein Debüt-Album "Touch". Acht Jahre später kehrt Michael Mayer mit seinem zweiten Langspieler zurück. "Mantasy" lautet der Titel seines Albums. Grund genug um nachzufragen was hinter dem mysteriösen Albumtitel steckt, was sich bei Kompakt tut und was es mit EDM auf sich hat.

Acht Jahre ist es her seitdem du dein erstes Album “Touch“ veröffentlicht hast. Wie lange hat die Arbeit an dem jetzigen Album “Mantasy“ gedauert?

Das waren ziemlich genau sieben Monate.

Und wann begann die Arbeit daran?

Ich habe im Januar damit angefangen. Da habe ich es geschafft mir endlich Zeit freizuschaufeln. Ich habe ja sonst immer viel zu viel zu tun (lacht): Die Labelarbeit, am Wochenende auflegen und eine kleine Familie. Dementsprechend ist es immer sehr schwer Zeit im Studio zu verbringen. Aber das wurde in einem Gewaltakt alles frei geräumt. Ich habe auch relativ wenig gespielt in der ersten Arbeitshälfte, um mich ganz auf das Album zu konzentrieren.

Gab es einen inneren Drang den du verspürt hast ein Album zu machen?

Das hat sich schon länger angestaut. Ich habe zwischen “Touch“ und diesem Album zwar das Supermayer-Album gemacht und in mein schlaues Büchlein ständig Ideen hineingeschrieben. Das war irgendwann ziemlich viel und das musste ich abarbeiten, weil sonst ein 8-fach Album daraus geworden wäre (lacht). Ich hatte auch selbst wirklich Lust wieder mal alleine ins Studio zu gehen.

Was bedeutet “Mantasy“ im Bezug auf dein Album? Steckt wirklich male fantasy dahinter oder ist es eine Entlehnung aus Stephen Colberts Kolumne "The Word"?

“Mantasy“ ist erst mal ein Wortspiel. Ich war im Urlaub, saß am Strand und dort lief furchtbar dumme European Dance Music. Ich stand an der Bar und hatte plötzlich das Wort Mantasy auf der Zunge. Ich mochte es sofort, wusste aber nicht, ob das schon jemand benutzt hat. Als ich dann zu Hause war, habe ich es direkt mal gegoogelt und habe das mit dieser TV Show auch gesehen, anscheinend gibt es auch einen ziemlich guten Gayporno der so heißt. (lacht) Ich selbst bin nicht schwul, mag es aber gerne wenn es so verstanden wird, weil wir der Schwulen-Kultur einiges zu verdanken haben in Sachen Disco und House.

Eigentlich war es aber anders gemeint: Der Ansatz des Albums war sehr stark getriggert von Büchern, die ich in der Zeit gelesen habe. Dabei ging es um die großen alten Entdecker. Ich war auf der Suche nach Neuland. Das ist zwar schwer heutzutage, weil es alles irgendwie schon gibt, aber ich habe es mir trotzdem in den Kopf gesetzt, nicht den einfachen Weg zu gehen. Keine rein funktionalen Clubtracks zu produzieren, sondern mehr mit reinzubringen. Eine kleine Geschichte zu erzählen.

War das auch eine Art dich persönlich neu zu entdecken?

Das ist sowieso bei mir der Fall. Ich habe erst relativ spät begonnen Musik zu machen, weil ich mich in erster Linie als DJ verstanden habe. Ein DJ muss kein Produzent sein und umgekehrt. Das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Ich habe mich Seinerzeit auch immer darüber geärgert, dass sich viele DJs Ghostwriter-Produzenten nehmen und Singles raushauen, ihren Namen draufschreiben, obwohl sie sie gar nicht gemacht haben, um mehr Gigs zu bekommen. Als ich angefangen habe, war das fast schon eine Art Therapie für mich. Wenn ich ins Studio gehe, ist das ein ganz besonderer Moment. Da wird die Tür zugemacht und ich versuche mich ganz auf die Musik einzulassen.

“Mantasy“ klingt zum Großteil wie ein Soundtrack. Was wäre die Handlung dieses Films?

Ich glaube auf jeden Fall mehrere Personen. Das ist kein Egoding. Auch wenn ich das Album komplett alleine gemacht habe, hatte ich verschieden Situationen und Momente im Kopf. Also Clubmusik ist ja per se etwas, was man nicht für sich alleine macht, sondern für andere. Ich habe noch keinen Film dazu gedreht. Wenn es aber einen gäben würde, dann ist es sicherlich eine Geschichte von einer Gruppe, die irgendwo standet auf einer Insel und diese Welt „Mantasy“ entdeckt.


Wenn das Cineastische auf diesem Album im Vordergrund steht: Mit welchen großen Filmmusikern würdest du gerne Mal zusammenarbeiten?

Ich bin ein großer Fan von Filmmusik und sammle auch Filmsoundtracks. Für mich haben Filmsoundtracks ein bisschen die klassische Musik abgelöst. Das ist Musik, die außerhalb dieser strengen Gesetze, die bei E-Musik gelten, auf orchestraler Ebene fantastische Musik herstellt. Ich würde wahnsinnig gerne mit solchen Leute zusammenarbeiten, wobei ich denen vermutlich keine große Hilfe wäre (lacht).

Was war das Anstrengendste für dich an diesem Album?

Die Albumproduktion zerfiel eigentlich in drei Phasen: Die erste war direkt im Januar und Februar. Das war die gigfreie Zeit und das Powerproduzieren. Ideen sammeln und raushauen. Ich habe im Grunde jeden Tag ein neues Stück angefangen. Ich war dann damit sehr glücklich und es ging ans Ausarbeiten bzw. sortieren. Dann kam irgendwann die große Krise. Ich habe dann sechs Wochen lang gar nichts mehr gemacht. Ich habe die Stücke dann erst mal meiner Frau vorgespielt, die Rohversionen der Stücke, die das alles gar nicht so toll fand. Das war dann der Schlag ins Genick (lacht). Daraufhin habe ich sechs Wochen Pause gemacht und gar nicht mehr das Studio betreten. Das war dann auch goldrichtig. Es war mein Fehler ihr die Rohversionen vorzuspielen. Es ging ans Ausarbeiten. Das war das größte Stück der Arbeit. Ich wünsche mir nach wie vor eine Auto-Arrangier-Funktion. Das Abmischen und die ganzen Feinheiten frisst so wahnsinnig viel Zeit.

Weg vom Album, hin zur Immer-Serie: Im vier Jahres-Abstand erschienen nun deine Mixes. Gibt es 2014 den nächsten oder doch schon früher?

Das war jetzt nicht beabsichtigt, dass alle vier Jahre ein neuer Mix rauskommt. Bei "Immer" halte ich es so, dass ich so ein Ding erst angehe, wenn es mir zu fliegt, wenn die Idee im Kopf schon da ist und einfach nur mehr aufgenommen werden muss. Wobei das Genre Mix in den letzten Jahren nahezu vom Markt verschwunden ist durch Podcasts und DJ-Mixes – was ich sehr schade finde, weil ich die Mix-CD als eigenständige Kunstform verstehe. Darauf kann man ganz andere Dinge veranstalten als bei einem Clubset, das man aufnimmt und dann online stellt.

Kompakt hat mit seinen Serien wie Extra, Speicher, Pop und Pop Ambient immer wieder neue Messlatten geschaffen. Gibt es Pläne für neue Serien oder sogar Reissues?

Wir sind eigentlich viel zu sehr mit dem Hier und Jetzt beschäftigt. Nächstes Jahr werden wir uns 20-jähriges Bestehen feiern. 15 Jahre Kompakt und seit 20 Jahren arbeiten wir in dieser Formation zusammen. Da bietet es sich an so eine kleine Anthologie zu präsentieren und dafür in den Keller gucken, welche Leichen dort noch liegen (lacht). Ne. Ich bin gegen das ständige Aufwärmen des Kataloges. Dafür bin ich auch selber zu sehr an neuer Musik interessiert.


Dieses Jahr gibt es auch keine Kompakt Total, weil es die 13. Auflage wäre. Da steckt nicht wirklich Aberglaube dahinter?

(Lacht). Wenn es andere Gründe gäbe, dürfte ich sie nicht verraten! Ne. Das ist nicht nur vorgeschoben. Es ist wirklich so, dass wir ein wenig abergläubisch sind und wir haben eben nächstes Jahr das große Jubiläum anstehen.

Vor cirka fünf Jahren hast du in einem Interview gesagt, dass 2005 das Jahr des Minimal-Techno war. Gibt es 2012 noch dieses eine Genre oder gibt es das Genredenken überhaupt noch für dich?

Für mich auf jeden Fall nicht. Ich genieße momentan nichts mehr, als mich in allen Genres zu suhlen. Es gibt überall interessante Sachen zu entdecken. Es macht für mich auch den Reiz des Auflegens aus da eben Brücken zu schlagen. Es gibt mit Sicherheit so etwas wie den heißen Sound gerade. Das ganze Hot Creations Crosstown Rebels Blase – Funk-infizierte House-Musik. Die nimmt mich persönlich nicht so mit. Manchmal gibt es da schon Interessantes, nur wenn es komprimiert den ganzen Abend läuft, bin ich auch schnell gelangweilt. Sonst ist der große Sound gerade nicht in Sicht. Ich mag solche Zeiten aber auch am liebsten, wenn sich alles mehr durchmischt und nicht alle die gleichen Platten auflegen.

Durch die Erschließung des amerikanischen Markts: Wo wird sich deiner Meinung nach Techno hinentwickeln? Alles nur mehr EDM?

Ich glaube, dass dieser EDM-Hype der da gerade passiert, noch niemand richtig verstanden hat. Da wird wahnsinnig viel durch einander gerührt. In den Staaten ist gerade alles EDM, egal ob Tracks-Platten aus Chicago von vor 30 Jahren oder Skrillex. Es gab gerade im Rolling Stone eine Liste der Top 30 besten EDM-Platten aller Zeiten, wo ich mich mit dem Immer-Mix auch wieder fand. Ich glaube die Amerikaner wissen gerade selber nicht wohin das führt. Die sehen nur, dass die Kids nicht mehr auf HipHop oder R’n’B sind, sondern dass es sich zu einer massiven Szene entwickelt hat, die ein riesiges kommerzielles Phänomen mit sich bringt. Die Leute füllen dort Stadien mittlerweile.

Ich mag die Musik selbst nicht besonders gerne. Das kann man sich ja denken (lacht). Aber ich finde es unter Popaspekten recht interessant, dass eine Musik, die recht nah dran ist an dem was man selbst macht, jetzt so eine Höhenflug erfährt. Das Positive was man daraus ziehen kann ist, dass von den Millionen von Kids, die jetzt gerade auf Skrillex oder Avicii abfahren, zwei Prozent auch was anderes entdecken werden. Die werden Underground Dance Music entdecken und da kommen dann – wie nennt man das – neue Rekruten (lacht).

Du hast vor gemeint, dass du beim Auflegen versuchst Brücken zu schlagen. Wäre dann nicht dein Album nicht für Live prädestiniert?

Uhhhh….ahhh… Das liegt mir fern (lacht). Das ist so wie ein Goldmedaillengewinner im Dressurreiten plötzlich anfängt Motor Cross zu fahren. Ich habe mit dem Auflegen mein Ding gefunden. Das ist meine große Leidenschaft. Bei jedem Gig die gleichen zehn Tracks zu spielen interessiert mich nicht. Ich habe das mit Supermayer ein bisschen ausprobiert. Da hatten wir ein paar Live-Auftritte. Aber ich habe es sein lassen.

Wann spielst du das nächste Mal in Wien?

Gute Frage. Was ist mit meinem traditionellen Flextermin eigentlich passiert?

Da müssen wir mal mit Rudi (Crazy Sonic) reden.

Ja. Das sollten wir. Das war eigentlich immer so Ende des Sommers. Seltsam. Bei mir geht es momentan terminmäßig etwas drunter und drüber, weil ich viel mit dem Album zu tun habe, es zu promoten und die Remixe zu kuratieren. Das sind einfach Sachen die viel Zeit in Anspruch nehmen. Ich spiele momentan nicht ganz so viel dieses Jahr im Vergleich zu den Vorherigen. Im Herbst kommt dann die große Releasetour. Vielleicht bekomme ich ja da ein Date!

Das würde mich sehr freuen. Vielen Dank für das Interview.

"Mantasy" von Michael Mayer erscheint am 19. Oktober via Kompakt. Den Track "Good Times" gibt es hier in der Smartphone-Version.

Nach Abnahme des Interview wurde uns von Crazy Sonic bestätigt, dass Michael Mayer am 12. Februar 2013 im Flex auftreten wird.

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