Emika im Chemical Fever

Düstere Harmonien von Basswellen umgarnt, verziert mit der eigenen Stimme … Auf diesen Grundpfeilern vereint Emika gekonnt Bassmusik mit Pop und trimmt sich selbst Richtung Perfektion. Über ihr Tun und Schaffen hat sie sich mit uns im Interview unterhalten.

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Wir fassen kurz zusammen: Tschechische Wurzeln, in England aufgewachsen, Klavier- und Kompositionsunterricht erhalten, als Kellnerin gejobt um sich ein Mac Book zu kaufen und eine Kopie von Logic, in Bristol die Veränderung des Sounds von D’n’B zu Dubstep miterlebt, in Bath "Creative Music Technology" studiert, Praktikum bei Ninja Tune gemacht, nach Berlin gezogen, für Native Instruments gearbeitet, gekündigt, Album bei Ninja Tune veröffentlicht. Punkt. Emike lebte bisher ein Leben für die Musik durch Musik und umgekehrt. Was genau hinter dieser Liebe und dem Schaffensdrang steckt hat Johannes Piller im Interview erfragt.

Spielst du zum ersten Mal in Österreich?

Ja. Es ist das erste Mal, dass ich in Österreich ein Konzert spiele.

Hast du besondere Erwartungen an das Donaufestival?

Ich habe eigentlich nie irgendwelche besonderen Erwartungen. Ich bin ein wenig aufgeregt und freue mich darauf einen weiteren Teil der Welt zu entdecken, in dem Leute meine Musik hören wollen. Das finde ich an neuen Bookings immer spannend. Da ich das Reisen liebe, kommt mir mein Job sehr zu Gute. Eine gute Freundin von mir lebt in der Umgebung von Wien, habe sie schon einige Mal besucht. Die Schwingungen der Stadt gefallen mir sehr.

Du hast vor einiger Zeit deinen regulären Job bei Native Instruments aufgegeben. Verfolgst du nun das Musikmachen wie einen normalen Beruf?

Ich arbeite von zu Hause aus. Das habe ich schon immer so gemacht. Im Grunde genommen arbeite ich die ganze Zeit, weil es so viele unterschiedliche Bereiche und Aufgaben gibt. Ich sitze nicht nur am Piano oder nehme auf. Wenn ich an Songs schreibe, Bücher lese oder neue Platten höre, aber auch fade technische Details wie Sounds mischen oder neue Stücke proben … all das ist ein Teil davon, dafür kann ich mir die Zeit frei einteilen.

Wenn ich gerade keine großartigen Einfälle habe für neue Lyrics, schraube ich an einer neuen Bassline oder gehe hinaus und nehme Sounds auf. Das ist für mich extrem wichtig. Deswegen habe ich keinen Job, der meine Energie in Anspruch nimmt. Für sich zu arbeiten und kreativ zu sein zu jeder Tages- und Nachtzeit, wenn einem die besten Ideen kommen, ist das Schönste für mich. Ein regulärer Terminplan macht mich ehrlich gesagt nervös. Es funktioniert für mich auch nicht sich hinzusetzen und einen Song in zwei Stunden fertig zu machen. Ich gehöre zu der Sorte von Menschen, die mit ihrer Musik leben müssen, die sich ihre Musik am Tag darauf und eine Woche später wieder und wieder anhören und anderen Leuten vorspielen. Ich bin dabei sehr diszipliniert. Ich arbeite die ganze Zeit und wenn ich mich wohl fühle, dann mache ich auch gute Musik für die Menschen.

Gibt es Momente in denen du aufhören kannst an Musik zu denken?

Nein. Niemals. (lacht)

Würdest du dich dann als Workaholic beschreiben?

Nein. Das auch nicht. Ich liebe einfach was ich tue. Die Welt hat sich für mich geöffnet, in der Hinsicht, dass ich jedes Wochenende wo anders hinreise und neue Menschen kennenlerne, mit ihnen rede und dadurch so viele neue Ideen entstehen. Ich bin eine Künstlerin, die bekannt genug ist um zu reisen und sich dadurch ihr Leben zu finanzieren. Das nehme ich ernst und es ist für mich sehr wichtig meinen Beitrag in dieser Kultur zu leisten. Ich muss nicht Leben und Arbeit trennen und darüber bin ich sehr froh.

Du hast für die Ostgut Ton “Fünf“ Compilation eine eigene Sound-Bibliothek aufgenommen. Wie wichtig ist es dir bei deiner eigenen Musik mit Field Recordings zu arbeiten?


Die Sound-Bibliothek entstand nachdem ich mit Nick Höppner darüber geredet habe und er von der Idee total angetan war. Nach den ersten Aufnahmen war ich selbst gar nicht mehr so davon überzeugt und ich dachte mir: "Was habe ich mir da bloß angetan." (lacht) Im Endeffekt kamen dann vier Gigabyte Sounds dabei heraus. Das Meiste davon waren perkussive Elemente. Ich saß auch wirklich lange daran, mir das gesamte Material anzuhören und für die Produzenten aufzubereiten. Mir persönlich geht es in meinen Songs weniger darum einen speziellen Sound aufzugreifen. Viel wichtiger ist es mir Emotionen rüber zu bringen …, dass die Hörer dasselbe empfinden wie ich, als ich den Song geschrieben habe.

Was werden deine nächsten Releases sein?

Ich veröffentliche eine neue Single. Der Song "Chemical Fever" war fertig, doch das Label wollte ihn zunächst nicht auf meinem Album haben. Die Leute aus meinem Umfeld, die Profis im Musikbusiness sind, haben dieses Stück Musik nicht verstanden. Aber ich dachte mir "scheiß drauf", habe den Song auf der Nordamerkika-Tour mit Amon Tobin gespielt, auch in Moskau, und überall, wo ich Auftritte in Europa hatte. Das war in einem Zeitrahmen von ungefähr sieben Monaten. Es war immer dieser eine Song, nach dem mich die Leute nach der Show gefragt haben und genau zu diesem Song ist das Publikum jedes Mal ausgerastet.

Mit dieser Erfahrung bin ich erneut zu Ninja Tune gegangen. Das ist der erste Release in meinem Leben, bei dem ich nicht hoffen brauche, dass die Menschen ihn mögen. Ich weiß es schon. Und das ist wirklich cool. Ich bin auch ziemlich aufgeregt, weil keine Radiostation "Chemical Fever" spielen wird. DJs werden ihn ebenfalls nicht spielen, weil sie ihn nicht beatmatchen können. Es ist nicht einer dieser elektronischen Songs, auf den die Auskenner sofort hineinkippen. Es ist Tanzmusik, aber auch nicht zur Gänze. Ich weiß selbst nicht genau, was es ist und habe es selbst auch noch nicht verstanden. Aber es ist ein so großer Schritt nach vorn für mich, weil das ist es wie sich Unabhängigkeit und Eigenständigkeit anfühlt.

Viel der Musik ist oft arrangiert für das Radio, für das Fernsehen, für DJs und für Vinyl. Und viel Musik ist gemischt für MP3s. Dieser ganze Bullshit verändert das Gefühl für Musik.

Ich arbeite gerade an meinem zweiten Album. Ich kämpfe und rackere jeden Tag mit der Technik. Das geht so weit, dass ich mein Equipment am liebsten aus dem Fenster werfen will. Genauso gibt es Momente in denen ich am liebsten zum Hörer greifen und Ninja Tune sagen würde: “Ich schaffe das nicht. Sucht mir einen Produzenten. Ich bekomme das alleine nicht auf die Reihe!“ (lacht)

Ich habe massive Wutanfälle in meinem Schlafzimmer und fühle mich wie ein zu großes Kind. Dann geht der Tag zu Ende und es passiert etwas, was ich nicht erwartet hätte – und plötzlich klingt es fantastisch. Es gibt Parts, die sind ein wenig zu laut und die mehr Kompression vertragen oder sauberer hätten aufgenommen werden können in einem besseren Studio bla bla bla. Aber es muss nicht auf diese Art und Weise sein. Ich bin pleite und habe kein Geld, das Musikbusiness zerfällt la la la. Das ist in Wirklichkeit ein Geschenk. Ich habe so viel günstiges Equipment, das ich mir einfach auch leisten konnte. Somit kann ich das verdammt Beste aus nichts machen. (lacht)

Ich habe keine Band, keine massiven Juno-Synths. Ich habe ein billiges Piano, das verstimmt ist, weil ich mir kein gestimmtes Piano leisten kann. Das ist das Fantastische daran: Ich kann ein Album machen ohne große Produktionskosten. So sieht momentan mein Leben aus. Ahja. Vor zwei Wochen habe ich in Prag ein Ensemble bestehend aus 28 Streichern für zwei Stücke aufgenommen die als erste Single des Albums erscheinen wird. Ich freue mich schon sehr darauf das Material zu bearbeiten.

Emika hat am 03. Mai im Rahmen des Donaufestival in Krems gespielt.

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