Ein schwarzes Einhorn kommt in die Stadt

Dillon macht für drei Shows in Österreich Halt und hat einen Chor dabei. Wir haben sie vorab zum Interview getroffen und über Abgründe, aber auch über Tulpen, die Farbe Pink, und das neue Album gesprochen.

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Ihre Fans sind ihrer Magie verfallen. Erwähnt man ihren Namen, beginnen Augen zu glänzen. Kaum jemand spannt den Bogen zwischen Stärke und Zartheit so gut wie Dillon, deren bisherige Alben beim Berliner Techno-Label Bpitch Control erschienen. Dillons Stil ist aber nicht so leicht einzuordnen: Die gebürtige Brasilianerin nimmt sich aus elektronischen Ecken was sie braucht, um Stimme und Piano mit düsteren, manchmal befremdlichen Klangstrukturen zu einem sehr spezifischen Ganzen zusammenzubringen. Das fühlt sich dann in etwa so an, als ob einem der Herzmuskel mit Sandpapier gestreichelt wird. Das dritte Album kommt bald, und es wird vor allem inhaltlich in eine neue Richtung gehen. Weil: Trübsal? „I am so over it“, sagt Dillon beim (schwarzen) Kaffee – und es wirkt fast, als hätte sie die Dunkelheit gegen eine rosarote Brille getauscht.

Wie war der Tour-Auftakt?

Schön war’s, am Dienstag in Berlin war das ja quasi ein Heimspiel.

Auf deinem gerade erschienenen Live-Album hast du einen Chor dabei und trittst auch weiterhin in dieser Konstellation auf. Wie fühlt es sich an?

Genau, letztes Jahr wurde ich vom Foreign Affairs Festival in Berlin gefragt, ob ich für ein Konzert nicht etwas Besonderes machen möchte. Und dann hab ich mir ausgedacht mit einem Chor zu spielen. Ich wollte das unbedingt aufnehmen, weil das Haus der Berliner Festspiele wo das Ganze stattgefunden hat, ein wahnsinnig tolles Gebäude ist. Es wurde also gefilmt, und als ich es gesehen habe, wollte ich es eigentlich auch als Album veröffentlichen. Es sind wie gewohnt Tamer Fahri (Anm.: Tamer Fahri Özgönenc, Dillons Co-Produzent) und ich, dazu kommen noch um die sechzehn Sängerinnen und ein Chorleiter oder eine -leiterin. Es fühlt sich total selbstverständlich an, um ehrlich zu sein.

Ist es schwierig, da alles zu koordinieren, bleibt da noch genügend Raum für Spontaneität?

Das einzige was improvisiert ist, ist meine Stimme, oder mein versehentliches Verspielen. Dafür gibt’s immer Platz, ja.

Das nächste Album ist für 2017 angekündigt. Wo stehst du gerade im Schaffensprozess?

Es geht super voran und ich würd es gerne bis Ende des Jahres fertig produziert haben. Tamer Fahri ist wieder dabei, und dann noch einige weitere, neue Leute.

Wird das kommende eine Fortsetzung der ersten Alben, oder wird es eher aus der Reihe tanzen?

Als wir für „This Silence Kills“ (2011) im Studio waren, haben wir die letzten Songs schon ganz anders produziert, komponiert. Da war klar, dass die schon zu etwas Neuem gehören, zu „The Unknown“ (2014). Das Live-Album war jetzt das Zusammenkommen der zwei, und für mich persönlich heißt es wirklich „This Silence Kills The Unknown". Aber jetzt kommt was Neues. Das neue Album wird ein Liebesalbum.

Schön! Das heißt wohl, es geht dir gut?

Gott sei Dank, ja sehr!

Du wirkst sehr gefestigt in dem, was du machst. Wann war der Punkt erreicht, an dem du dich künstlerisch gefunden hast?

Ja, oder so verloren, dass es nichts anderes gibt (lacht). Für mich ist alles sehr selbstverständlich, aber es ist natürlich Ansichtssache. Das zweite Album zu machen war für mich eine absolute Tortur. Es zu schreiben und damit aufzutreten auch. Es war eine emotionale Hölle, aus der ich aber wieder raus bin. Ich wollte damals schon ein Liebesalbum schreiben, aber es kam halt nie. Bis ich gemerkt habe, dass das, was ich fühle, absolut nichts mit Liebe zu tun hat. Also musste ich einmal in den Abgrund von mir selbst schauen. Es musste also minimalistisch und geerdet sein, damit diese Öffnung passieren kann. Und obwohl ich zufrieden bin, finde ich es auch anstrengend anzuhören. Ich will niemals wieder in der Lage sein, so etwas schreiben zu können oder zu müssen. Ich stehe jetzt ganz anders da. Es hat sich was verschoben und verändert. Zustände kommen und gehen. Ich hab jedenfalls einen anderen Zugang zu mir selbst finden können. Vielleicht denkst du dir beim neuen Album auch „Oh my God, she lost it!“ (lacht). Ich muss da nicht mehr unbedingt durchgehen in Zukunft, und bin auch mal froh aufzuwachen, und zum Beispiel zu entscheiden, heute schreibe ich über Tulpen.

Klingt gut! Dein Sound, dein Spannungsfeld zwischen analogen und digitalen Elementen, bleibt trotzdem bestehen?

Mit Sicherheit. Das ist auch, was mich am meisten interessiert: Singen ist nur eine körperliche Erfahrung, ich fühle es und kann da nicht viel beeinflussen. Aber wenn ich was programmiere und mir mit den anderen gemeinsam etwas überlege, ist der Prozess sehr technisch, dann ist das alles eine ganz bewusste Entscheidung. Das Zusammenleben von Analog und Digital, Echt und Nicht-Echt, ist das, was mich am meisten interessiert. Das wird immer so bleiben.

Kannst du privat Musik hören, wenn du produzierst?

Ja, tatsächlich hör ich jede Menge. Nur lesen geht nicht, wenn ich schreibe. In den letzten Monaten hab ich mich komplett durch Madonnas Diskografie gearbeitet. Ich hör gerne Alben, und Lebenswerke.

Ist es dir selbst wichtig, ein kohärentes Werk zu schaffen?

Ich habe schon von Anfang an eine Idee oder ein Gefühl im Kopf, mit jedem Schritt kommt irgendwie alles zusammen. Ich fang irgendwo an und hab nach und nach eine Richtung. Die Farben, die ins Artwork fließen, zum Beispiel. Zur Zeit hab ich Pink vor Augen.

Yeah! Wow.

Ja, dacht ich auch. Ich liebe Pink schon immer, aber es ist eine Entscheidung, mich jetzt damit auseinanderzusetzen.

Erzähle was über die kreativen Leute um dich herum. Seid ihr ein Kollektiv, arbeitet ihr Ideen gemeinsam aus?

Genau. Siggi Eggertson hat das Artwork der Alben für mich gestaltet und ich habe die Fotos gemacht. Er hat mir die Typografie des ersten Albums zum Geburtstag geschenkt, eines der besten Geschenke jemals. Dann gibt es noch andere Leute, dir mir nahe stehen, und mitarbeiten. Es gibt jemanden für den Ton, jemanden für das Licht, und ja, ich würde sagen, wir sind ein kleines Kollektiv. Eine gute Zusammenarbeit sollte nicht unterbrochen werden, außer man verliebt sich, und muss wegziehen.

Apropos weggehen: Ist Berlin deine Heimat? Willst du dort bleiben?

Ich will nicht mehr in Berlin bleiben, nein, und bin in meinem Kopf schon woanders. Aber wo, ist noch geheim. Alle meine Leute wohnen verstreut, und es macht eigentlich nichts. Ich hab keine Angst davor, weg zu gehen. Ich finde es eigentlich befreiend. Länder-, Sprach- oder andere Grenzen – sexual preferences oder sonst was – gibt es bei uns nicht. Eine Heimat habe ich nicht. Ein Zuhause schon, das ist ein Gefühl.

Wo bist fühlst du dich wohler? In der Stadt oder der Natur?

Ich war als Kind jedes Jahr in Tirol. Wir waren immer Schifahren in den Bergen, aber Plattenbauten liebe ich genauso, ich kann mich mit allem arrangieren. Jetzt mag ich es eher, wo es warm ist. Das ist auch besser fürs Gemüt. Wie Zugvögel, immer mit der Sonne mit. Trübsal, weißt du – I am over it. Da genügt es schon, den Fernseher einzuschalten, da brauch ich dann nicht auch noch Kälte dazu. Ich muss mich davon manchmal abkapseln.

Was passiert bei dir unmittelbar vorm Auftritt?

Ich habe meistens so eine Stunde, die verbringen nur wir zusammen, und oft mit Popmusik.In den letzten zwei Jahren hab ich eine Nervosität entwickelt, die hatte ich früher gar nicht. Es ist schrecklich. Ich zittere und habe Herzrasen – es ist wie hardcore Verliebtsein mit Panik. Ich kann nichts machen, aber wenn ich auf die Bühne gehe, löst es sich meistens auf. Es ist okay.

Ich freue mich schon sehr auf die Show, Danke!

Danke dir! Ich freue mich auch.

Dillon kommt am 4.10. nach Salzburg, Rockhouse, am 5.10. nach Linz, Posthof, und am 6.10. ins WUK nach Wien.

Bild(er) © BPitch Control
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