Ein Experiment ist es nur, wenn man nicht weiß, was rauskommt

Eine Band The Twentieth Century zu nennen, klingt erstmal anachronistisch. Das Verhältnis zu Zeit und Zeitgeistigkeit, das ihrer Musik eingeschrieben ist, lässt sich aber besser als Achronismus beschreiben.

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Ambient war nie wirklich „da“, deswegen war es wohl auch nie wirklich weg. Das liegt wohl auch daran, dass der Begriff immer schwammig genug blieb und zu jeder Zeit Musik damit gelabelt werden konnte: Zu Beginn Brian Enos „Music for Airports“, in den 90ern Bands wie Labradford, Stars of the Lid oder auch Sunn O))), in den frühen 2000ern die B-Seiten der Kompakt-Singles. Aktuell scheint sich da wieder ein bisschen mehr zu tun und Acts wie Christina Vantzou oder A Winged Victory for the Sullen bauen in gefeierten Live-Gigs an ihren analogen Klangwelten, letztere sogar beim Primavera 2014.

Hierzulande servieren The Twentieth Century einen „Cocktail aus Ambient, Klangcollage und elektroakustischer Improvisation“, sagt der Pressetext. Mit Drinks mit Schirmchen-Musik hat das allerdings wenig zu tun, eher etwas für Afficionados und Connaisseur_innen ausgefallener Klangwelten. Warum, entgegen gängiger Vorurteile, Ambient-Hören aufregend sein kann, ist schwierig zu erklären. Noch schwieriger vielleicht, warum man das selber spielen möchte. Cellist Lukas Lauermann, der gemeinsam mit Pieter Gabriel The Twentieth Century bildet, hat es uns zu Liebe dennoch versucht.

Wie kommt man auf die Idee gerade Ambient zu machen? Vielleicht kannst du das Projekt kurz vorstellen.

The Twentieth Century sind Pieter Gabriel an E-Gitarre, FX und Sampler und ich am Cello und FX. Im Zuge der Aufnahmen für Pieters Soloprojekt ‚Sleep Sleep‘, das ich jeder und jedem nur ans Herz legen kann, haben wir uns besser kennengelernt und uns immer wieder mal getroffen.

Pieter hat sich schon viel länger mit Ambient beschäftigt als ich. Vor ein bisschen mehr als einem Jahr hatten wird dann die Idee, dass wir zusammen etwas in dieser Richtung aufnehmen könnten. Wir haben uns zweimal im Proberaum zusammengesetzt und dann haben wir Stefan Deisenberger gefragt ob er sein Equipment in der Autolackiererei von Pieters Stiefvater aufbauen und unsere Musik aufnehmen würde. Zwei Tage später gab es ein Stück in Albumlänge. Sehr spontan das alles. Dass Michaela Schwentner von mosz records unsere Musik unbedingt und schnell veröffentlichen wollte hat diese Spontanität dann glücklicherweise auf einer weiteren Ebene fort- und zum Release unseres Debutalbums vergangenen Mai geführt.

Das Adjektiv „experimentell“ würdest du aber nicht für das Projekt reklamieren wollen?

Mit diesem Begriff kann ich zunehmend nichts mehr anfangen. Da wird gerne alles hineingesteckt was einen gewissen Grad an Aufmerksamkeit beim Zuhören verlangt. Ich denke bei den meisten Projekten handelt es sich nicht um ein Experiment. Zumindest ist unsere Musik kein Versuch, wir wollen auch nichts beweisen. Wir wissen und wussten wie sie klingen soll und was es dazu braucht. In diesem Punkt haben wir uns unter Kontrolle.

Was fasziniert euch selbst daran?

Die große Zurückhaltung die es braucht um dem Prozess, den man jedes Mal aufs Neue mit dem ersten Ton in Gang setzt, nicht in die Quere zu kommen. Das Agieren in einer ganz anderen zeitlichen Dimension als es z.B. das Format ‚Song‘ erfordert. Die inhaltliche, emotionale Vorstellung mit der wir ein Konzert spielen, die von jeder und jedem Einzelnen im Publikum verschiedenartig wahrgenommen werden kann und nie verstanden werden muss. Und gleichzeitig, wie schnell diese mitgebrachte Vorstellung von tieferliegenden Emotionen und unmittelbaren Stimmungen über den Haufen geworfen werden kann, gibt man sich dem Klang, aufgehoben in dem vorhandenen Grundkonzept, vollkommen hin.

Das heißt Teile der Musik sind improvisiert?

Es gibt einen Rahmen der nur eine gewisse Form, ein ausgemachtes Verdichten, ein wieder Reduzieren, ein harmonisches Gerüst vorgibt. Abhängig von Tagesverfassung und gegenwärtigen Eindrücken, gestaltet man ein und dieselbe ‚Stelle‘ in diesem Rahmen immer unterschiedlich. So wird der erste Teil manchmal einfach nur groß und mächtig, überwältigend, manchmal aber sehr aggressiv, ständig an der Grenze dazu außer Kontrolle zu geraten und voller Reibungspunkte. Oder der Schlussabschnitt einmal tief traurig, resignierend, und ein andermal sehnsuchtsvoll, positiv strebend. Es ist eine sehr subtile Art des Musizierens obwohl die Musik so weitflächig angelegt ist.

Wie geht man mit dem Thema Improvisation bei der Aufnahme um?

Wie schon erwähnt gibt es einen formalen Rahmen, im Fall unserer Aufnahme einen dreiteiligen, und innerhalb dieser Teile eine Absprache über das klangliche Material das wir verwenden. Außerdem eine Struktur die sich auf die Dichte der Schichtungen bezieht bzw. im dritten Teil eine konkrete Tonfolge am Cello, auf der alles Weitere aufbaut. Komposition und Improvisation halten sich hier die Waage.

Weiter zu erweiterten Spielweisen am Cello, Wiener Avantgarde und Vierteltönen.

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