Durch den Rost gefallen

Mit dunklen Pfeifen bläst Anna von Hausswolff Lieder von Toten. Oft klingt das überwältigend. Warum aber trägt sie ein Burzum-T-Shirt?

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Es ist immer ein bisschen schade, wenn ein ziemlich hervorragendes Album vom Drumherum erschlagen wird. Aber die Geschichte ist zu gut, um sie nicht gleich am Anfang zu erzählen: Es könnte an einem kleinen Vaterkomplex liegen. Denn Anna von Hausswolff ist die Tochter des Künstlers und Komponisten Carl Michael von Hausswolff. Der war bisher nicht nur auf den wichtigsten Kunstausstellungen dieser Welt zu Gast, sondern musste Ende letzten Jahres ein Bild aus einer Ausstellung zurückziehen, weil es mit der Asche gemalt war, die er zuvor in einem polnischen Nazi-Vernichtungslager gesammelt hatte. Das schwedische Simon Wiesenthal-Zentrum nannte es abscheulich und schändlich. Einen Monat später zieht die Tochter für ein Fotoshooting ein Burzum-T-Shirt an – und Burzum-T-Shirts würde man ja bekanntlich niemals guten Gewissens irgendwo in Israel anziehen. Denn Burzum-Sänger Varg Vikernes ist außer ein verurteilter Mörder auch noch bekennender Rassist, Kirchenanzünder und Antisemit. Wer könnte sich allerdings vorstellen, dass dieses süß lächelnde Mädchen hier ihren Vater mit dem Foto weiter in die Scheiße reiten wollte? Wer würde ihr andererseits so ein Album zutrauen?

Nietzsche am Totenbett

»Ceremony« wurde erstmals bereits vor ihrem Burzum-Gate veröffentlicht. Darauf blasen einem Totenlieder und Vergänglichkeit in allen Orgelregistern um die Ohren. Über zehn Minuten lang lässt sich die 26-Jährige Zeit, bis sie nach schwerem Grollen zum ersten Mal singt. Der Rest ist nicht unbedingt niederschwelliger. „Mountains Crave“ klingt sogar nach Pop, existenziellem Pop, obwohl außer der Orgel wenig mehr als etwas Schlagzeug und sparsame Gitarrenakkorde eingesetzt werden. Der Text selbst – eine Art nietzscheanische Meditation über das Ende der Zeit und der Liebe. Die Orgel prägt den kolossalen Klang des Albums, aber sie erdrückt es nicht. Sie lässt sie manchmal im Hintergrund verschwinden hinter dem Grummeln von Trommeln oder verhallten Gitarren, wenn es der Song verlangt. Ihre metaphysischen Obertöne kommen Anna von Hausswolff dabei durchaus entgegen, insbesondere, wenn man sich die Texte von Liedern wie „Deathbed“, „Liturgy Of Light“ oder „Funeral For My Future Children“ etwas genauer ansieht, Tod, Tod, Tod. Auf „Sova“ entsteht um Orgel-Akkordzerlegungen ein echter Song, nur mit ihrer Stimme, Klackerei, einer schrottigen Gitarre und dumpfen Paukenschlägen. „No Body“ dröhnt wie ein Elch, den man durch eine riesige, unterirdische Fabrik treibt.

Anna von Hausswolff wurde früher schon mit Kate Bush, Joanna Newsom oder Soap & Skin verglichen. Wie diese schafft sie mit ihrem Album, das nun über die größeren Labels City Slang und Universal mit neuem Anlauf noch einmal nach Mitteleuropa kommt, etwas sehr Seltenes. So hat man das noch nie gehört. Wuchtigen, ja abstoßenden Existenzialismus, manchmal langatmig, manchmal zu ätherisch, manchmal geschmacklos, aber oft überwältigend. Das möchte man auch live erleben. Notfalls mit Anna von Hausswolff im Burzum-T-Shirt.

www.annavonhausswolff.com/

»Ceremony« erscheint am 14. Juni via City Slang

Videos der Aufnahmesessions von »Ceremony« in der Annedal Kirche in Göteborg / Schweden.

Bild(er) © Anders Nydam/City Slang, Anna von Hausswolff
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