Die ganze Welt im "Wauld"

Man kann weit reisen, um seine Heroes live zu sehen. Oder man holt sie sich ins eigene Dorf. Das hat Alfred Vogel getan – und veranstaltet seit 9 Jahren erfolgreich die Bezau Beatz.

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Den Vorarlbergern wird nachgesagt, sie hätten Weitblick. Das liege am 3-Länder-Eck und weil man dort nicht anders könne, als in die Schweiz oder nach Deutschland zu schauen. Alfred Vogels Perspektive – so heißt übrigens auch seine Compilation – reicht noch ein Stückchen weiter. Zu den Bezau Beatz lädt er Musiker aus aller Welt in den hinteren Bregenzerwald. Wie das klingt, haben wir uns vorab erzählen lassen.

Bezau hat 2000 Einwohner, ganz viel Wald (mehr als ein 1/3 der Gemeinde), den Endbahnhof des ehemaligen Wälderbähnles und die Bezau Beatz. Was macht Bezau besser als Berlin?

Alfred Vogel: Ganz einfach: hier lebe ich mit meiner Familie. Der Bregenzerwald ist eine unheimlich privilegierte Region. Hier treffen ein starkes traditionelles Bewusstsein als auch ein Vorwärtsdenken aufeinander und diese beiden Kräfte bewirken in vielen sozialen wie kulturellen Dingen ein durchaus förderliches Klima. Als ich vor 17 Jahren hierher zog war in Sachen Musik und speziell improvisierter Musik nicht so viel los. Das Internet und dessen Entwicklung haben mir letztlich sehr geholfen, über alte Kontakte und die Möglichkeiten vor Ort ein Netzwerk aufzubauen, das ständig wächst. Die Musiker, die hierher kommen, sind total begeistert von der Gegend und dem Festival. Den Rest tut das gute Essen, die frische Luft, die Umgebung. Und klar, die Nähe zu Plätzen wie Zürich und München ist natürlich nicht zu unterschätzen.

Du selbst bist im Modern Jazz und improvisierter Musik daheim, willst das Line-Up des Bezau Beatz aber in keiner Schublade abstellen. Die Süddeutsche bezeichnet Bezau als temporären Mittelpunkt eines ganzen Musikkosmos – das muss man sich erst einmal verdienen…

Die BB sind ein sehr breit aufgestelltes Musikfestival, das vom Publikum nur eines verlangt: die Freude am Entdecken. Ich programmiere so, wie ich gerne selber Musik höre: nicht Genre-bezogen, sondern Musik mit Tiefgang, Abwechslung und Attitüde. Musik, die dich auf einer emotionalen und auch intellektuellen Ebene abholen kann und darüber hinaus auch wunderbar unterhaltsam ist. Seit ich die ursprüngliche Konzertreihe auf ein Festival-Wochenende komprimiert habe, lässt sich dieser Bogen hervorragend spannen: Die Leute schätzen die Kontraste an einem Abend mittlerweile sehr. Die begnadete britische Soul-Sängerin Julia Biel eröffnete letztes Jahr zum Beispiel vor den Sons of Kemet, ein rhythmisches Hexengebräu mit Dancefloor Qualitäten aus London – das funktionierte hervorragend!

2016 starten Male Instrumenty aus Polen, gefolgt von den Indiefolkern Yellow Bird und dem Gewinner des Neuen Deutschen Jazzpreises, Oliver Steidle. Was sind deine Highlights – nicht nur als Veranstalter, sondern auch als Musiker?

Das ganze Festival ist ein Highlight für mich! Mit dem genialen Singer/Songwriter Tony Scherr aus New York und der begnadeten Trixie Whitley oder etwa den verrückten The Thing aus Skandinavien habe ich heuer gleich 3 Acts, die mich selber schon seit Jahren inspirieren und hinter denen ich auch schon sehr lange her bin.

Prinzipiell waren und werden hier nur Acts spielen, die ich selber gerne hören möchte. Music is the healing power of the universe! Das ist mein Glaube. Mein Label Boomslang Records steht für eine ähnliche Musik wie meine Programmation. Es hat sich alles aus einer Not heraus entwickelt, vor allem, um eigene Produktionen zu veröffentlichen, ohne zu viel in überaltete Infrastrukturen und Geldvernichtungsmaschinen zu stecken. Mittlerweile macht plötzlich alles Sinn: Wenn Bands wie Amok Amor auf den Bezau Beatz quasi gegründet werden und dann erfolgreich durchstarten. Mit Tony Scherr habe ich heuer sicherlich einen meiner persönlichen Heroes am Start. Und ich werde irgendwann auch wieder mit einer eigenen Band auftreten, aber das soll nicht zur Regelmäßigkeit werden.

Ihr seid seit drei Jahren in einer neuen alten Location, der Remise des Bregenzer Wälderbähnles. Wieso der Umzug?

Der Dorfplatz war für die Konzertreihe atmosphärisch bestens geeignet, aber die Infrastruktur (vor allem bei unbeständigem Wetter) war für mich nie zufriedenstellend. Mit der Remise sind wir jetzt sehr glücklich – das ist eine absolute Ausnahme-Location mit der Dampflok, den Garagen-Toren (die eine Art Semi-Open-Air-Struktur ermöglichen) und überhaupt dem Bahnhofsgelände: Da steht die Zeit still. Es ist ein sehr präsenter Ort.

Der Bezau Beatz-Timetable liest sich abenteuerlich. Eine Lok als Livestage?

Am Freitagabend gibt es die alljährliche DJ-Fahrt mit YnnY vor dem Hauptabendprogramm. Das hat sich zum Kult entwickelt: Unterm Stichwort "Heb de fescht am Bönkle" rappelts im Wagon! Los geht es nach Andelsbuch und retour, begleitet von coolen Elektro-Soul-Hiphop-Klängen, ein kühles Blondes in der Hand und die Nase im Fahrtwind – der ideale Auftakt zu einem aufregenden Abend. Seit 2015 bieten wir auch ein Rahmenprogramm an: am Freitag und Samstag gibt es untertags Konzerte auf einer Alpvorsäß-Hütte in Schönebach, im Panorama-Restaurant auf Baumgarten (1650m) und heuer dann auch in dem schönen Rüttinger Kirchele. Die Leute, die extra für die Bezau Beatz hier urlauben, schätzen es sehr, dass sie auch während des Tages schon ein kleines musikalisches Ausflugsziel anvisieren können.

Apropos urlauben, 2013 habt ihr vom Land Vorarlberg den Award für Tourismus-Innovationen in der Kategorie "kulturtouristisches Angebot" bekommen. Will man als Veranstalter Touris ansprechen?

Natürlich freut es mich sehr, wenn z.B. in Der Welt steht, dass sich Bezau zu einem Zentrum für zeitgenössische Musik entwickelt oder etwa die Süddeutsche schrieb, dass Bezau locker mit New York oder Berlin mithalten könne, wenn es um improvisierte Musik geht. Aber noch mehr freuen mich die Besucher, eigentlich egal, woher sie kommen. Dass sich mittlerweile auch Leute aus Belgien oder Frankreich und Italien unter das Publikum mischen, kann langfristig nur positiv auf unser Format wirken.

Und wie verhält sich das mit den Wäldern?

Mit den Bregenzerwäldern ist es so, dass ein paar schon seit Anfang an dabei waren und andere kommen ständig dazu – manchmal braucht Gut Ding eben Weile. Skeptisch sind die Leute hier per se, aber viele haben auch ein echt gutes Gefühl für Authentizität. Die merken schon, ob ihnen was vorgemacht wird oder eben nicht, und schätzen das dann auch dementsprechend. Unsere Tore sind allen offen!

Warm-up Veranstaltungen wie Jazz&Curry oder Jazzspätzle begleiten die BB – ein Kontaminat aus Kulinarik und Konzert?

Ohne gutes Essen geht hier im Wauld gar nix! Heuer haben wir das Catering an den aufsteigenden Gastronomen Emanuel Moosbrugger und seine Wilden Weiber vom Schwanen Bizau vergeben. Dieses Team steht für eine gesunde, leckere und aufgeklärte Küche und bekocht die Besucher vor, während und zwischen den Konzerten. Das läuft hier alles Hand in Hand: der Gaumen wird gekitzelt, die Ohren betört und die Szenerie sorgt fürs Auge! Ein Sinn-volles Erlebnis: Musik für Hirn, Herz und Bauch.

Gibt es sonst noch was, das du loswerden möchtest?

Ne, genug geredet.

Die Bezau Beatz werden von Alfred Vogel und dem Wirtschafts- & Tourismusverein witus veranstaltet. Die nächsten Bezau Beatz finden von 11.8. – 13.8. 2016 statt.

Mehr Infos und Tickets gibt’s hier:

BEZAUBEATZ Highlights 2015 from Alfred Vogel on Vimeo.

Bild(er) © Lukas Hämmerle, Laerke + Posselt
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