Die blauen Brüder und der „Neustadtpunk“

In Wiener Neustadt machen künftig die Freiheitlichen Jugend-Politik. Das wird spannend.

Aus rechtlichen Gründen werden Artikel aus unserem Archiv zum Teil ohne Bilder angezeigt.

Wer in Wiener Neustadt auf die Zahlen blickt, wähnt sich in einem Schwellenland. Und damit ist ausnahmsweise nicht die Schuldenlast gemeint, deretwegen Anfang des Jahres der rote Bürgermeister gestürzt ward, eine rote Bastion gefallen ist und nun eine schwarze-blaue Stadtregierung übernehmen durfte. Nein, Neustadt ist nicht nur der größte niederösterreichische Ballungsraum, sondern vor allem auch – was die Bevölkerung betrifft – un-glaub-lich jung. Zählt man die Studierenden der Fachhochschule hinzu, dann kommen auf eine Einwohnerzahl von 42.000 beinahe 12.000 Schülerinnen und Schüler. Das dafür zuständige Jugend-Ressort ist nun den Freiheitlichen in die Hände gefallen.

Wie der nun unter anderem für Jugend zuständige Stadtrat selbiges handhabt, wird spannend (und notwendig) zu beobachten sein. Denn das Ressort kann man ganz klar als „ideologisches Ressort“ bezeichnen. Bestes Beispiel: Streetwork oder Drogenpolitik. Zwar hat die FPÖ einen guten Draht zu von Abstiegs- und anderen Ängsten geprägten jungen Männern. Doch Wiener Neustadt ist nicht nur eine Schulstadt, sondern auch das Epizentrum der niederösterreichischen Subkultur. Das ehrwürdige „Triebwerk“ ist ebenso weit über den Bezirk hinaus ein Begriff wie der näher am elektronischen Zeitgeist agierende „SUB“-Club.

Schlamm und drei Bier

Ganz allgemein haben die Freiheitlichen für Subkultur aber eher nur dann Verständnis, wenn einer im Schlamm robbt, für den erhofften Ernstfall den Kehlenschnitt übt oder gern einmal drei Bier bestellt. Das Kulturverständnis der FPÖ mag sich in manch abgelegeneren Landstrichen mit jenem der dort dominierenden Mehrheitspartei decken: Was freilich nichts daran ändert, dass es von vorgestern ist. Ist irgendjemandem irgendeine ernstzunehmende kulturelle Äußerung irgendeines freiheitlichen Politikers in Erinnerung geblieben? Rhetorische Frage, klar. Doch das Jugendressort ist gewissermaßen das kleine Kulturressort. Gerade in einer Schulstadt kommt diesem besondere Bedeutung zu.

In Wiener Neustadt, der Stadt des legendären „Neustadtpunk“, haben sich Schwarz und Blau diesbezüglich bislang aber vor allem dabei überboten, sich auf den vom roten Bürgermeister installierten Jugendbeauftragten einzuschießen und dessen Ablöse zu forcieren. Dieser entstammt – ein Problem für manch verbohrten Kleinbürger – eindeutig dem linken „Triebwerk“-Milieu. Dass dessen Position nur zur Debatte steht, überrascht niemanden. Welche Auswirkungen die Neustädter Wende allerdings auf jugendkulturelle Institutionen wie das Triebwerk oder das SUB haben wird, bleibt vorerst ungewiss. Mit leeren Stadtkassen ließe sich recht leicht alles rechtfertigen.

Ein Garant für Kontinuität könnte da ausgerechnet ein Agreement sein, das für ein paar Tage die tendenziell linksliberale Twitter-Blase des Landes empörte. Dass der neue Bürgermeister Klaus Schneeberger nämlich punktuell auch von den Stadtgrünen unterstützt wird. Die grüne Gemeinderätin sitzt nämlich nicht nur als Abgeordnete im Nationalrat und war dort bis 2013 Jugendsprecherin ihrer Partei. Sie hat auch eine persönliche Vergangenheit im „Triebwerk“ – und Bewusstsein dafür, dass gerade jugendkulturelle Institutionen auch kulturelle Errungenschaften sein können.

triebwerk.co.at

sub.at

Thomas Weber auf Twitter: @th_weber

Newsletter abonnieren

Abonniere unseren Newsletter und erhalte alle zwei Wochen eine Zusammenfassung der neuesten Artikel, Ankündigungen, Gewinnspiele und vieles mehr ...