Basskränzchen

Experiment: Booker, Produzenten, DJs und Journalisten in einen Raum setzen, Tracks anhören und über »Bassmusik« reden lassen. Ihr werdet nicht glauben, was passiert ist.

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Vielleicht werdet ihr es schon glauben. Natürlich wurden da einige Augen verdreht, weil die nerrvigen Schreiberlinge schon wieder über sinnlose Genrebezeichnungen diskutieren wollten. Dort, wo die sogenannte Bassmusik passiert – nämlich im Club interessiert sich kaum jemand für schwammige Überbegriffe. Vernüftige Musiker arbeiten oft lange daran, sich über Genres gar keine Gedanken zu machen oder machen zu müssen, DJs und Booker beschäftigen sich vielleicht damit, wenn man sie zwingt, etwas auf einen Flyer zu schreiben. Dennoch würde auf so einem Flyer nicht „Bassmusik“ stehen, sondern etwas Genaueres.

Der Begriff eignet sich dagegen wunderbar, verschiedenste Genres zu subsumieren. Als wir im Sommer also die Releases des Herbsts studierten – Rustie, Flying Lotus, Hudson Mohawke, Dorian Concept usw. – und weil wir nicht immer nur mit uns selber reden wollten, luden wir Maximilian Matschnig, Othmar Handl, Georg Turecka, Lukas Wandl und DJ Ravissa – die als einzige geladene Frau dann leider kurzfristig krank geworden ist – also Booker, DJs und Produzenten (zu den Personen, siehe letzte Seite) aus der Szene, dazu ein, ein paar Lieder mit uns anzuhören. Dazu trafen wir uns in den Primitive Studios, – für ein gar nicht primitives Hörerlebnis – herzlichen Dank an dieser Stelle – und was dabei herauskam, lest ihr hier. Ahja, Amira und Kevin, das sind dann wir.

Anmerkung: Das Gespräch fand zu einem Zeitpunkt statt, als manche Tracks oder Alben noch nicht offiziell erhältlich waren – die Teilnehmenden haben also immer nur den einen Track (= Hörprobe) hören können. Die Hörproben sind im Text an der jeweiligen Stelle des Gesprächs verlinkt. Wir haben sie aber auch zusätzlich als Playlist zusammengefasst.

Amira: Wenn ihr das Wort „Bassmusik“ hört, was sind eure Assoziationen?

Max: Es ist ein super breitgefächerter Begriff. Die erste Bassmusik, die ich gehört habe, war Drum and Bass, Miami Bass und die ganzen Elektrosachen mit 808-Drums. Heute verstehen meiner Meinung nach die meisten Leute Trap und Future Beats unter dem Begriff.

Georg: Rauskristallisiert hat sich der Begriff meiner Meinung nach erst, als Dubstep dann zurückgegangen ist und sich aufgespalten hat und man dachte, dass man jetzt einen Übergriff braucht. Unter dem Begriff „Bassmusik“ lassen sich Dinge subsumieren, die auf einem Dancefloor zusammen gar nichts mehr zu suchen haben. Man kann da schon gar nicht mehr drüber streiten. Ein deeper Bass, das ist das Kriterium.

Lukas: Ich glaube, ich habe den Begriff Bassmusik noch nie verwendet. Also wenn man mich mit 16 gefragt hat, was ich höre, wusste ich auch nie, was ich sagen soll – ich habe das dann immer Beatmaker genannt. Als Musiker war für mich auch nie der Gedanke da: He, ich mach jetzt Bassmusik, sondern ich mach halt das, was mir taugt. Die Einflüsse – die sogenannte Bassmusik – hört man dann halt auch raus.

b>Hörprobe: Rustie – Attak

Lukas: Der Song ist eigentlich viel zu intensiv und hat zu viel Glitzer. Das hat mich am Anfang überfordert. Aber jetzt: Je ärger Rustie wird, desto mehr gefällt’s mir. Auch die letzte Single „Raptor“ – ich hab mit Oli (Anm. Dorian Concept) darüber geredet und wir waren uns einig. Zuerst denkt man: was für ein arger Rave Sound – aber nach dem 5. Mal Hören braucht man’s wie eine Droge, weil es so intensiv und over the top ist.

Amira: Ich fand „Raptor“ eine ziemlich mutige Single-Entscheidung, weil es ja doch so ein harter Track ist und das Album ja auch genug weniger stressige Nummern gehabt hätte. Aber die war ein ziemliches Statement.

Kevin: Was Rustie gut macht, ist, dass er anstatt ein Album mit zwölf Bangern rauszuhauen, er aufs Gesamtbild schaut und eben auch die ruhigeren Nummern draufhat, sodass das dann eben kein bloßes DJ-Tool ist, das zeichnet ihn aus.

b>Hörprobe: Addison Groove – Push It

Kevin: Zu dieser Nummer die Frage: Gibt’s für euch Grenzen, wo ihr sagt: das fällt nicht mehr unter das, was ich machen oder buchen will?

Max: Ich komm ja eigentlich aus Hip Hop und Funk und buche sehr breitgefächert – ich habe vom klassischen Hip Hop-Typen bis zu Mount Kimbie alles gehabt. Ich denke, man muss aufpassen, dass es bei Bassmusik nicht zu kommerziell wird. Es ist ein schmaler Grat. Ich wusste, dass ich mich mit meinem Baauer-Booking (Lachen im Hintergrund) aus dem Fenster lehne, habe dann noch Cid Rim dazugekommen, um das zu entschärfen.

Othmar: Addison Groove ist halt ein eigenwilliger Act, da wüsste ich Location-technisch in Wien nicht, wo ich den hinbuchen soll.

Georg: Die Nummer wär’ mir zu unharmonisch, aber wir haben im Badeschiff bei den Dubstep-Parties schon ähnliche Sachen gespielt.

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Bild(er) © Amira Ben Saoud / Kevin Reiterer
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