An die Agonie verkauft

Und wieder einmal zeigt sich: Wenn zwei eine musikalische Reise tun, haben Sie einiges zu erzählen. Vor allem, wenn diese beiden Nino Mandl und Ernst Molden heißen.

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Zur Abwechslung mal was ganz was Feines. Wenn man ein Herz hat für die alten Hadern, die dem österreichische Pop der 1970er und 1980er diese zum Trademark gewordene Schludrigkeit verpassten, dann sollte man jetzt aufmerksam sein.

Austrian Recordings I

Denn Ernst Molden, der beste Wiener Liedermacher der – naja – alten Schule, und Nino Mandl, der beste Wiener Liedermacher der etwas neueren Schule haben gemeinsam eine Reise unternommen. Eine Reise, hin zur Früh- und Mittelphase des genuinen österreichischen Pops – ja, man kann auch Austropop dazu sagen. Das Wort ist sowieso wieder in aller Munde, vorrangig deutsche Medien brauchen halt einen möglichst breiten Genrebegriff, der gleich alles in sich verschlingt, was nach und aus Österreich klingt. Wenn Wanda und Bilderbuch Austropop sind, dann sind die zwölf Stücke, die uns das dynamische Duo Mandl und Molden präsentieren, sowas wie die Quintessenz des Austropops. Auch wenn die Originalinterpreten – es sind ausschließlich Coverversionen auf "Unser Österreich" – so unterschiedlich sind, wie es im Austropop-"Genre" möglich ist.

Sie is nimma da

So beginnt das Album mit Georg Danzers semi-bekanntem "Jo, da Foi wiad imma glora", das gleich mal mit einer der besten Zeilen aufwartet, wie es der Zufall des Wechselgesangs Molden-Mandl so will, vom Nino gesungen: "Wann’st dann hamkummst in da Fruah haust di mit’n G’wand ins Bett / es is eh wuascht, weu sie is nimma da". Schon 1975 war der Exzess nach einem Beziehungsende probates Mittel zur Selbstzerstörung, zum Sadness-Overload. Auch Sigi Maron kommt gleich am Anfang dran, sein "De Spur von dein nokatn Fuass", erzählt von der Mär, dass auch der hässlichste Urlaubsort zu Nebensachen wird, wenn die richtige Frau, ihre Spuren in den Sand zieht. Wie so mancher Maron-Song – wie der allerbeste, "Dowitschenja Jugoslawija" – versprüht auch dieser wunderbaren nostalgisch-melancholische Ostblock- und Underdogromantik. Ganz großer Mann, ganz große Interpretation von Molden und Mandl.

Auch Falco darf natürlich nicht fehlen, neben dem aufgelegten und auch ersten Video "Ganz Wien", das gar nicht mehr nach Koks, sondern eher nach Spiritus klingt, findet sich mit "Nachtflug" auch ein nicht ganz so mega bekannter Falco-Song auf "Unser Österreich". Reduziert aufs Wesentliche, also wie fast alle Songs nur mit Gitarre und Gesang, singt hier nur ausnahmsweise nur Nino von der Neuordnung des Egos, von Lichtjahren Luxus und einer Kapitänin des Nachtflugs, weil sie es ja heute Nacht macht. Ein sanftes Liebeslied auf das Nachtleben und das darauf Hängenbleiben, auch da: Sadness-Overload.

Das darauf folgende, von Molden gesungene, "Der Zwerg", würdigt als einziger Song das Schaffen des unvergleichlichen Ludwig Hirsch, man kann aber eh nicht jede Nummer sechs Minuten lang machen. "Der Zwerg" entwickelt sich unter der Instrumentierung der beiden zum dunklen Psych-Blues, der bedrohlich wabert und seinen Sog zieht.

Wenn man die beiden schon live gemeinsam Coverversionen spielen gehört hat, mag ein Lied nicht überraschen, Haxen freut man sich trotzdem fast beide aus: "Und dann bin i ka Liliputaner mehr", von Andre Heller. Zwar mit dem epochalen Kehrreim "Und du kummst so über mi / wia der vierzehnte Juli über Paris / Wann das Feuerwerk die Nocht seziert / Und alle Vivat! Vivat! schrei’n", aber ohne den, das Original auszeichnenden, markerschütternden Marsch am Ende und den Aufruf vom Burgtheater bis zum Michaelerplatz zu marschieren. Mit den Mitteln, die Mandl und Molden selbst gewählt haben, ist das nicht machbar, aber auch gut so.

Weiter zu Ambros, Danzer, Qualtinger und großem Respekt.

Bild(er) © Ronnie Niedermeyer
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