Großes Kino im kleinen Kreis

In der Arena Wien stieg das Deutschrap-Festival der ersten fünf Reihen. Zu gut organisiert, zu wenig Risiko.

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Eventgesetz #36: Der Erfolg eintägiger Festivals in Österreich steht und fällt mit ihrem Line-up. Atmosphäre und Location sind durchaus von Bedeutung, fallen allerdings bei der Ticketkaufentscheidung weit weniger ins Gewicht als beim fünftägigen "Tentcrawling" mit Livemusik im Hintergrund. Soweit zur Theorie. Doch trotz erstklassigem Kader konnte das Sureshot Festival bei seiner Premiere in der Arena Wien die Massen nicht locken. Vielleicht lags am recht deftigen Preis von 41 Euro. Der scheint aber angesichts von Namen wie Oli Banjo, Die Vammumtn, Alligatoah oder Curse gerechtfertigt. Subhead und Headliner sind hier übrigens absichtlich vertauscht. Doch dazu später mehr.

Noch zu Jahresbeginn sah es hierzulande hochrosig aus für Freunde ausschweifender Rap-Eskapaden. Das Sureshot war nur Teil einer ganzen Reihe hochkarätiger Hip Hop Events. Den Auftakt hätte das Rap Mayhem im Jänner machen sollen, mit DJ Premier (Gangstarr) und Evidence (Dilated Peoples) am Start. Und dann – Absage. Die Enttäuschung war groß. Doch die Aussicht auf die Folgemonate ließ wieder Hoffnung aufkeimen. Sureshot stand vor der Tür, wieder Rap, wieder Top-Acts, diesmal allerdings durchgehend auf Deutsch.

Doch selbst für strikt Englisch-affine Hopper gab’s Grund zur Freude. Im Juli kommt das FM4 Hip Hop Open, und da wird’s dann international. Aber wie. Mit Nas, Blumentopf und Hilltop Hoods stehen uns drei Legenden aus drei Kontinenten ins Haus.

Abgesehen von der Musikrichtung haben diese Events auch noch die Location gemeinsam. Die Arena Wien ist jedoch ein zweischneidiges Schwert. Der Outdoor-Bereich bietet Platz, hübschen Backstein, bequemen Rasen und gute Akustik. Innen schaut’s dann anders aus.

Alkoholpegeldifferenz

Die Entscheidung kam am Vortag. Man beugte sich der drohenden Wolke mit den zwei Regentropfen aus dem Wetterbericht und erklärte die Arena-Halle zum Austragungsort. Bei der Ankunft am Gelände fielen dann gleich zwei Dinge ins Auge – der strahlende Sonnenschein sowie der Mangel an Menschen. Bei Einlass um 12 waren gerade mal 30 Leute zugegen. Gut, verkatert vom Freitag, und die ersten Acts sind eh selten gut besucht, die kommen schon noch. Den Auftakt machten die Mundoat-Rapper von Wienzeile. Die gaben sich redlich Mühe, die 15 Leute vor der Bühne zu unterhalten, das Ganze scheiterte allerdings ein wenig an der Alkoholpegeldifferenz zwischen Crew und Publikum. Und schon hier fiel die Indoor-Akustik ins Gewicht. Das basslastige Mainframe-Soundsystem ließ den Lyrics kaum eine Chance.

Es folgten ein topmotivierter Average und danach der fuchsteufelswilde Battle-Rapper Karate Andi als erstes echtes Highlight. Die Menge taute auf, doch den Großteil der Anwesenden zog es stets in die Sonne.

Daran konnte auch Dame mit seinen 7 Millionen Youtube-Klicks und livetauglichen Gesanghooks nicht viel ändern. Der Bühnenveteran Olli Banjo bestätigte dann im Anschluss seinen Ruf als Livemaestro. Er nutzte die überschaubare Menge und schuf eine familiäre Stimmung, scherzte herum und feierte eine richtig fette Party. Dieses Muster zog sich durch die meisten Auftritte: Wirklich dabei waren nur die ersten 5 Reihen, doch die hatten eine Wahnsinnshetz. Und schrien meistens nach Zugabe. Doch nur Olli traute sich, diesem Wunsch auch nachzukommen. Die Timetable wurde strikt eingehalten, die Auftritte waren alle quasi gleich kurz.

Und dann kam Curse

Lance Butters konnte mit seinem Vollpower-Vollprolorap in Iron Man-Maske gut daran anschließen. Retrogotts textlich versierter Stil litt dann etwas unter der Akustik, Fans in der Menge hatte er aber zur Genüge. Die wuchs inzwischen schon wieder an, wohl unter anderem um bei der Vammumtn – Fete vorn mit dabei zu sein. Denen kam dank Dubstep-Beats die Anlage dann wieder zugute, und die Meute grölte eifrig mit. Und dann kam Curse.

Anmoderiert wurde er von Zeremonienmeister Demolux als "einer seiner persönlichen Kindheitshelden". Er ist einer der besten MCs im Deutschrap, Experte für tiefgründige Texte, die dort wehtun, wo’s gut tut. Dass er nach 5 schaffensfreien Jahren hier noch so eingefleischte Fans hat, schien ihn selbst zu überraschen. Er teilte sein Mic mit der Menge, ließ sich auf Händen tragen und wirkte authentisch und zutiefst dankbar. 60 Minuten spielte er, das Flehen um Mehr musste der aufgrund des strikten Zeitplans höflich abweisen. Eine emotionale Achterbahnfahrt, und nicht nur vor der Bühne floss die eine oder andere Träne.

Diese Eindrücke noch im Hinterkopf fühlte man sich bei Headliner Alligatoahs Tracks über hässliche Frauen, überfahrene Kinder und Drogenexzesse noch einen Zacken schmutziger als eh schon. Davon abgesehen machte der primäre Publikumsmagnet des Tages seine Sache aber prächtig. Das Bühnenbild involvierte eine Dusche, einen überdimensionalen Topf und Battle Boy Basti in Butlertracht als Backup. So eine vollkommen überzogene Show muss man erst mal abliefern können, ohne sich dabei lächerlich zu machen.

Den Headlinerslot hätte dennoch Curse verdient. Dann wären halt weniger Leute gekommen. Die Entscheidung ist vom organisatorischen Standpunkt her verständlich, erweist sich im Nachhinein aber als falsch. Ähnlich wie der Entschluss gegen das Regenrisiko – klar, das konnte man vorher nicht wissen, aber die paar angekündigten Tropfen wären wohl sogar der Technik wurscht gewesen. Bleibt zu hoffen, dass die Wettergötter am 11.7. Bock auf Hip Hop haben.

Für weitere Sureshots: www.facebook.com/SureshotFestival

Hip Hop Open, 11. Juli: i>www.facebook.com/events/553578558095025

Bild(er) © Christian Boehm, Dieter Eikelpoth, Norman Zoo
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