Wer zuletzt schreit

Zum Angeben in der Edvard Munch Ausstellung der Albertina haben wir kaum bekannte Fakten über "Der Schrei" zusammen getragen.

Aus rechtlichen Gründen werden Artikel aus unserem Archiv zum Teil ohne Bilder angezeigt.

Edvard Munchs "Schrei" wird man nicht nur bald in der Albertina bewundern können, sondern das bekannte, alle menschlichen Ängste bündelnde Gesicht ziert schon seit ziemlich langer Zeit Kaffeetassen, Handyhüllen, Krawatten und sogar Kleider. Es ist eines von diesen Gemälden, von denen man denkt es schon verstanden zu haben, wenn man im BE-Unterricht nur ein bisschen aufgepasst hat. Dabei gibt es einige überraschende Fakten zu dem Bild.

Es gibt nicht nur einen "Schrei" sondern gleich vier davon

Zwei Tempera-Gemälde auf Pappe, die 1893 und 1910 entstanden sind, sowie zwei Pastell-Bilder, die jeweils mit 1893 und 1895 datiert sind. Das bekannteste unter ihnen ist die letzte Tempera-Version.

"Der Schrei" ging direkt in die Massen-Produktion

Nachdem "Der Schrei" die Europäische Kunst-Szene im Sturm erobert hat, zögerte Munch nicht eine Lithographie zu erstellen, mit der er selbst Schwarz-Weiß-Drucke herstellen konnte. Diesen Drucken hauchte Andy Warhol 1984 dann neues Leben ein – er stellte für das New Yorker Scandianvia House Prints aus den Drucken her, die so auch ausgestellt wurden.

Der ursprüngliche Name des Gemäldes war nicht "Der Schrei"

Sondern ein bisschen länger, nämlich "Der Schrei der Natur". Die Erklärung zu diesem Titel befindet sich, eigentlich in Norwegisch, am Rahmen des Pastells von 1895: "Ich ging mit zwei Freunden die Straße hinab. Die Sonne ging unter – der Himmel wurde blutrot, und ich empfand einen Hauch von Wehmut. Ich stand still, todmüde – über dem blauschwarzen Fjord und der Stadt lagen Blut und Feuerzungen. Meine Freunde gingen weiter – ich blieb zurück – zitternd vor Angst – ich fühlte den großen Schrei in der Natur … Ich malte dieses Bild – malte die Wolken wie wirkliches Blut – die Farben schrien. EM"

Selbstmord als Motiv

Kunsthistorikerin Sue Prideaux verortet den ersten "Schrei" (1893) in einer Zeit in der der Norwegische Maler gerade ziemlich heftig an chronischem Geldmangel und Liebeskummer litt. Sowieso war die gesamte Munch-Familie von Irrsinn heimgesucht. Der Gedanke möglicherweise bei der schizophrenen Schwester in der Irrenanstalt landen zu können, bringt einen da schon mal zum schreien – oder dazu ein Bild mit dem Namen "Schrei" zu malen.

Eine peruanische Mumie als Modell?

Zu der Zeit als "Der Schrei" entstand geisterte gerade das Bild eines mumifizierten Chachapoyas Kriegers durch die sozialen Netzwerke, der in der peruanischen Amazonas-Region gefunden wurde. Die Ähnlichkeit ist unverkennbar und zur Entstehungszeit des "Schreis" gab es die Mumie gerade in einer Ausstellung in Paris zu sehen.

"Der Schrei" hatte Einfluss auf "Doctor Who"

Nicht nur in Wes Carmens "Scream" hat "Der Schrei" deutliche Spuren hinterlassen. Das Gesicht puren Horrors tragen auch die Aliens, denen sich Doctor Who in der Serie stellen muss. Produzent Steven Moffat bestätigte diese interpretatorische Waghalsigkeit auch.

Die Diebe die den "Schrei" 1994 sang- und klanglos mitgehen ließen, haben eine Notiz hinterlassen

Am jenem Tag an dem die Winterolympiade in Lillehammer feierlich eröffnet wurde, platzierten Diebe eine Leiter hinauf zum Fenster der National Galerie Oslo, holten sich die Tempera-Version von 1893 und hauten wieder ab. Sie hatten auch noch Zeit eine Notiz zu hinterlassen, in der sie sich für die minderbemittelte Security bedankten. 3 Monate später konnte es sicher gestellt werden.

Von 2004 bis 2006 war der "Schrei" unauffindbar verschollen

2004 gings da schon ein bisschen härter zu. Maskierte Diebe entwendeten bei einem bewaffneten Raubüberfall auf das Munch-Museum die Temperaversion von 1910 und eine Version der "Madonna". Erst 2006 konnten die beiden Bilder, stark beschädigt, wieder sicher gestellt werden. Wegen des medialen Aufruhrs wurden die Bilder noch im beschädigten Zustand gezeigt und zogen Massen an.

M&Ms für die Kunst

Kurz bevor die Bilder wieder auftauchten, schaltete sich Mars, Inc. ein und benützte die Detektivgeschichte, um ihre neuen dunklen M&Ms zu promoten. Eine Belohnung in Süßigkeiten wurde aufgesetzt und zusätzlich war Munchs Schrei auch Teil einer Werbekampagne, in der ein rotes M&M ins Bild geschummelt wurde, das auf der Straße im Bild Himmel und Hölle spielt.

…das funktionierte auch irgendwie

Kurz nach Beginn der Kampagne gab einer der Verdächtigten auf und teilte dem Gericht mit wo sich die Bilder im Moment befinden. Was er dafür forderte ist verwunderlich, aber gleichzeitig auch nicht – ehelichen Besuch im Gefängnis und 2,2 Tonnen Süßigkeiten. Ob das mit den ehelichen Besuchen geklappt hat, ist unklar, der Wert der Süßigkeiten in Cash ging dann aber doch an das Munch Museum.

Wissenschaftler sagen: Auf dieses Bild muss man reagieren

Margaret Livingstone, Neurowissenschaftlerin aus Harvard führte ein Experiment an Makaken durch, das bewies dass das Gehirn eher auf stark überzogenen Gefühlsausdrücke reagiert. Eh klar irgendwie, und hochwissenschaftlich bewiesen anhand des "Schreis". Deswegen funktionieren Karikaturen auch so gut.

Das Bild hat an der Ice Bucket Challenge teilgenommen

Zumindest wenn man diesem Bild glauben darf.

"Der Schrei" ist Teil des öffentlichen Besitzes

In Ländern wie Israel, Brasilien, Russland und allen Ländern der Europäischen Union ist das so, denn hier gilt: die Regelschutzfrist läuft 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers ab. Könnte vielleicht auch als Einladung für künftige Diebe verstanden werden. Wetten wann es wieder so weit sein wird, laufen auf jeden Fall schon.

Es gibt wirklich, wirklich viele Adaptionen des Schreis

Darunter mit Homer Simpson, Emojis, mit Lego oder als Leerstelle auf dem Cover des Autre Ne Veut Albums "Anxiety".

Die Ausstellung "Edvard Munch – Liebe, Tod und Einsamkeit" wird am 25. September in der Albertina eröffnet.

Bild(er) © 1: Ausschnitt aus der Lithographie von 1895 2: Temperaversion von 1910 3: Andy Warhol 4: Lithographie von 1895
Newsletter abonnieren

Abonniere unseren Newsletter und erhalte alle zwei Wochen eine Zusammenfassung der neuesten Artikel, Ankündigungen, Gewinnspiele und vieles mehr ...