Post my ass. Be digital

Britta Thie macht Kunst als Web-Serie, die zeitgeistigter kaum sein könnte. Eine Galerie braucht es dafür keine, sie nützt das Netz und das Netzwerk.

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"Was machst du?", fragt Juli. "Screens angucken", sagt BB. Die Künstlerin Britta Thie ist die Hauptrolle ihrer Mini-Web-Serie "Transatlantics". Sie steht in der Home-Cinema Abteilung im Saturn am Alexanderplatz in Berlin und schaut versunken, mit Tränen in den Augen eine Werbung an, in der sie selbst – die Künstlerin hat eine professionelle Modelkarriere hinter sich – mit unterschiedlichen Looks für ein Trockenshampoo wirbt.

Highly emotive wirkt das auf uns. Anglizismen erlaubt, eigentlich ein Must. Immerhin bewegen sich die Protagonisten der Serie oft im Netz, ihr Umfeld ist international. Juli, die sich selbst im Trailer zu der Serie als Time Zone Friend ("trending in transit") betitelt, war unterdessen "Star Wars"-USB-Sticks kaufen. Allerdings hat Yoda nur 8GB, was Britta wiederum mit den Worten kommentiert: "Du brauchst auf jeden Fall 16 oder 32 Giga. Du musst dich auf Technologie konzentrieren, Funktionalität."

Transit

"Translantics" ist eine ironische, (selbst-)kritische Darstellung der Künstlerin Thie aka B oder auch BB (B and B or not to B) und ihren zwei "besten" Freundinnen Juli und Annie und deren Leben zwischen den Kontinenten und Städten, zwischen den Männern, zwischen Openings, der Karriere, dem Alltag und inmitten des "pulsierenden Netzwerks".

Sie gehören alle der Generation ’89 plus minus an. Digital Natives nennen wir sie, deren Status wir als ein In-Between begreifen: zwischen Offline und Online und zwischen dem Analogen und dem Digitalen. Die erste Generation, die zwar noch Ostern ’92 mit der analogen Kamera abgelichtet wurde, dann aber Kinderfotos aus der Schublade holt, um sie einzuscannen und im Netz zu teilen und doch wieder die Yashica lässig in der Brusttasche oder zumindest sehr viele Filter auf dem Smartphone mit sich trägt. Windows 95 war ihr erstes Betriebssystem. Seit den 90er Jahren hat sich das digitale Material von einer Bruchstelle zu einer gegenwärtigen Evidenz gewandelt. Die digitale Struktur ist längst ist nicht mehr nur Bildschirmschoner, sondern überzieht ziemlich fluide auch unsere äußeren Fassaden.

Ich muss filtern

Die Serie "Translantics" untersucht Verhaltensmuster und stellt Fragen danach, "wie sich Selbstverständnisse, Emotionen und Umgangsformen durch die allgegenwärtigen digitalen Entwicklungen in den vergangenen 20 Jahren verändert haben." Die drei Frauen filtern: die Fotos, die Freunde, die Produktpalette und sich selbst bei der Therapie oder im cleanen Nap-Room des Firmengebäudes. Abschalten. Die Herausforderung für die Figuren in "Transatlantics" besteht darin, zwischen Selbstbehauptung und Rollenspiel unterscheiden zu können. "This could be us, but we are playing."

Highly emotive?

Dort im Halogenlicht stehen die hippen und transparenten Gäste des Gallery-Openings in Berlin-Schöneberg; die künstlicher als die Kunst dort an den Wänden wirkt. Denn die Dinge an den Wänden sind eigentlich gar keine Kunst, sondern Badezimmerteppiche aus dem Baumarkt von nebenan. Auch sie werden zum Schauplatz für Emotionen. "Die Kunst suckt."

Die Vernissage würde ohnehin nur viel von dem bedienen, was heute auf Facebook zu finden ist: der Freude am oberflächliche Geschwätz, dem Sehen und Gesehenwerden und dem Verständnis, dass das Soziale mit dem sozialen Netzwerk gleichgesetzt wird, so der Autor Timo Feldhaus. Funktionalität plus Konnektivität. Kalkuliertes Innenleben trifft auf äußeren Fassaden der Städte und Menschen. Dass Britta Thie dabei wie eine porzellanene Androidin wirkt, macht sie überhaupt nicht weniger emotional – nur letztlich vielleicht verletzbarer. Die emotionalen Kontinente in "Transaltantics" wirken hellblau, wässrig, weichgezeichnet und pastellen. Alles muss weich sein, nichts darf wehtun.

"Translantics" wird von der Schirn Kunsthalle Frankfurt und ZDF in Zusammenarbeit mit Arte Creative produziert.

Unter www.schirn.de/Translantics findet sich die erste von sechs Episoden der neuen Web-Serie, laut der Künstlerin Britta Thie eine gewollte Mischung aus der Serie "Girls" und Ryan Trecartins Animations-Videos. Jeden Monat wird eine neue Folge erscheinen. Highly recommended.

Bild(er) © PWR Studio, Alexandre de Brabant, The Artist (Britta Thie)
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