Life is a paradox

Der Verein Kunstglaube thematisiert in der Kirche am Steinhof anhand zeitgenössischer künstlerischer Positionen den schmalen Grad zwischen (religiöser) Mystik und (krankhaftem) Wahnsinn.

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Der Ort für die Ausstellung "Madness & Mysticism" könnte mit der Otto-Wagner-Kirche in den Steinhofgründen nicht besser gewählt sein. Eine schauderhafte Stimmung macht sich breit, wenn man in die erdige Unterkirche der eigens für psychisch kranke Patienten der Anstalt erbauten Kirche steigt und etwas unvermittelt mitten zwischen den Kunstinstallationen steht. Video-Arbeiten, flimmernde Bilder, von der Decke hängende Nadeln, wirres Gerede. Der erste Eindruck: verstörend. Der zweite: interessant. Der dritte? Wer kann schon "madness" wirklich definieren…

Die Ausstellung lockert die Grenzen zwischen "Norm", Mystik und Wahnsinn und lädt zum Hinterfragen ein: ist in unserer Gesellschaft noch Platz für Mystik? Kann es mystische Erlebnisse geben? Bis zu welchem Grad können sie als übersinnliche, religiöse Erfahrung gelten, ab wann werden sie als krankhaft abgestempelt? Leiden (religiös) "Wahnsinnige" wirklich oder passen sie nur nicht ins System?

Die volle Ladung Wahnsinn

Die ausgestellten Kunstwerke sprechen für sich selbst, außer gelegentlichen Führungen des Kurators David Rastas (sehr empfehlenswert!) gibt es wenig Erklärung vor Ort. Die Besucherinnen und Besucher müssen sich also auf eine volle Ladung Madness & Mysticism einlassen und das ist gut so. Jede/r kann in einem Kunstwerk selbst dessen Sinn und Aussage lesen, es wirken lassen. Natürlich sind einige Kunstwerke auch vom Setting beeinflusst. Virgilius Moldovans Skulptur etwa würde in einem Museumsbau vielleicht nicht sofort an Wahnsinn oder etwas Mystisches denken lassen, hier jedoch kommen Aspekte zum Vorschein, die sich ideal in den Rahmen integrieren. Stella Reinhold wiederum hat ihre Performance extra für die Ausstellung bei der Vernissage gezeigt und für die verbleibende Dauer der Ausstellung aufgenommen.

Die "Verrückten" haben doch Recht

Die Ausstellung lebt von der Stimmung, die durch die Werke und Installationen in diesem besonderen Raum entsteht – aufgeladen mit einer Portion Madness, die den eigenen Horizont erweitert und den Blick auf Zustände psychischer "Erkrankungen" verändert. Viele Installationen spielen mit dem Blickwinkel auf das Leben, oftmals haben die sogenannten Verrückten doch eigentlich Recht. "You can’t get away from your heart", sagt der halbnackte, bärtige Matthew Silver in seinem Video. "Life is a paradox. […] Love now!" Wer würde da widersprechen.

Künstlerinnen und Künstler der Ausstellung Madness & Mysticism:

Hans Ahnert, Laurie Anderson, Anonymous, Joseph Beuys, Silvia Bischof, Norbert Bula, Robert Drummond, Seiko Grabner, Olivier Hölzl, Hanspeter Ilg, Janssen, Andrzej Kowalski, Martin Kunz, Yayoi Kusama, Chris Landreth, Virgilius Moldovan, Jeanine Osborne, Stella Reinhold, Richard Saville-Smith, Matthew Silver, Andrei Tarkovsky, August Walla.

Die Ausstellungen von Kunstglaube sind stets so konzipiert, dass sie nicht-religiöse zeitgenössische Kunst in sakrale Räume integrieren. Vergangene Themen waren Leiblichkeit und Sexualität (2014) und Innenraum (2015).

Die aktuelle Ausstellung "Madness & Mysticism" in der Kirche am Steinhof ist von 1. Oktober bis 27. November jeweils Samstag von 15 – 18 Uhr und Sonntag von 12 – 16 Uhr geöffnet.

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