Fuckzilla in der Diskurshöhle

Monochrom wollen zwischen Cyberpunk, Kommunikationsguerilla und Kunst fündig werden. Ihre Suche: Was kann man noch sagen, oder wie sagt man es, damit es überhaupt ankommt.

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Konkret ist die Ausgangssituation dieser Geschichte folgende: Roboter sind seit den späten 90ern nicht mehr so richtig cool. Der Konstrukteur von Johnny5 aus dem Film »Nummer 5 lebt!« verdient daher heute sein Geld mit dem Bau von Fucking Machines, die aussehen wie Johnny5. Eine davon, der Fuckzilla, bietet sich dem Nutzer mit einer silikonzungenbestückten Kettensäge an. Monochrom – eine Wiener Kunst-, Theorie-, und Bastelneigungsgruppe (Selbstbezeichnung) – veranstaltete da passenderweise eine jährliche Konferenz für Sex und Technologie in San Francisco, die »Arse Elektronika«. 2007 bietet man den Konferenzteilnehmern an, das Gerät auszuprobieren. Eine junge Frau will. Der Orgasmus und die meterweite Squirt-Fontäne waren echt, versichert Johannes Grenzfurthner, künstlerischer Leiter von Monochrom. Auch wenn man bei Monochrom – Meistern der Stilisierung – da nie sicher sein kann. Die Protagonistin sei, entgegen diverser Mutmaßungen, in der Tat zufällig anwesend und in keiner Form performativ eingeplant gewesen. Das dazugehörige Youtube-Video war eine halbe Stunde No.3 in der Klicklist der Plattform, dann war es zensiert, dann war es ein Youporn-Video.

Kommunikationsguerilla

Wenn das Leben aus zahlreichen Momenten mit anderen Menschen bestehen soll, aus Gespräche, aus Streitereien, aus Gesten und aus Sex, worauf kommt es dann an? Wenn man möchte, dass Teile von dem, was im eigenen Kopf stattfindet, ihren wundersamen Weg in den Kopf des anderen finden, eignen sich Narrative besonders gut als Mittel. Am wenigsten weit kommt man erfahrungsgemäß mit der eigenen Wahrheit in Form rational-logischer Sprachlichkeit. Das machen sich Monochrom seit 20 Jahren zunutze. Die meiste Zeit davon beschäftigte sich das Kollektiv immer wieder und von neuem mit der Suche nach »dem besten Medium, um die Botschaft zu transportieren.« Alles, was Johannes Grenzfurthner über die eigene Arbeit sagt, sind druckreife, kompakte Narrative. Immerhin, er hat 20 Jahre Erfahrung im Kreuz- und Querschießen in Mediendiskursen.

In Österreich sind Monochrom die Referenz für Kommunikationsguerilla. Mittlerweile sind sie auch international arriviert. Bereits 2001 hat die »melancholisch-postmodern-linke« Gruppe ein Büro im MQ bezogen. Seit 2005 findet ein immer größerer Teil ihrer Aktionen in Nordamerika statt. Monochrom ist »die europäische Korrespondenz« von BoingBoing – »A Directory Of Wonderful Things«. 2002 haben sie Österreich auf der weltweit drittgrößten Biennale in Sao Paolo vertreten. 2006 wurde die Lord-Jim Loge, eine unter anderen von Martin Kippenberger und Albert Oehlen gegründete Künstlergruppe, übernommen. Mit dem ambitionierten Ziel, deren Wort-Bildmarke bekannter zu machen als Coca-Cola, schaffte man es immerhin auf 50.000 Flaschen der »Coca Cola Light Art Edition«.


Nerd-Themen im Mainstream

Im FidoNet – einer Alternative zum Internet, welches es zunächst nur an Unirechnern gab – suchte Grenzfurthner 1993 Leute, die mit ihm ein Fanzine über Cyber-Nerd-Stuff machen wollten und fand den ersten in Franz Ablinger. »Monochrom No.1« erschien 1993. Damit ergaben sich Möglichkeiten des Austausches, die deutlich über das heimatliche Stockerau hinausreichten. Zwei Jahre später entschlossen sich Monochrom, mehr sein zu wollen als ein Fanzine. Sie begannen auf einer Release Party, Comics auf Overheadfolien ablaufen zu lassen. Die niederschwellige Performance kam an. Bis heute oszillieren sie zwischen langen, theoretischen Abhandlungen und selbstgebastelten Computerspielen. Seit einiger Zeit sind neun Leute im Kernteam. Medien und Technologie waren und sind immer ihre zentralen Themen geblieben.

Der Diskurs um Netzwelten ist mittlerweile groß geworden, dabei seiner Kindlichkeit trotzdem nicht entwachsen. Immer noch geht es um die klassischen bürgerlichen Werte des vorvergangenen Jahrhunderts. Es geht um »Privatsphäre« und »freie Meinungsäußerung«. Nur wären die Probleme der öffentlichen Kommunikation heute eigentlich ein bisschen vielschichtiger als damals, zu einer Zeit, in der sich das Bürgertum einen Platz in der Monarchie erkämpfte. Es könnte heute auch um Werte wie »persönliche Autonomie« oder »Urheber- und Nutzungsrechte am eigenen Lebenslauf« gehen. Tut es aber nicht. Unter anderem aus derartigen Gründen haben sich die Themen von Monochrom immer noch nicht erledigt, sie sind nur populärer geworden.

Diskurs über die Hintertür

2005 schaffte Monochrom den Durchbruch in den USA. »Die Killerperformance war der Hit auf amerikanischen Vernissagen. Am Ende der Tour erkannten uns die Menschen bereits vorher in den Galerien, weil sie unsere Gesichter schon in Blogs gesehen hatten«, erinnert sich Günther Friesinger, der bei Monochrom die Geschäftsführung übernommen hat. Auch im MUSA wird, zur Finissage am 27. April noch einmal die Möglichkeit bestehen, sich innerhalb der Kunstinstitution in einen Holzsarg einnageln und in einem riesigen Sandkasten begraben zu lassen.

Auf welcher Ebene wollen diese Narrative funktionieren? Was will die Killerperformance in der Galerie, ein Nazi-Streichelzoo vor dem MQ, oder ein Weihnachtsmarktstand, der für 50 Schilling Seelen ankauft? Wie viel oder wie wenig sagen Monochrom damit im Vergleich zu den Fanzines, die sie 1993 herauszugeben begannen, die sich mittlerweile zu hunderte Seiten dicken, theorielastigen Jahrbüchern evolviert haben? Grenzfurthner sagt, dass das Publikum zu ihrer Roboexotica – einer Konferenz für Robotik und Bars – kommt, weil es dort lustig ist. Wie nebenbei wird es dann in die »Diskurshöhle« gezogen. Irgendwo zwischen fassbarer Performance und abgekoppelter Theorie muss wohl der relevante Raum liegen, in dem die Botschaft weh tut und es sich lohnt, sie zu verbreiten.

Ab 29. Jänner sind nun Geschichten aus 20 Jahren Context-Hacking in der Monochrom-Retrospektive im Wiener MUSA – erzählt und dokumentiert durch Monochrom selbst – nachzuvollziehen. Es sind Geschichten über den Versuch, zunehmend komplexe Wirklichkeiten in Botschaften zu formulieren, die es lohnt, möglichst breit zu kommunizieren. 25 Dioramen verschiedener Größe haben Monochrom dafür gebaut, ästhetische Parallelen zu den staubigen Schaukästen in naturhistorischen Museen sind durchaus gewollt. Monochrom dürfen bereits jetzt ihre eigene Archäologie ausstellen, weil sie schon in jungen Jahren ziemlich weit vorne waren und danach nicht mehr locker gelassen haben.

Bild(er) © Scott Beale/Laughing Squid; Jacob Appelbaum; Monochrom; Philipp Horak
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