Die saubere neue Welt

Der neueste Teil der Anno-Reihe ist nicht nur ein fesselndes Strategie-Spiel, sondern auch eine beängstigend reale Zukunftsvision.

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Alle essen bio. Zumindest in den gemäßigten Klimazonen. Dort lebt auch die Masse der Angestellten. Bürger gibt es in »Anno 2205« genauso wenig wie Nationen. Es gibt Konzerne, die gemeinsam als Global Union die Geschicke des Planeten lenken. Und den Angestellten geht es gut.

Ganz so wie in den Vorgängern geht es auch in »Anno 2205« vor allem darum, die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen, um immer höherstehende Gesellschaftsgruppen anzuziehen die Mehrwert generieren; also Geld, das passenderweise nur mehr „Credits“ heißt. Einfache Menschen sind einfach zufriedenzustellen, mit Biokost, Wasser und Zugang zu Information. Den notwendigen Strom generieren ein paar Windkraftwerke und alle sind glücklich. Aber wer in der Hierarchie weiter nach oben geklettert ist, will auch mehr Komfort. Vitaminsäfte und Verjüngungskuren. Und dann wollen sie Neuroimplantate, also wird die Arktis erschlossen, um seltene Rohmaterialien abzubauen.

Im Gegensatz zu den Vorgängern wird in „Anno 2205“ in unterschiedlichen Regionen gesiedelt, die unterschiedliche Möglichkeiten aber auch Herausforderungen mit sich bringen. In der Arktis etwa müssen sich die Wohneinheiten um die Industriegebäude scharren, um durch die Abwärme beheizbar zu sein. Und wenn dann später auch der Mond erschlossen wird, müssen Schildgeneratoren vor Asteroiden schützen.

Der Verein zum Schutz der Arktis meldet sich zwar immer wieder mahnend zu Wort, aber die Auflagen sind überschaubar und wenn nebenher noch die eine oder andere alte Bohrplattform vor dem Verfall bewahrt wird, wirken die unzähligen Bergwerke und Steinbrüche, die der Konzern aus dem Boden stampft, fast schon wie Umweltaktivismus. Und dass die Angestellten in der Arktis Konservenfisch statt Biokost bekommen, stört dann irgendwie auch niemanden.

Die Städte im wohltemperierten Süden werden mittlerweile von Managern und Investoren bevölkert und die haben von Steaks und Wein über Inteliwear bis hin zu Androiden für den Haushalt immer exklusivere Wünsche, deren Erfüllung immer längere Produktionsketten notwendig macht. Das braucht Baugebiet und Ressourcen aus der Arktis und vom Mond. Aber vor allem braucht es mehr Strom als der Wind und die Gezeiten liefern. Energie ist 2205 der limitierende Faktor und das Infusionskraftwerk am Mond wird zum Heilsbringer.

Das Gefühl, im Aufrechterhalten des Systems immer einen kleinen Schritt hinterher zu hecheln und gleichzeitig jede kleinste Chance zu nutzen, um weiter zu expandieren, das ist es, was »Anno« zu »Anno« macht und über Stunden an den Bildschirm fesselt. Ein paar zentrale Neuerungen, wie die Auskoppelung kriegerischer Handlungen aus dem eigentlichen Spiel, nehmen Serienveteranen wohl ein Stück der Spannung, machen das Spiel aber auch wieder zugänglicher für Einsteiger. Und letztlich war auch der Krieg in Anno schon immer nur ein notwendiges Übel, um der Bevölkerung die Welt zu liefern die sie fordern, um weiter im Hamsterrad zu laufen. Brot und Hightech-Spielzeug.

»Anno 2205« ist bereits für PC erschienen.

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