Von den Tiefen hinter der Komik

Das Glück der Erde findet sich nicht immer nur auf dem Rücken der Pferde. Das weiß auch Regisseur Benjamin Heisenberg, der, statt Profireiter zu werden, Bildhauerei studiert hat, nun aber letztendlich doch vor allem Filme wie »Schläfer« und »Der Räuber« macht. Seine neue Arbeit »Über-Ich und Du« ist nun eine Auseinandersetzung mit Geschichte und Vergessen.

Aus rechtlichen Gründen werden Artikel aus unserem Archiv zum Teil ohne Bilder angezeigt.

Nick Gutlicht (Georg Friedrich), ein Kleinganove, der wegen Schulden mit alten Büchern handelt, trifft durch Zufall auf Curt Ledig (André Wilms), einen in die Jahre gekommenen renommierten Psychiater – und soll dessen Haus betreuen, während der alte Herr mit seiner Familie wegfährt. Aber der Psychiater bleibt lieber daheim und verbringt seine Tage mit Nick. Damit wäre an sich der Film auch schon erzählt und klingt dabei wie eine nette, leichte Komödie. Würde Nick nicht ständig in die Bredouille geraten, weil er die Schulden nicht zahlt, während Ledig von seiner verschrobenen Familie doch noch in die Berge verschleppt wird, obwohl er sich lieber an seine Vergangenheit im Dritten Reich erinnern möchte. In die Berge kommt auch Nick, weil dieser die Ticks, die er von Ledig angenommen hat, wieder loswerden möchte – wofür der Psychiater auch gleich mal eine ganz eigene Therapie parat hat.

Mit Georg Friedrich und André Wilms hat sich ein überraschend gutes Duo für die aberwitzige Geschichte gefunden, das von einem wunderbaren Nebendarstellerstab – unter anderem Markus Schleinzer – perfekt ergänzt wird. »Über-Ich und Du« funktioniert ohne wirkliche Message, wobei die Ernsthaftigkeit, aus der sich der Humor schöpft, trotz der Leichtigkeit und Skurrilität spürbar bleibt.

Wir haben den Regisseur zum Interview getroffen.

Was waren für Sie die Herausforderungen bei der Herstellung von »Über-Ich und Du«?

Die Herausforderungen des Films als Komödie waren einerseits, dass man herausfindet, wie sich in den jeweiligen Situationen der Humor herstellt. Ist es Situationskomik, ist es Wortwitz, ist es Slapstick – und wie bringt man das unter einen Hut? Andererseits musste der Film so gedreht werden, dass man ihn auch im Schnitt noch formen kann.

Wir haben darauf geachtet, dass wir verschiedenste Versionen von Szenen drehen und diese in verschiedensten Einstellungen auflösen, sodass noch eine gewisse Variabilität möglich war. Wir haben dann ein ganzes Jahr geschnitten – länger als bei all meinen anderen Filmen. Aber das lag daran, dass sich die Gesamtstruktur des Films nicht so leicht hergestellt hat. Es gab immer wieder Szenen, die in sich lustig waren, aber sich nicht ganz ins Gesamtbild fügten. Insofern war es vor allem für mich ein ganz neuer Findungsprozess.

Wie hat sich die Geschichte der zwei Protagonisten des Films – zum einen der vergessende Psychotherapeut Curt Ledig, zum anderen der Kleinganove Nick Gutlicht – entwickelt?

Die Konstellation zwischen Curt und Nick war durch meinen Co-Autor Josef Lechner inspiriert, der selbst eine längere Zeit bei einem älteren Herrn gelebt und diese Erlebnisse für mich aufgeschrieben hat. Das war der Anfang des Projekts und von diesen Erlebnissen aus haben wir einfach weitergesponnen. Dabei waren die Figuren natürlich das zentrale. Curt Ledig und Nick Gutlicht, die sich kennenlernen und dann gemeinsam eine absurd-lustige, emotionale Reise machen. Und die schrägen Nebencharaktere, die sie begleiten.

Das hat eigentlich die Geschichte schon gefüllt, aber die Entwicklung der Geschichte hat dann auch die Figuren weiter verändert und so ist es ein sehr assoziativer Fortschritt von Geben und Nehmen zwischen Charakteren und Plot gewesen.

Inwieweit sind Erlebnisse von Ihnen eingeflossen?

Ganz autobiographisch ist das »In-verteilten-Rollen-Lesen«. So wie die Familie zusammensitzt und gemeinsam den »Prinz von Homburg« liest, so wurde das früher bei uns in der Familie auch gemacht. Wir Kinder haben das nicht so toll gefunden, aber ich denke, es ist ein lustiges Beispiel für die deutsche bildungsbürgerliche Kultur. Von Josef gibt es aber mehr Autobiographisches im Film. Er hat beispielsweise selbst mit Büchern gehandelt und geht zu einem Zahnarzt, der sich quasi in Naturalien bezahlen lässt.

Newsletter abonnieren

Abonniere unseren Newsletter und erhalte alle zwei Wochen eine Zusammenfassung der neuesten Artikel, Ankündigungen, Gewinnspiele und vieles mehr ...