Die Zammer Bergnomaden

Der Filmstudent Hannes Rangger verbandelt in seiner Kurzdokumentation Kuhglocken mit The XX und zeigt in atemberaubenden Bildern den mühsamen Weg zweier Junghirten, die sich mitsamt hunderten von Tieren den Weg durch das Tiroler Gebirge bahnen. Mit uns hat er über seine Zeit auf über 2000 Metern Höhe gesprochen.

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Heutzutage spielt sich für die Meisten ein großer Teil des Alltags im Netz ab – Social Media als ständiger Wegbegleiter. Was hat dich ursprünglich dazu inspiriert ein Leben fernab von Facebook und Co. zu zeigen?

Mit Kathrin und Thomas Wolf habe ich zwei Menschen kennengelernt, die auf ihre eigene sehr unkonventionelle Weise diesem Leben des Ständig-verfügbar-seins trotzen. Sie nehmen sich im Sommer drei Monate lang eine Auszeit. Eine Auszeit, in der sie nicht immer funktionieren müssen. In der sie nicht ständig von ihren Kontakten überprüft werden können, ob und was sie derzeit machen. Für mich ist das auch einfach eine Überlebensstrategie, die ich wahnsinnig gut finde und deren Idee für mich im Sinne eines ruhigeren, unhysterischeren und unneurotischeren Lebensstils "aufgeht".

Außerdem passen Kathrin und Thomas nicht in dieses Klischee der Hirtin und des Hirten. Sie sind beide noch sehr jung (22 und 20 Jahre alt), kommen zwar beide aus einer bäuerlichen Familie, machen jetzt aber nicht unbedingt etwas, das damit zu tun hat. Das fand ich auch sehr spannend.

Der Film wird derzeit hauptsächlich im städtischen Umfeld gezeigt. Können und wollen Menschen, die bereits an eine hohe Informationsdichte, off- und online, gewöhnt sind, sich mit solchen Lebensweisen überhaupt identifizieren?

Ich glaube, dass der Film gerade so gut bei Städtern ankommt, weil ja jede(r) merkt, dass man irgendwie die Kontrolle verloren hat. Man sehnt sich nach etwas Konkreterem und Gelassenerem. Ich glaube nicht, dass sich das städtische Publikum unbedingt mit dem Hirtendasein an sich identifiziert, sondern eher mit der Idee von kleineren überschaubareren Strukturen. Der Film funktioniert, glaub ich, eher als Utopie und nicht so sehr als Tatsachenbericht, der einem eine gewisse Lebensweise näher bringen soll. Und ich habe auch nie geplant, irgendwen von so einer ursprünglicheren Lebensweise zu überzeugen.

Inwiefern liegen dem Film Motive wie Ausbruch oder Flucht vor der Gesellschaft zugrunde?

Ich habe eigentlich kein Problem damit, wenn Leute das so sehen. Ich persönlich sehe es weniger als tatsächliche Flucht, sondern mehr als eine Art des "Abschaltens" und "Abstandnehmens". Ein Motiv, das andere vielleicht im Meditieren finden oder in ihrem Fußballverein. Man steckt ja doch noch mitten drin in der Gesellschaft. Man nimmt sich nur die Zeit über die Gesellschaft nachzudenken. Oder anders: Man nimmt sich nicht nur die Zeit in der Gesellschaft zu funktionieren und aufzugehen.

Wie hast du persönlich die Zeit in der du größtenteils von der Aussenwelt abgeschnitten warst empfunden?

Ich selbst habe die Zwei ja nicht die vollen drei Monate begleitet, sondern hab sie ca. einmal die Woche besucht. Aus diesem Standpunkt würde ich nicht davon reden, dass ich wirklich abgeschottet gelebt habe, wie Kathrin und Thomas. Ich habe allerdings schon festgestellt, dass auch mit mir, und wenn es nur für den einen Tag die Woche war, Dinge passieren. Am extremsten bemerkt habe ich eigentlich das Fehlen des Handyempfanges und wie mich das gar nicht gestört hat. Hier in Wien bin ich immer online und verfügbar. Das war ich in den Bergen nicht.

Ich hab mir eigentlich auch in den Vorbereitungen gedacht, wie ich das für den Film rüberbringe und bin immer von einer Art "Hilflosigkeit" ausgegangen, weil eben dieser Kontakt nach Außen fehlt. Aber eigentlich war das dann immer eine sehr angenehme Komponente. Kaum bin ich dann vom Berg ins Tal und hatte wieder Empfang, kamen Massen von Nachrichten und verpassten Anrufen an. Da war man dann gleich wieder drin in der schnellen Welt und musste gleich wieder Bescheid geben, erklären und sich entschuldigen, dass man nicht erreichbar war usw.

Bild(er) © Stephan Elsler, Peter Prantner
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