Diagonale Tag #2

Am zweiten Tag des österreichischen Filmfestivals beeindrucken Dokumentationen. Das Highlight sind aber zwei Special-Guests.

Aus rechtlichen Gründen werden Artikel aus unserem Archiv zum Teil ohne Bilder angezeigt.

Das radikal Böse (19.03. UCI Annenhof)

Seit Mitte Jänner läuft Stefan Ruzowitzkys Doku „Das radikal Böse“ in den österreichischen Kinos (Interview mit ihm dazu hier entlang bitte). Am Beispiel der Erschießungen von jüdischen Zivilisten durch deutsche Soldaten geht der Regisseur der Frage nach, wie aus „normalen“ Männern Mörder werden. Warum töteten die NS-Soldaten ohne ersichtliches Motiv jahrelang Frauen und Kinder? „Das radikal Böse“ nährt sich von Originalzitaten aus Briefen und Tagebüchern, von Fotos und Aufzeichnungen und von den alten Filmaufnahmen der Gräueltaten. Die abscheulichen Sequenzen lösen Übelkeit aus.

Ruzowitzky bezieht sich wiederholt auf bereits bekannte Versuchsvorgänge und Experimente, um die möglichen Hintergründe der Taten zu erläutern. Gepaart mit elektronischen Beats von Elektro Guzzi entsteht eine innovativer Dokumentarfilm. Der Film versucht stets Distanz zu schaffen, Zitate und Aufnahmen erzeugen dennoch ein Gefühl der Wut und Trauer zugleich. „Das radikal Böse“ präsentiert ganz andere Seiten einer Thematik, die in der Branche mehr als bekannt schien.

Fieber (19.03. KIZ Royal)

Gedränge in den Gängen des KIZ Royal. Der Kampf um die besten Plätze beginnt. Elfi Mikesch zieht mit ihrem neuen Film einmal mehr zahlreiche Zuschauer an.

In „Fieber“ beschreibt die Kamerafrau und Regisseurin die Kindheit der jungen Franziska und deren Suche nach der Vergangenheit des verstorbenen Vaters. Begraben unter einem Berg alter Fotografien rekonstruiert das Mädchen dessen Zeit als Fremdenlegionär in Afrika. Beinahe jede Minute verbringt sie mit den Aufnahmen des verehrten und zugleich gefürchteten Patriarchen, in einer Welt zwischen Realität und Fantasie. Die Unberechenbarkeit des nervenkranken Mannes belastet das Familienleben. Die betrogene Ehefrau wirkt wie ein Fremdkörper, die Kinder leiden unter der Autorität der Eltern. Das Fieber des Vaters ergreift die ganze Familie.

In ihrer Fantasie spricht das junge Mädchen mit den Figuren aus den Fotos des Vaters. Der Tod wird immer mehr zum Zentrum der Vorstellung. Die Bilder bleiben präsent, auch als erwachsene Frau verschwimmen Traum und Wirklichkeit in einer beinahe absurden Art und Weise. Jahre nach dem Tod des Vaters begibt sie sich auf die Suche nach dessen Vergangenheit in Novi Sad. Irgendwann ist nicht mehr klar zu erkennen, ob sie noch nach der Geschichte des Vaters sucht oder längst von den Fotos verfolgt wird. Szenen erscheinen irrational, Fragen bleiben unbeantwortet. Der Film verwandelt sich in ein Verwirrspiel, bei dem auch der Zuschauer den Durchblick verliert.

Everyday Rebellion (19.03. KIZ Royal)

Nach den Wahlen im Iran 2009 planten Arman T. Riahi und Arash T. Riahi den Film „Everyday Rebellion“. Nach dem Ausbruch des Arabischen Frühlings und dem Aufkommen der Indignados und der Occupy Wall Street Bewegung, entstand ein Crossmedia-Projekt, dass gewaltfreien Protest als Mittel zur Veränderung ins Zentrum stellt. Insgesamt 1600 Stunden Filmmaterial – am Ende steht ein Dokumentarfilm, der eindrucksvoll darstellt, was Revolution bedeutet.

Teil des Filmgesprächs im Anschluss an „Everyday Rebellion“ waren auch der syrische Widerstandskämpfer Ahmed Zaino und Femen-Aktivistin Inna Shevchenko. Über 100 Gruppierungen kämpfen derzeit in Syrien, kritisiert Zaino. „Man kann nicht mehr sagen, welche Truppen sich im Krieg befinden. Die Motive sind unklar, die Situation ist wirklich erschreckend.“ Unverständnis kommt zum Ausdruck. Von einem Gast wird Femen-Mitglied Inna Shevchenko auf Russland angesprochen. Sie entgegnet vehement: „Ich bin keine Russin! Ich bin Ukrainerin.“ In ihrer Heimat befürchtet die Aktivistin eine weitere Krise.

„Die Ukraine bereitet sich auf einen Krieg vor. Wir alle wissen, was man von Vladimir Putin halten kann.“ Der ukrainischen Übergangsregierung wirft sie Nationalismus vor und kritisiert sie als rechtsradikal. Deutlich kommt zum Ausdruck, dass die beiden Protagonisten hinter ihren Projekten stehen. Der Film der Riahi-Brüder verdeutlicht das auf beeindruckende Weise.

Zur Story über "Everyday Rebellion" hier entlang. Zur Diagonale-Tagebuch des ersten Tages hier entlang.

Die Diagonale, das Festival des österreichischen Films läuft noch bis 23. März in Graz.

Bild(er) © 1-3: Diagonale 2014 / Klaus Pressberger, 4: Klaus Hinterhölzl
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