Recyceln, verwerten & polstern

Designweek, nächstes Kapitel: Ein Blick in die Zukunft des Designs und ein Blick in das Innenleben von Möbeln.

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Würde man alle Social-Design oder Green Design-Projekte aufzählen, die während der Vienna Design Week laufen, hätte man viel zu tun und zu lesen und zu besichtigen. Da hilft nur die radikale Auswahl und Konzentration auf wenige Stationen. In diesem Fall auf das „Theatre of Destruction“, das die junge Angewandte-Absolventin Lena Goldsteiner im Gschwandner präsentiert. Die Idee dahinter ist einfach: Plastikteile von nicht mehr gebrauchten Mixern, Haarfönen oder sonstigem Haushaltsgerät werden in mehreren Stufen zerstört, zerkleinert, zerschreddert. Damit das ganze möglichst theatralisch daherkommt, hat die Designerin unterschiedliche Malträtier- und Zerstörungsapparaturen entworfen, die zum Teil ordentlich Krach und Spaß machen.

Dann kommt die Verwandlungsphase, bei der die Designerin zwangsläufig schummeln musste. In den USA gebe es zwar schon Anlagen, die aus kleinen Plastikteilen tatsächlich auf der Stelle verwendbare Kunststoff-„Schnüre“ produzieren könne, doch die seien eben noch alle in der Prototypen-Phase, so die Designerin. Daher also der „Trick“: Die Designerin hat einen Fleischwolf aufgestellt, diesen oben mit den Kunststoffteilen befüllt und danach die „fertigen“ Kunststoff-Schnüre als (scheinbaren) Output drapiert. Mit diesen „Schnüren“ werden nebenan 3-D-Drucker bestückt, die kleine Gegenstände vor Ort produzieren, Schalen etwa, ein Spielzeugflugzeug oder eine Pfeife. Rapid Prototyping nennt man sowas, und es ist als Methode im Design längst üblich, allerdings eben nur für Einzelstücke zu gebrauchen, weil zu teuer. Aus Alt mach Neu – mit Lärm, Fleischwolf und Hightech.

Recycling erleben

Natürlich könnte man die Installation als naiv bezeichnen. Aber eben so ist sie bewusst konzipiert, damit Recycling-Prozesse nicht in abstrakten Infografiken „veranschaulicht“ werden, sondern vor Ort erlebt werden können. Besucherinnen und Besucher sind aufgefordert, ihre alten Gerätschaften mitzubringen und sich der Lust an der Zerstörung (und an der „Wiedergeburt“) hinzugeben. Charmant.

Licht aus Bioenergie

Eine andere technische Zukunftsvision umkreisen taliaYsebastian derzeit im MAK. In ihrer Installation „The Committee of Sleep“ geht es um die Nutzung überschüssiger Energie von lebenden Organismen. Ihre hübschen, aus Papier gefalteten Leuchtkörper nehmen die Energie auf, die durch die Bewegungen der Besucherinnen und Besucher im Raum entsteht, und geben sie an neuartige „organische Leuchtdioden“ (OLEDs) weiter. Kommt der Besucher näher, wird auch das Licht stärker. Aber auch das ist „nur“ ein Trick, denn in Wirklichkeit ist es technisch offenbar noch nicht so ohne weiteres möglich, die freiwerdende Energie zu gewinnen. Fragen dazu bitte an die zuständigen Techniker oder an die Designer selbst.

Wildes Innenleben

Ebenfalls Charme hat das Projekt des Franzosen Julien Carretero, der in Eindhoven studiert und unter anderem beim experimentellen Designstar Maarten Baas gearbeitet hat. Man kann also schon ahnen, dass kein gewöhnliches Möbel herauskommt, wenn ein solcher Konzeptmensch auf den wunderbaren Polstermöbelhersteller Kohlmaier trifft. Das Ergebnis: ein strandkorbähnliches Sitzmöbel für zwei, überzogen mit einem Kunststoffmaterial aus der Autoindustrie, das sehr weich, dehnbar und atmungsaktiv ist und somit gehörigen Sitzkomfort ermöglicht. Die Rückseite des präsentierten Einzelstücks ließ der Designer bewusst offen, man sieht das Rosshaar und die Metallfedern wie aus Opas Zeiten, bestaunt die hölzerne Tragekonstruktion des Möbels und denkt sich: So haben Möbel ausgesehen, bevor sie mit härtendem Industrieschaum gefüllt und irgendwie seelenlos wurden. Nostalgie? Nö. Sondern Bewusstmachung, dass Handwerk eben etwas anderes ist als IKEA-Saisonartikel. Und dass dies im Herzen der Stadt zu erleben ist und nicht neben der Blauen Lagune in Vösendorf.

Die Vienna Design Week läuft noch bis 7. Oktober in Wien.

www.designweek.at

www.kohlmaier.at

www.mak.at

Bild(er) © Kollektiv Fischka
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