Menschen ohne Jobs

Apple und Steve Jobs haben die Netzgemeinde und ihre Entscheider geprägt. Ihre Reaktionen verlaufen nach gewohnten Mustern, die sich wiederholen, wenn eine öffentliche Person stirbt.

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Ja, dies hier wird so etwas wie ein Nachruf. Und nein, wir erzählen euch jetzt nicht mit die alten Geschichten von bärtigen Studenten, die in Garagen im Silicon Valley an der zweiten industriellen Revolution arbeiten und sich dann zerstreiten. Wir wollen auch nicht die Geschichte von Design-David erzählen, der sich immer wieder neu erfindet und dadurch immer cooler als der Goliath war. Und wir werden nicht die Diskussion aufwärmen, ob die technischen Daten oder das Image der Apple-Produkte maßgeblich für ihren Erfolg sind und waren.

Räumen wir erstmal die Fakten aus dem Weg: Steve Jobs hat erkannt, dass die Menschen auch eigentlich banale Produkte wie ein Handy oder einen Computer lieber kaufen, wenn sie sexy sind. Das kann man visionär nennen, muss man aber nicht. Steve Jobs war ein fantastischer Vermarkter. Steve Jobs war ein Diktator, der die Freiheit, von der er oft sprach, in seinem Technikimperium nie duldete. Steve Jobs hat eine Marke geschaffen, die im Mikrokosmos der Grafikdesigner, Werber und Social Media-Menschen quasi Monopolstellung genießt. Im Super-Fi-Büro wird ab und zu panisch per Rundmail ein Windows-PC gesucht, um zu testen, ob Anwendungen und Websiten auch auf diesen wie gewünscht dargestellt werden.

Aus diesem Grund ist Jobs Tod ein öffentlicher Tod. Vor allem ein Tod in der Netzöffentlichkeit. Jeder, der sich häufig und intensiv auf Facebook bewegt, wird es heute auf seiner Pinnwand sehen: „XY und 30 weitere Freunde haben etwas über Steve Jobs gepostet“. Nicht zuletzt, weil das Marketing-Genie auch tonnenweise druckreife Zitate in perfekter Tweet- oder Facebook-Status-Länge hinterließ.

De mortuis nil nisi bene

Das Netz ändert die meisten Vorgänge nicht grundlegend, sondern macht sie nur schneller. Wikileaks hat weder den Whistleblower erfunden noch Facebook die Freundschaft über Distanz hinweg. Manfred Klimek wies klug darauf hin, dass die Muster dieselben sind wie beim Tod von John Lennon (man ergänze hier Kurt Cobain, Amy Winehouse etc). Es gibt die Entsetzen („RIP“, „Ich bin schockiert.“). Es gibt die Menschen, welche das Lob im ersten Augenblick mit der Wanne ausgießen und die Leistung des Verstorbenden dabei oft ein wenig überschätzen („Die Welt hat heute einen ihrer größten Visionäre und Erfinder verloren“). „De mortuis nil nisi bene“ (Über Tote rede nur Gutes), haben die Römer dieses Prinzip genannt. Oder sie erinnern sich an ihre erste Begegnung mit dem Toten, in diesem Fall mit der Marke Apple.

Das alles erzeugt natürlich auch Gegenreaktionen. Manche weisen genervt darauf hin, dass der Tod obszön viel Aufmerksamkeit bekommt („Please, get over it. He just designed devices.“), vor allem im Gegensatz zu dem Leid in der Welt im Allgemeinen und Afrika im Speziellen („He was only one of approximatly 70.000 person who die each day. No more, no less.“). Und auch auf die Fehler des Toten oder seinem Lebenswerk wird hingewiesen („RIP Li Hai, who 16 months ago was the 10th worker to commit suicide due to work pressure at the Foxconn factory producing iPads and iPhones.“)

Ein (netz)öffentlicher Tod

Keines dieser Statements ist richtig oder falsch. Und wahrscheinlich sagen sie mehr über den jeweiligen Poster aus als über Steve Jobs. Wenn jemand wie Steve Jobs stirbt, sterben immer gleich drei Dinge: die Privatperson, die öffentliche Person und unsere Projektion eben dieser. Das dies besonders in der Sphäre, den die Person am intensivsten geprägt hat, geschieht (die Musik bei Lennon, das Netz bei Steve Jobs), ist ebenso einleuchtend.

Wenn ihr mehr Beispiel wollt, schaut in euren Newsfeed. Und, verdammt, jetzt tun wir’s doch noch: RIP, Steve Jobs.

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