Im Jogging-Anzug heiraten

Wie schlimm ist Comic Sans wirklich? Und was macht gute Displayschriften aus? Das haben wir die Typejockeys – Wiens Vorreiter in Sachen Schriftdesign und Typografie – befragt.

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Logos sind wichtig. Es soll fresh sein, aber gleichzeitig auch auf die Qualitäten und Traditionen der Firma hinweisen. Im besten Fall soll das Logo irgendwann für sich selbst stehen. Wenn man einen angebissenen weißen Apfel sieht, weiß man, da steckt Design, Nutzerfreundlichkeit und Qualität von chinesischen Wanderarbeitern dahinter.

Aber ein Logo reicht oft nicht, um eine unverwechselbare Corporate Identity zu schaffen. Insbesondere im Medienbereich ist eigene individuelle Schrift ein gutes Werkzeug, um sich von der Konkurrenz abzugrenzen, sowohl im Print als auch online. Für Unternehmen ist das auch nicht verkehrt.

Wiens Vorreiter in Sachen Fonts und Lettering sind die Typejockeys, die sich ganz der wunderbaren Welt der Typografie und Schrift widmen. Wir haben Schriftgestalter Michael Hochleitner anlässlich der Veröffentlichung ihrer neuen Displayschriften – also Schriften, die größtenteils als Werbeschriften und für Schlagzeilen verwendet werden – ein paar Fragen gestellt:

Magst du uns etwas über euer neues Label „Shots“ erzählen?

Über die Jahre hatten wir immer wieder Schrift-Ideen und Entwürfe, die sich nie in unsere bisherige Bibliothek – die aus ausgewachsenen Lese-Schriftfamilien besteht – einordnen ließen. Daher haben wir das Sublabel „Shots“ gegründet. Hier wollen wir mutig sein, coole Fonts zu machen, und dabei keine qualitativen Abstriche zu machen!

Was muss man beachten, wenn man eine neue Schrift kreiert?

Wenn man wirtschaftlich arbeitet, sind sicherlich die ersten Fragen, die man sich stellen sollte: Wofür soll die Schrift verwendet werden? Wer braucht eine derartige Schrift? Beziehungsweise gibt es etwas allzu Ähnliches vielleicht schon? Wenn letztere Frage mit „ja“ beantwortet werden kann, sollte wohl die eigene Variante klare Vorteile bieten, um ihre Existenz zu rechtfertigen.

Welches Projekt hat euch am meisten Freude bereitet und welches hat auch am meisten Aufmerksamkeit gebracht?

Die Unterschiedlichkeit unserer Projekte macht uns viel Freude. Ein einzelnes zu wählen ist schwer, ich persönlich arbeite sehr gerne an Letterings bzw. Logotypen. Unsere ersten beiden Schriften Premiéra und Ingeborg haben uns – nicht zuletzt durch die Preise, die sie gewonnen haben – international viel Aufmerksamkeit gebracht. Ansonsten haben wir für Projekte wie Wäscheflott, Philippine Welser und die Arbeit für FM4 gute Presse bekommen.

Kannst du verraten, welche Projekte in nächster Zeit anstehen?

Zur Zeit beschäftigen wir uns unter anderem mit der Gestaltung für den österreichischen Design Wettbewerb „Joseph Binder Award“. Außerdem arbeiten wir an einer neuen großen Schriftfamilie. Beides wird im Laufe der nächsten Monate zu sehen sein.

Mit welchen Kosten muss man in etwa rechnen, wenn man von euch eine Hausschrift entwickeln lässt?

Das hängt von Komplexität, Sprachunterstützung und der Dauer der Exklusiv-Nutzung, die von einem Jahr bis in alle Ewigkeit dauern kann, ab. Leseschriften sind dabei aufwändiger als Headline-Schriften. Für einen Schnitt einer Leseschrift mit westeuropäischem Zeichensatz muss man um die 10.000 Euro rechnen.

Dabei muss erwähnt sein, dass die Lizensierung von „Schriften von der Stange“ normalerweise auf der Computer-Anzahl und den Standorten des Unternehmens basiert. Bei großen Firmen/Konzernen, kann es also billiger sein, eine Hausschrift zu beauftragen, die zudem auf sämtliche Bedürfnisse maßgeschneidert wird.

Wie schlimm ist Comic Sans wirklich?

Nicht schlimm. Mit den Möglichkeiten, die es zum Zeitpunkt ihrer Entstehung gab, war es eine simple, aber recht saubere Umsetzung einer „Comic-Lettering“ Schrift. Heute gibt es dank OpenType und steigender Qualität viel bessere Beispiele für solche Fonts. Schlimm ist allerdings wo und in welchem Ausmaß sie heute verwendet wird! Comic Sans für eine Hochzeitseinladung zu verwenden, ist, als würde man im ausgeblichenen 80er Jahre Jogging-Anzug heiraten.

Auf der Website der Typejockeys kann man sämtliche Schriften erstehen.

Bild(er) © Typejockeys
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