„Ich will das Urheberrecht nicht abschaffen“

Am Sonntag sind Nationalratswahlen. Wir haben im Vorfeld mit Sonja Ablinger (SPÖ) und Christopher Clay (Piratenpartei) über Festplattenabgabe, Kulturförderung und „Kunst hat Recht“ gesprochen.

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Das Urheberrecht ist nicht nur der Punkt, wo sich Netz- und Kulturpolitik am deutlichsten treffen. Sondern auch eine Regelung, bei der sich eigentlich alle einig sind, dass sie reformiert gehört. Nur wie? Wir haben im Zuge der anstehenden Nationalratswahl ein ausführliches Doppelinterview mit Sonja Ablinger (Kultursprecherin SPÖ) und Christopher Clay (Piratenpartei) geführt. Es ging um Kulturpolitik, Verwertungsgesellschaften, Breitbandabgabe und viel, viel mehr.

Sonja Ablingers letzter Satz nach 2,5 Stunden war übrigens: „Mir tut der oder diejenige leid, die das jetzt transkribieren muss.“ Deshalb hier ein ausdrückliches Dankeschön an Franziska Tschinderle.

The Gap: Wir wollen heute unter anderem versuchen über das Urheberrecht zu sprechen. Lässt sich diese Debatte überhaupt noch ruhig und sinnvoll führen?

Sonja Ablinger: Ich glaube, es gibt kaum ein Thema das so derart aufgeladen ist wie die Urheberrechtsdebatte. Teilweise macht es gar keinen Sinn mehr darüber zu diskutieren, weil es wie in verteilten Rollen eine Wiederholung der Positionen ist. Frauenthemen sind oft ähnlich polarisierend. Dort ist man sich aber zumindest in der Richtung einig und scheitert dann am Weg dorthin. In der Urheberrechtsreform gibt es aber bereits bei den Positionen so starke Kontroversen. Die anderen wollen genau das Gegenteil. Wie hast du das miterlebt, Christopher?

Christopher Clay: Ich habe einmal an einer Diskussion zum Thema „Wovon sollen Künstler leben“ teilgenommen und dort bemerkt, wie emotional diese ganze Reform aufgeladen ist. Geendet hat die Diskussion in einem Schreiduell, wo uns vorgeworden wurde, wir würden die Kinder eines eingeladenen Künstlers verhungern lassen wollen. In solchen Fällen ist es unglaublich schwierig eine Gesprächsbasis beizubehalten. Ich glaube aber, dass eine neue Generation heranwächst, die diese Themen anders sieht und man in der Zwischenzeit mit Übergangslösungen Kompromisse finden muss.

Es kommt einem manchmal so vor, als bräuchte die Kulturindustrie – wie die Kohleindustrie früher – Übergangslösungen, denn die Art und Weise wie man damit Geld verdient, ist komplett über den Haufen geworfen.

Clay: Die Nachfrage ist da, aber die Knappheit des digitalen Gutes ist weg. Wenn du ein Gut auf einem Markt hast, das nicht mehr knapp ist, ist es sehr schwierig, da eine Marktwirtschaft aufrecht zu erhalten.

Ablinger: Zum Teil. Was meiner Meinung noch dazu kommt, ist, dass in den Urheberrechtsdebatten oft über Entscheidungen gestritten wird, die nichts mit dem Urheberrecht zu tun haben, sondern mit einem Kulturbruch. Natürlich ist die Digitalisierung z.B. für klassische Journalisten aus dem Print-Bereich eine immense Umstellung und führt auch zu Verunsicherungen und Ärger. Dabei geht es aber nicht ums Urheberrecht, sondern um allgemeine Veränderungen der kreativen Praxis und der Kommunikation. Über diesen Kulturbruch muss man reden, und nicht immer nur ums Urheberrecht.

Clay: Eine wichtige Frage ist die: Was ist die Aufgabe der Politik in so einer Phase des Umbruchs? Ich glaube eindeutig, dass wir in so einer Phase sind, in der eingesessene Modelle ganz klar nicht mehr funktionieren und noch nicht geklärt ist, was das Modell der Zukunft ist. Auch bei uns im Parteiprogramm steht nicht DIE Lösung für die Urheberrechtsfrage. Mir ist aber wichtig, dass die Rolle des Staates nicht jene ist, Geschäftsmodelle vor Veränderungen zu schützen, sondern die negativen sozialen Effekte abzufedern. Die Politik muss immer auf der Seite des Neuen sein.

Ablinger: Die Unterscheidung „Alt“ und „Neu“ ist mir zu einfach. Ich glaube nicht, dass es immer nur um diesen „Schutzcharakter“ geht. Mittlerweile stoßen ja sogar jene, die das Urheberrecht unverändert lassen wollen, in der Praxis an seine Grenzen stoßen. Das Problem ist, dass das Urheberrecht mit den heutigen Möglichkeiten nicht mehr zusammenpasst und in eine Schieflage gerät. Ich will das Urheberrecht nicht abschaffen, sondern es aus dieser Schieflage befreien. Eine zusätzliche Schranke, die Werke für den nicht-kommerziellen Bereich öffnet, sehe ich als guten Weg. Denn dadurch sehen die Leute, dass die davon profitieren können und nicht benachteiligt sind. Ein konkretes Beispiel: Es gibt von der Käthe Kratz, eine hervorragende Regisseurin, fünf Fernsehfilme über Frauenleben in Österreich. Diese Filme hat der ORF zweimal ausgesendet und hält noch heute alle Rechte, aber sie sind irgendwie verloren und für niemand zugänglich. Oder zumindest nur mit Schwierigkeiten.

Aber das ist doch auch eine Frage der Länge der Schutzfristen. Was ist denn die offizielle SPÖ Position derzeit?

Ablinger: In unserem Positionspapier steht keine Zahl. Aber die Schutzfristen müssen kürzer werden. Die Entscheidungen die kürzlich auf EU-Ebene getroffen wurden, sehe ich kritisch.

Clay: Bei dieser Entscheidung sieht man, dass das längst keine Österreichfrage mehr ist, sondern nur auf EU-Ebene zu lösen ist. Österreichs Piraten haben übrigens auch keine Zahlen dazu im Parteiprogramm. Die deutschen Piraten fordern beispielsweise 5-10 Jahre.

Ist die Verlängerung damals mit den Stimmen der europäischen Sozialdemokraten entschieden worden?

Ablinger: (zögert) Das ist wirklich eine gute Frage. Man muss ehrlicherweise sagen, dass es bei diesen Fragen keine einheitliche sozialdemokratische Meinung gibt. Da gibt es eher Länder- als Fraktionspositionen. Ich würde tendenziell vermuten, dass die Fraktion gespalten ist. Besonders bei Themen wie dem Urheberrecht kommt das in der SPÖ oft vor. Auch die Diskussion zu unserem netzpolitischen Papier war ein Ringen innerhalb der Partei. Aber auch bei den Grünen in Deutschland ist die Partei gespalten.

Auf der nächsten Seite: Kulturförderungen, Netflix und „Kunst hat Recht“.

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