Aus der Lebensmitte heraus berichten

Okto bietet eine Plattform für Geschichten, die in anderen Medien wenig Beachtung finden. Seit zehn Jahren. Wir wollten wissen, warum das so wichtig ist.

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Jeder kann Fernsehen machen. Theoretisch. Okto bietet das auch praktisch an. Alle interessierten Bürger und Bürgerinnen sollen die Möglichkeit haben, Ideen und Anliegen im Fernsehen zur Sprache bringen, findet der Communitysender. Heuer machen sie das bereits seit 10 Jahren so. Doch wie funktioniert das praktisch eigentlich? Kann ich einfach zu Okto spazieren und Sendungen konzipieren? Wir sind mal hinspaziert und haben nachgefragt.

Über einen industriell anmutenden Innenhof betritt man ein großzügiges, freundlich aussehendes Büro. Die Studioräume befinden sich im Stockwerk darunter. Freundlich und hell sind nicht nur die Räumlichkeiten, sondern auch die Menschen drinnen. Es herrscht eine austauschfreudige Betriebsamkeit bei Okto. Geschäftsführer Christian Jungwirth ist ein schneidiger Mann mittleren Alters, er lacht viel und scheint zu jedem hier einen guten Draht zu haben. Der gelernte Biochemiker ist über Umwege zum Fernsehen gekommen mit einem recht pragmatischen um nicht zu sagen trockenemEinstieg: als Experte im Urheberrecht. Wir wollten von ihm wissen, warum Bürgerfernsehen so wichtig ist, wie es um die publizistische Relevanz bestellt ist und was sich eigentlich ändern muss.

"Okto ist eine gesellschaftliche Notwendigkeit" steht auf eurer Website. Wieso eigentlich?

Das war eigentlich eine Aussage von der Eva Jantschitsch, die im Zusammenhang mit einem Gustav-Testimonial-Dreh entstanden ist. Doch ich kann mich inhaltlich nur anschließen! Eine Notwendigkeit in dem Sinn, dass wichtige Funktionsweisen, die Rundfunk leisten kann in der Gesellschaft von den ersten beiden Sektoren in unserer Wahrnehmung nicht abgedeckt werden. Erst durch die Etablierung eines dritten, partizipativen Rundfunksenders werden diese Möglichkeiten genutzt.

Was kann denn Okto, was der ORF nicht kann?

Der ORF als direktives Medium arbeitet klassisch journalistisch, hat einen Zugang zu Informationen und berichtet über etwas. Bei Okto als Communitymedium kommen diese Informationen nicht von ausgebildeten Journalisten, sondern von Leuten, die bei uns lernen Fernsehen zu produzieren und dann mit diesen Skills aus ihrer Lebensmitte heraus berichten. Damit können wir einen ganz anderen Grad der Authentizität erzielen. Das ist eine der Besonderheiten von Okto, die man im klassischen Rundfunk selten bis gar nicht findet.

Wobei anzumerken ist, dass wir ein Mischkonzept verfolgen. Die klassisch journalistische Herangehensweise spielt ja bei Okto auch eine Rolle. In Ergänzung haben wir jedoch Programme, die von ehrenamtlichen Mitarbeitern produziert werden und ganz andere Geschichten erzählen.

Da drängt sich die Frage auf: Wie funktioniert das? Ich hab gelesen, man muss einen Basisworkshop absolvieren, um selbst eine Sendung zu produzieren?

Es gibt inzwischen auch viele Prosumer, die schon selbst über das nötige Equipment verfügen und recht versiert im Umgang damit sind, die müssen jetzt nicht den Basisworkshop bei uns machen. Wir wollen nur, dass die Leute ganz spezifisch auf unsere Produktionsmittel ausgebildet werden und dann auch möglichst hohe Qualität im Output und in der Produktion haben. Was wir jedem trotzdem nahe legen ist ein Workshop zu Medien und Urheberrecht.

Wie viel Zulauf habt ihr denn?

Da muss man unterscheiden. Durch die Auftragssituation der Stadt Wien, die ja immer noch maßgeblich zur Basisfinanzierung von Okto beiträgt, nehmen wir uns auch als Zentrum zur Medienkompetenzvermittlung wahr.

Das Kursangebot hat natürlich in erster Linie die Zielsetzung, dass Leute hier das Produzieren von Videos erlernen, damit sie das dann auch für uns tun. Aber natürlich ist das Angebot offen für alle Bürger und Bürgerinnen dieser Stadt, die sich generell einmal mit der Fernseh- und Videoproduktion auseinandersetzen wollen. Das wird auch rege genutzt. Wir haben im Jahr noch immer über 1000 Leute, die unsere Kurse besuchen.

Gibt es bei so vielen Einsteigern manchmal das Problem, dass euch Unprofessionalität vorgeworfen wird?

Es gibt schon das Problem, dass die Leute die vor dem Fernseher sitzen Okto teilweise durch dieselbe Brille sehen wie Servus TV oder andere Sender. Solche Möglichkeiten zur Produktion haben wir natürlich nicht.

Was war für dich persönlich denn die wichtigste Entwicklung von Okto in den letzten zehn Jahren?

Puh.

Also ohne arrogant wirken zu wollen, glaube ich schon, dass wir einige Meilensteine im Kontext von Bürgerjournalismus legen konnten. Wobei ich einräumen muss, dass wir bei der Gründung von Okto eine Gunst der späten Geburt hatten. Dadurch, dass es in Österreich erst so spät zu einer Privatisierung des Rundfunks kam, haben sich die Communitymedien auch sehr spät entwickelt. Wir hatten schon die Möglichkeit in ganz Europa zu beobachten, zu recherchieren und so Fehler zu vermeiden. Wir haben einige Dinge anders gemacht, beispielweise haben wir eine andere rechtliche Organisation als die offenen Kanäle in Deutschland.

Weiter zu irrelevanten Inhalten, Finanzierung und dem epochalen Medienwandel.

Bild(er) © Okto, Sebastian Philipp für Okto
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