Aus dem Nachlass einer Wiener Dame

Das Dorotheum hat gestern, dem Zeitgeist entsprechend, seine erste reine Modeauktion abgehalten. Dabei kam die beachtliche Sammlung einer Chanel-begeisterten Dame unter den Hammer. Text: Gabriel Roland, Fotos: Fabian Gasperl.

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Der Kleiderschrank einer distinguierten Dame gehört zu den Dingen, die sich eher selten für die Öffentlichkeit öffnen und doch oftmals Schätze bergen. Den Beweis trat nun das Wiener Auktionshaus Dorotheum an. Die versteigerte Sammlung, "aus dem Nachlass eine Wiener Dame" wie der Prospekt kundtut, umfasste 161 Lots an Kleidung, Schmuck, Taschen und Schuhen – und ein Konvolut an Chanel-Memorabilia.

Chronistin der Ära-Lagerfeld

Man kann versuchen, sich das Leben der Sammlerin anhand der versteigerten Stücke halbwegs auszumalen. Während auch in den Kästen ihrer Standesgenossinnen sicher das eine oder andere Chanel-Kostüm hing, war ihre Begeisterung für die französische Marke ungleich intensiver. Von den Achtzigern bis ans Ende des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts war die Wiener Dame regelmäßige Kundin bei Chanel und ist damit eine Art Chronistin der Ära-Lagerfeld. Dabei sind jene Stücke, die sie (vermutlich) selbst getragen hat und daher nicht in neuwertigem Zustand sind, gar nicht zur Auktion gekommen.

Neues Format: Modeauktion

Die Erben der Wiener Dame wussten jedenfalls nichts mit einer derartigen Sammlung anzufangen und trugen sie ins Dorotheum. Dass dort das Potenzial erkannt wurde, spricht für die Wiener Institution – wurden doch dort Vintagebekleidung und -accessoires bisher nur als Teil der Antiquitätenauktionen gehandelt. Eine so homogene Sammlung stellt aber auf jeden Fall einen guten Anfangspunkt für ein neues Format an Modeauktionen dar.

Kunstausstellung und Geschäftslokal

Und auch der Ablauf lässt auf eine Fortsetzung hoffen. Eine knappe Woche lang waren die Lots elegant präsentiert und umgeben von den ebenfalls ausgestellten Objekten der anstehenden Designauktion im Palais Dorotheum zu besichtigen. Zwei schlichte Kleiderstangen, zwei Vitrinen und ein Spiegel genügten vollkommen um die Stücke zu voller Geltung zu bringen und gleichzeitig einen spannenden Kompromiss zwischen Kunstausstellung und exklusivem Geschäftslokal zu erzeugen. Allein das Begutachten der Kleidung mit weißen Handschuhen erzeugte eine faszinierende Stimmung.

Monogramm ist Trumpf

Die Auktion selbst war gut besucht – nicht nur von Schaulustigen sondern auch von Bieterinnen und Bietern. Es waren vor allem Accessoires, die beachtliche Erfolge erzielten: So steigerte sich eine Samttasche von 360 auf 2750, ein behängter Gürtel aus Metall und Leder von 300 auf 2500 und zwei Paar Stulpen aus Kaninchenfell von 150 auf 1500 Euro. Auch die Taschen fanden durch die Bank guten Anklang, ebenso die Tücher und Knöpfe, die beinahe alle durch die Sensalinnen ersteigert wurden. Dass der aus wertlosen Materialien in konventionellen Formen gearbeitete Modeschmuck so beliebt war, bleibt bedenklich, wenn auch vielleicht nicht verwunderlich.

Manch Spannendes blieb liegen

Die Mode selbst ging größtenteils gut, wobei die zahmeren Stücke sich erwartungsgemäß leichter verkauften. Während die Oberteile Absatz fanden, blieben fast alle Hosen und Röcke liegen. Gerade einige Teile, die sich einem jüngeren Publikum angeboten hätten, wie das hübsche Kleid aus der Cruise Collection 1996 (Lot 151) oder der spektakulär schimmernde Hosenanzug (Lot 55) blieben unverkauft. Dabei waren viele Rufpreise im niedrigen dreistelligen Bereich durchaus auch für bescheidenere Mittel geeignet. Hier darf man hoffen, dass der Kreis an Interessentinnen angewachsen sein wird, wenn das Dorotheum wieder eine so spannende Sammlung entdeckt.

Details zu den auktionierten Stücken und die erzielten Preise findet man hier.

Bild(er) © Fabian Gasperl
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