Illbilly The K.I.T.T. im Museum

Es begab sich, dass ich unlängst im Geburtshaus von Franz Schubert landete. Dort ist, wer es nicht weiß wird es sich denken können, ein kleines Museum zu Ehren des Komponisten eingerichtet.

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Ursprünglich wollte ich eigentlich ja Schuberts Sterbewohnung, in der, auch das wird man sich denken können, ebenfalls ein kleines Museum zu Ehren des Komponisten eingerichtet ist, besuchen. Mich hätte nämlich interessiert, ob Schubert Hardcorefans hat, die ihm fast 200 Jahre nach seinem kreativen Wirken noch Zeichen der Ehrerbietung darbringen.

Das ist ja ein ganz beliebter Brauch unter Anhängern. Elvis zum Beispiel legen sie seit Jahrzehnten tonnenweise Teddybären und Schinkensandwiches auf sein Grab in Graceland. Jimi Hendrix bringen sie Gitarrensaiten. Und Amy Winehouse werden sie wohl auf immerdar Whiskyflaschen vor die Haustür ihres Londoner Häuschens stellen. Ich würde echt gerne einmal in einer knackig aufbereiteten Infografik nachlesen wollen, wie viel Spirituosen sich da so ansammeln und wohin die entsorgt werden. Vielleicht auch noch mit einem Mengenvergleich, was Janis Joplin oder Jim Morrison jährlich an Hochprozentigem geschenkt wird. Neben der Liste vom Forbes Magazine, die immer die reichsten Toten im Showbusiness ermittelt, wäre das mal echt ein etwas anderer Gratmesser für ein posthumes Beliebtheitsranking. Ach was! Ich werde das gleich mal selber demnächst in einer Redaktionssitzung zur Sprache bringen und hoffen, dass man dann einen Praktikanten wieder mal so richtig hart zum Recherchieren ran nimmt, weil selber mach ich das sicher nicht. Bei der Gelegenheit fällt mir auch das Stellenangebot wieder ein, das ich unlängst auf einer Jobbörse annoncierte. »Sexkolumnist (The Gap) sucht Prakticuntin für Recherchezwecke.« Obgleich sich niemand gemeldet hat, brauchte es überraschenderweise einiges an Überzeugungskraft und ein Gegengeschäft, um die Plattformbetreiber von einer seltenen legasthenischen Subform, unter der ausschließlich Menschen leiden, die beruflich viel im denglischen Sprachraum unterwegs sind, zu überzeugen.

Aber das nur am Rande, weiter im Text. Meine Bequemlichkeit schlug mir wieder einmal ein Schnippchen. Denn da Schuberts Geburtshaus in unmittelbarer Nähe meines Wohnortes steht, pfiff ich kurzerhand auf einen Antrittsbesuch in seiner Sterbewohnung, die geografisch für mich etwas ungünstiger gelegen ist. Was sich aber gut traf. Einerseits, weil ich nicht sonderlich happypepi drauf war und der festen Überzeugung bin, dass ein Geburtshaus ein bisschen bessere Vibes als ein Sterbeort verströmt. Andererseits glaubte ich auch nicht wirklich, dass man Schubert mit größeren Gaben als Blumen gedenkt. Das bestätigte mir auch die nette Frau an der Museumskassa. Zumindest im Geburtshaus hinterlässt noch heute so mancher Besucher eine rote Rose, kommentierte sie meine diesbezügliche Anfrage. Das ist wohl auch seiner Vertonung der Goethe’schen Verse zum berühmten Gedicht »Heidenröslein« geschuldet. Was letztlich dann irgendwie doch eigentlich auch ein bisschen arg ist, wird in den Versen doch eine astreine Vergewaltigung beschrieben. Und zwar in derart leicht verständlichen Metaphern, dass es auch für die alte Wikipediasau keine Interpretationsprobleme gibt.

Während ich mir so überlegte, dass es wohl ziemlich lustig wäre, statt einem roten Röslein fünf über Lindenholz aromatisch geräucherte Regenbogenforellen ins Museum zu schleppen, stand ich plötzlich vor der Vitrine mit Schuberts Brille.

Dumme Tränen der Rührung schossen mir in die Augen, als ich das Gestell unter die Lupe nahm. Beide Gläser des Sehbehelfs haben einen Sprung. Einen schönen geraden übrigens. Nicht so wie bei Michael Douglas in »Falling Down«, oder bei den Smartphone-Displays, die spinnennetzartig zu zerspringen pflegen, wenn sie mal versehentlich wo runter fallen. Spiderman-Edition nenn ich das. Irgendwie sind diese kaputten Touchscreens ein herrlich absurdes Sinnbild für ein gleichzeitig fremd- wie eigenverschuldetes Scheitern am Technolifestyle.

Egal. Schuberts Brille berührte mich jedenfalls, vor allem weil sie so verbogen ist. Der dürfte echt sehr oft damit eingeschlafen sein. Ich erkenn das. Außerdem ist der Schubert’sche Sehbehelf unheimlich schön geputzt. Gut, ist ja auch ein Museumsstück, aber so sauber sind sonst nur meine Brillen. Und das auch nur, weil ich sie nicht selber putze, sondern unter fadenscheinigen Gründen vier Mal in der Woche Optiker aufsuche, um sie mit Ultraschall säubern zu lassen. Das ist nötig, weil ich einen ziemlichen Brillenfetisch habe und dreist genug bin bei den Ladys – sofern sie selbst nicht im Besitz eines eigenen Modells für ihre Nase sind – nachzufragen, ob sie sich vorstellen könnten, für die Dauer des Oralverkehrs meine Brillen auszuborgen. Ich weiß, dass ist ein bisschen grenzwertig, auch weil man sich denken kann, dass so schon einiges auf meinen Gläsern gelandet ist, was da so jetzt auch nicht unbedingt hin gehört. Aber ich hab mir quer durch die Stadt eine Route aus 16 Fachgeschäften zusammengebastelt, damit jeder Optiker nur einmal im Monat zum Saubermachen dran kommt. Dieser ausgeklügelte Putzplan machte übrigens, als ich einmal davon erzählte, alle Anwesenden fassungslos. Vor allem die mit Brillen.

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